Zick Zack Nr. Soundsoviel, 31.1.1981

Ihr ärgert euch, daß wir so viel über ZickZack-Feste berichten. Der Grund ist einfach: es fanden in letzter Zeit einfach keine Monogam-, Rondo-, Ata Tak-, Marat-, Iron Curtain- oder NoFun-Festivals statt, daher also nochmal ZickZack-Fest in Hamburg, das bisher beste von allen.

Korpus Kristi aus Limburg, Quintett in punkigem Outfit, mit überdimensionalem Kreuz auf der Bühne. Die Leute konnten spielen, taten aber so, als würden sie’s nicht können. Noisy Improvisationen über einen rockigen Background. Nicht schlecht, aber ohne Höhepunkte. Nylon Euter dagegen fand ich richtig schlimm: Eine richtig professionelle Nostalgie-Show, mit Cover-Versionen, Kostümen und einem foolesken Bühnen-Konzept. Pop für Alternative der vorigen Generation. Aber sie mußten eine Zugabe geben. Die übrigens für Hamburger Verhältnisse sehr ruhige Masse gab dem Kritiker Unrecht.

X-mal Deutschland aus Hamburg, Mädchen-Quintett, machen Hoffnung. Gegenüber ihrem Debüt beim Sylvester-Fest wesentlich verbessert, zumindest in der Bühnenpräsenz. Die Musik ist harte, moderne Kantigkeit, ohne Unentschlossenheiten und mit tollen Frisuren, sehr direkt vermittelt. Manchmal hört man Siouxsie-Einflüsse, aber das Ganze ist schon sehr eigenständig (hiermit seid ihr, X-mal Deutschland, in die heiligen Hallen der SOUNDS-Redaktion eingeladen, Steindamm 63, U-Bahn Lohmühlenstraße), die Texte waren allerdings etwas peinlich. Ich bin nie zufrieden; doch: bei Palais Schaumburg, trotz technischer Ausfälle und zum Trio geschrumpft total überzeugend. Sie sind und bleiben Hamburgs Numero Uno-Tanzorchester und wissen immer besser aufzutreten und sich zu vermitteln.

Auch Wirtschaftswunder konnten sich erneut als Live-Band auszeichnen: Gleich zwei starke Frontleute: Sänger Angelo, der mit seinem Italo-Schmalz selbst einen Kevin Rowland fade wirken läßt und Tom Dokoupil, diesmal nicht nur wie bei Radierer an Keyboards, sondern als archaisch-bulliger Gitarrero. Die Songs kamen durchweg besser als auf Platte. Ein gelungener Abend ging zu Ende.

Busch Tetras machen das Rennen

Welche der diversen Contortions-Reste kriegen wir Deutsche als erste zu sehen, war lange die Frage. Die Raybeats, Defunct, die Bush Tetras oder gar dieContortions selber?

Es sind die All-Girl-Band Bush Tetras, wie der kluge Leser schon der Überschrift entnommen haben dürfte. Die Band mit einer enormen Reputation bei New York-Touristen und angeblich auch unter Einheimischen sowie einer nicht ganz so tollen Single kommt gemeinsam mit den Bongoes (auch irgend so’ne Hip-Pop-Band) aller Wahrscheinlichkeit nach noch im März in die BRD, nachdem sie vorher in einer größeren Package-Tour England bereist haben.

Ein neues Ereignis also für Afro-Chic-Anhänger, Sex-People und Funkateers.

Super 8 hilft der Super 8 an die Macht

padeluuns ominöses Ein-Mann-Unternehmen „Organisationskreis Neuer Medien“ organisiert zur Stunde eine Round Up-Tournee mit Super-8-Filmen aus dem Berliner Untergrund. An jeweils drei Tagen soll in 26 Städten vor allem der BRD aber auch in Graz, Wien und Zürich ein jeweils circa zweistündiges Programm laufen, das einen zusammenhängenden, unzensierten Überblick über die Arbeit mit einem Medium in einer Stadt liefert. Ein weiteres Beispiel für den unbändigen Drang der Super Achtler nach Präsenz und Resonanz. Eine neue anyone-can-do-it, wenn-er-nur-eine-Idee-hat-Subkultur strebt ans Licht einer größeren Öffentlichkeit, nach größeren Kommunikationsebenen.

Zu Recht, meint SOUNDS und trägt solidarisch die Plakatkosten.

Unter den Teilnehmern findet man die verschiedensten bekannten und unbekannten Namen: Rosa von Praunheim mit seinem Oldie „Rosa Arbeiter auf goldener Straße“, Tabea Blumenschein, natürlich; Kippenberger (den man in „in“-Kreisen wieder gut findet, weil keiner ihn gut findet), padeluun selber, Blixa Bargeld und Andy Unruh von Einstürzende Neubauten, Maler und geiles Tier Salomé und 15 andere, die zu eine Gesamtlänge von 7 Std. Material beitragen. Darunter gibt es so platz- und zeitsparende Beiträge wie „Kein Film von Bernhard Ben Salem“, aber auch 65-Minuten-Werke, wie den von Doering, Yana Yo und Sascha von Oertzen. Die Tour mit dem Titel „Alle Macht der Super 8“ läuft von März bis Juni, unten die Termine für März.

1.-3. Heidelberg; 11.-13. Wuppertal, Alte Mensa; 15.-17. Wuppertal, Nordstadt-Kollektiv; 18.-20. Stuttgart, Künstlerhaus e.V.; 23.-25. Köln, Kurfürstenhof; 26.-28. München, Loft; 29.-31. Hamburg, Künstlerhaus e. V.

