Alan Vega

Alan Vega war die singende Hälfte des Duos Suicide, das seit 1971 die Musik der allerneusten Zeit vorwegnahm. Lange vor den Erfolgen von Soft Cell und DAF haben Vega und sein Partner Martin Rev am Synthi mit minimalem Aufwand maximale Erfolge erzielt und, unverstanden von dem veraltetem Rock’n’Roll zujubelnden Amis, auf zwei LPs die Vorbilder für die so erfolgreiche Bewegung des Synthi-Pop abgegeben. Nachdem auch die zweite wunderschöne Suicide-LP kommerziell versagte und die Gruppe auf Tourneen weiterhin ausgebuht wurde (in Hamburg konnte man sie als Vorgruppe von Elvis Costello im AudiMax erleben, daß muß so um ’78 gewesen sein), wollte keine Plattenfirma der Welt die beiden weiter unter Vertrag halten. Alan Vega zog die Konsequenzen. Aus der Erkenntnis heraus, daß die minimalistische Musik schon bei den berühmten Sun-Sessions von Elvis Presley entstanden sei, widmete er sich einer Wiederaufnahme der Rockabilly-Tradition, veredelt von seinen urbanen Speed-Visionen. Zusammen mit seinem der Partner Phil Hawk an der Gitarre und einer Rhythmusmaschine spielte er eine überragende, überschäumende Platte ein, die trotz geringer Produktionskosten wieder ein Flop zu werden drohte, bis etwas Unerwartetes geschah: Die Single-Auskopplung „Jukebox Baby“ wurde zum Hit in europäischen Discos und schaffte ausgerechnet in Frankreich auch überragende Verkaufserfolge. Vega, dessen amerikanische Firma von den französischen Erfolgen nicht viel hatte, unterschrieb daraufhin bei dem französischen Vertriebslabel Celluloid, das derzeit mit Gruppen wie Material und einem vielfältigen Programm neuer Musiken von sich reden macht. Für eine zweite LP war dann sogar das Geld für eine kostspieligere Produktion mit Band vorhanden. Vega spielte in Clubs rund um New York mit jungen unbekannten Musikern und entwickelte mit ihnen eine stilistische Weiterführung seiner ersten Solo-LP. Noch wesentlich gehetzter, speediger und nervöser hechelt er sich durch die zerstörten Mythen amerikanischer Rock-Rebellion, bis er in einem vierzehnminütigen Gruft-Gesang mit Dröhn-Musik von seinen Erfahrungen im Vietnam-Krieg erzählt: „Viet Vet“. Wie immer bei Vega oder Suicide tragen auch hier die ungünstigen Produktionsbedingungen mit zum Charme der Musik bei. Die wenig erfahrene Band, die außer den erwähnten Club-Auftritten kaum Erfahrungen besaß, wird von Vega in ihrer Kurzatmigkeit ebenso genial als Stilmittel benutzt, wie das Fehlen einer Band bei seiner vorangegangenen Platte. Inzwischen hört man aber von drüben, trotz der üblichen Buh-Orgien, die die Band als Vorprogramm der Pretenders in amerikanischen Football-Stadien über sich ergehen lassen mußte, daß Alan Vegas Rockabilly-Ensemble sehr gut beieinander sei, was verspricht, daß wir beim Hamburger Live-Auftritt wieder mit einer neuen Phase von Vegas Entwicklung konfrontiert werden dürften.