Pop in der Party-Phase

Ich sag’s gleich am Anfang. Dann ist es raus. Iggy Pop ist für Reagan, mehr noch, er hat „very strong feelings“ für ihn und hält ihn seit Eisenhower für den ersten richtigen Mann im weißen Haus, nach einer Reihe von Verwöhnten (Kennedy), Perversen (Johnson), Macht-Verrückten (Nixon), Spinnern (Carter).

Meint er es ernst? Auf Protest seitens des Journalisten ragiert er mit einem scherzhaften: „Ich lasse nicht zu, daß du auf diese Art über den amerikanischen Präsidenten redest“, und erkundigt sich im nächsten Atemzug interessiert nach den Grünen. „Ich habe noch nie von einer Partei gehört, die sich nach einer Farbe nennt.“ Das Verhältnis der Amerikaner zur Politik erweist sich ein ums andere Mal als höchst seltsam. Selbst Personen, die über Einsichten verfügen, die sie befähigen sollten, politische Zusammenhänge zu durchschauen, erweisen sich unfähig, ihre Erfahrungen und Intelligenz auf politische Geschehnisse anzuwenden. Hinzu kommt ein meist riesiges Informationsdefizit.

Iggy ist an diesem Morgen, an dem die Alka-Seltzer aus dem Hotel-Service weggehen, wie am Abend vorher die Drinks, ausgesprochen nett und zugänglich, zu zuvorkommend. Trotz einer Platte, die mit Lebensfreude klotzt, geht es ihm nicht so gut, wie es den Anschein hat. In Amerika will niemand PARTY veröffentlichen und eine längere Schimpftirade auf diverse Schallplattenfunktionäre beginnt. Doch Iggy ist an diesem Morgen so milde aufgelegt, daß er sich gleich wieder korrigiert. „Sie sind keine Schweine, nein, sie sind auch Menschen und ich hab’ nichts gegen sie. Sie haben nur das Pech, für einen Konzern arbeiten zu müssen und in dieser Funktion hasse ich sie. Ich will, daß meine Musik zu den Kids kommt. Wenn in New York, in der Gegend, wo ich jetzt lebe, diese Kinder auf den Straßen diese Platte hören könnten, ich sage dir, hui!“ Mit dem Umzug nach New Orleans hatte es nicht geklappt, er langweilte sich schnell, ging nach Houston um dann nach N.Y. zurückzukehren: „Aber die neue Platte ist noch stark von der Zeit da unten geprägt. (…) Ich hatte mir überlegt, daß ich nur noch Songs über Dinge schreiben wollte, von denen ich was verstehe. Und das sind nun mal: Mädchen, Parties, Nachtleben“. Du hast Ego-Probleme, völlig ausgespart. „Ja, das wollte ich nun nicht mehr machen, selbst wenn es mir bei den Aufnahmen zu PARTY nicht so gut ging, habe ich immer versucht den Anschein zu erwecken und hab’ etwas nachgeholfen.“

Was ich zur Zeit an Iggy schätze ist die Tatsache, daß er überhaupt am Leben ist. Im Grunde scheint doch sein Leben und dessen Symbolwert, sein Mythos wie gemacht zu sein, für die Aasgeier der Stirb-früh-lebe-intensiv-ja-Janis-das-ist-eben-Rock’n’Roll-Ideologie, wo der frühe Tod halt zum Gesamtkunstwerk gehört. Iggy Pop hat sich die mörderische Sparte des Musikgeschäfts ausgesucht. Er gilt als einer, der sich hingibt, den Massen zum Fraß vorwirft, über eine Dekade schon öffentlich Verausgabung zelebriert. Aber er hat Überlebenstaktiken entwickelt. Natürlich ist er von dem ungeschliffenen Genie, das die Sätze: „Another year for me and you / another year with nothing to do“ schrieb, heute weit entfernt, ebenso von dem Homunculus des großen Bruders Bowie, der ihn zwei LP’s lang stellvertretend dessen Alter Ego ausleben ließ und in Iggy den genialen Darsteller dafür fand. Iggy Pop ist heute ein Profi eines harten, aufrichtigen Rock-Entertainments. Zielgruppe: Heranwachsende. Wer 1972 nicht fünfzehn, sondern erst sechs war, hat auch jetzt noch ein Recht „Search And Destroy“ live zu hören und Iggy gibt ihm, was er will. Klar, daß seine eingeschworenen Anhänger seit Jahren nach jeder Show mäkeln. Ihnen hat er auch alles gesagt, für sie ist er nicht mehr da, er sollte mit Kim Wilde touren. Er selber würde seine nächste Platte am liebsten wieder mit Bowie aufnehmen.

Wenigstens war Reagan in einem Film sehr gut: Als Schreibtischtäter in Don Siegels „The Killing“.