Spandau Ballet

Als vor eineinhalb Jahren die erste Maxi-Single von Spandau Ballet in dem charakteristischen griechisch-römischen Cover-Stil verpackt erschien, waren sich die Medien ihrer einmütigen Ablehnung seltsam sicher. Die Band, die sich gern in aufwendigen Kostümen, mit Tüchern behangen und mit extravaganten Frisuren präsentierte, war für die besserwisserische, von Soziologismen verseuchte Kritik, vor allem in Deutschland, ein Bestandteil eines neuen, für berufsmäßige Interpretierer unverständlichen Phänomens, das man „New Romantics“ nannte. Gruppen wie Spandau Ballet, Ultravox, Duran Duran, Depeche Mode, Classix Nouveaux, Soft Cell, Visage (von denen genau dreieinhalb gut sind und dreieinhalb schlecht) wurden von dieser Kritik in die Ecke eines apolitischen Eskapismus gedrängt. Man verkleide sich, um der Härte des Alltags (die berühmten Arbeitslosenziffern) zu entfliehen, statt sich, wie es die Väter schließlich getan hätten, zu Protestmärschen aufzumachen.

Welche Bedeutung Verkleidung, Stil und Mode gerade in strategischem Sinne für Jugendkultur hat, daß es gerade darum geht, längst vereinnahmten Protest-Strategien zu entgehen und daß es eben auch darum geht, für eine liberal-soziologische Interpretation unverständlich zu bleiben, wurde verschwiegen. Höhepunkt der New Romatic-Verteufelung war die Assoziation eines NDR-Moderators, der in der besagten Maxi-Single „To Cut A Long Story Short“ mit ihren Sequenzer-Rhythmen die menschenfeindliche Mechanik von Hinrichtungsmaschinen heraushörte und die verbreitete Meinung, der Name Spandau Ballet sei aus Sympathien für Rudolf Hess gewählt worden. Gary Kemp, der Kopf der Gruppe, konnte zunächst nicht oft genug von seiner sozialistischen Haltung reden, seine Philosophie des Ausgehens, des englischen Souls und seiner Anhänger erklären. Er wurde nicht wahrgenommen. Das lag vielleicht auch daran, daß Spandau Ballet nicht auf Anhieb zu gefallen wußte. Die erste LP hatte diverse Längen, das Instrumentarium war relativ öde, die Arrangements nur in Ansätzen interessant. Erst im letzten Sommer gelang Kemp & Co. mit „Chant No 1“ eine absolut überzeugende Realisierung ihrer Ideen. Die mit Unterstützung der Bläsertruppe Beggan & Co eingespielte Hymne an das Nachtleben in Soho gehörte definitiv zu den fünf Songs des Jahres. Dem folgte eine LP mit fünf Titeln vergleichbarer Qualität, die alle ebenfalls als Maxis in besserer Abmischung zu haben sind, und drei überflüssige Verirrungen in vermeintliches Neuland (Anklänge in „Music For Zen Meditation“ und andere Resultate von Gary Kemps etwas zu intensiver Hermann Hesse-Lektüre). Doch zu Spandaus Soul-Boy-Ideologie gehört es, die Maxi-Singles als wesentliches Memit der üblichen luxuriös-aufwendigen Abmischung ebensoviel Gewicht zu legen wie auf die ursprüngliche Komposition. Daher sind die hervorragenden letzten fünf Maxis für die Absichten der Gruppen entscheidender als die 2. LP.

Sehen konnte man Spandau Ballet bislang nur auf Video, wofür gemäß der New Romantic-Haltung sehr viel Mühe und Liebe aufgewendet wurde. Vor wenigen Wochen gab es in England die ersten Bühnen-Auftritte des fünfköpfigen Ensembles, und der leidenschaftliche Crooner Tony Hadley soll mit seinem Gesang die Massen verzaubert haben.