Die Termine für April, Mai und Juni bringen wir in den entsprechenden Monaten in unserer Tournee-Rubrik.

Peter Bursch – Soloprojekt

Peter Bursch, landein-landaus bekannt durch seine Gitarren(lehr)-bücher, geht z. Zt. mit der Kassette seiner ersten Solo-LP hausieren. (Bisher gab’s außer ein paar Stücken auf Gitarren-Samplern Peter Burschs Musik nur zusammen mit seiner Gruppe Bröselmaschine in Vinyl). Leicht hat er’s damit natürlich nicht, denn z. Zt. der „Krise“ wollen sich die meisten Plattenkonzerne nur auf eindeutige Trends einlassen. Und in so einen paßt Peters Musik nun mal gar nicht. Natürlich sehr gitarrenorientiert holt er sich seine Inspirationen aus Renaissancetänzen ebenso wie von Lennon/McCartney oder Jim Croce und reichert dies Material nicht nur mit akurater Technik, sondern mit weitspannenden Arrangements- und Soundeinfällen an. Daraus entsteht dann eine Musik aus solidem Guß, die den Stempel eines erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Vollblut- und Allroundmusikers trägt (bis auf einige Soli spielte Peter alle Instrumente selbst), die sich ähnlich der Arbeit von John Martyn, von John Fahey oder von Davy Graham nur schwer in die modischen Schublädchen industrieller Verwertbarkeit pressen lassen.

Sorgen macht sich Peter Bursch dennoch wenig, denn unter die Leute bringt er die Platte notfalls auch über unabhängigen und/oder Eigenvertrieb. Vorerst kann man Peter Bursch auch auf Tourneen hören, wo er durch sein speziell angefertigtes Sound-System auch die kniffeligsten Studio-Effekte reproduzieren kann.

Endspiel

Der Zeitschrift „Filmkritik“ und Samuel Becket haben wir zu gleichen Teilen folgende Vision geklaut, die wir unter Umständen, wie das so unsere Art ist, zur Rubrik werden lassen und deren monatliche Wiederholung wir hiermit androhen: Die Weltelf spielt gegen eine BRD-Auswahl:

Weltelf

Tor:

Robert Wyatt

Libero:

John Cale

Verteidiger:

Kim Fowley, Mac Rebenack, David Byrne (Vorstopper)

Mittelfeldregisseure:

Marc Bolan, David Bowie

Angriff:

Don Van Vliet, Marc Stewart (Pop Group), Jimi Hendrix, Andy Partridge

Auf der Reservebank:

Genesis P.Orridge (Tor), Noddy Holder (Slade, Ausputzer), James „Blood“ Ulmer (Mittelfeld), James White, Frank Zappa (Sturm)

Deutschland (West)

Tor:

Thomas Schwebel

Libero:

Frieder Butzmann

Verteidigung:

Michael Ruff, Gudrun Gut, Robert Görl (Vorstopper)

Mittelfeld:

Marcus Oehlen, Detlef Diederichsen

Angriff:

Harry Rag, Ziggy XY, Bettina Köster, Peter Hein

Auf der Reservebank:

Holger Hiller (Tor), Hans Keller (Sturm), Tom Dokoupil, Xao Seffcheque (Verteidigung).

Nach anfänglichen Vorteilen für die Weltelf kommt die deutsche Mannschaft zusehends besser ins Spiel. Jimi Hendrix bekommt die gelbe Karte nach einem bösen Foul an Peter Hein. In der 34. Minute fiel dann jedoch so überraschend wie unverdient das 1:0 für die Weltauswahl durch den frisch für Andy Partridge eingewechselten Flügelflitzer und Flankengott James White. Als er drei Minuten später auch noch von Robert Görl im Strafraum gelegt wurde, hatte die Weltelf durch Elfmeter die Chance zum 2:0, doch Schwebel ahnte die Ecke.

In der zweiten Hälfte wurde Hans Keller für den wenig mannschaftsdienlichen und ballverliebten Ziggy XY eingewechselt. Robert Wyatt hielt einige plazierte Schüsse aus der zweiten Reihe, die Marcus Oehlen abgefeuert hatte. Butzmann und Gut gelang es immer besser, den wieselflinken White zu neutralisieren und in der 64. Minute fiel der hochverdiente Ausgleich: einen Abspielfehler Marc Bolans ausnutzend hatte sich Harry Rag den Ball an der Mittellinie geschnappt und paßte präzise auf die in die Gasse gestartete Rechtsaußen Köster. Der mitgelaufene Offensiv-Verteidiger Ruff vollendete. Zu diesem Zeitpunkt wechselte die Weltelf Noddy Holder gegen Mac Rebenack ein. Holder hatte mit versteckten Revanchefouls und offener Brutalität die dramatischen Schlußminuten zu einer entfesselten Schlacht aufgeheizt. Erlösend, daß die Deutschen in der Schlußminute durch eine Bogenlampe von Detlef Diederichsen, die Robert Wyatt nicht richtig ausrechnen konnte, zum Siegtreffer kam.

Sounds Ätzliste

Evelyn Holst („Stern“)

Für die größte Fehlerquote im Bereich des Rockjournalismus und andere Irrungen und Wirrungen

Alle

J.J.Cale

Für den dünnsten und den dümmsten Rockmusiker

D.D.

Protest!

M.O.R.K.

Harry Rag

Für Megalomanie, Selbstüberschätzung und dergl.

M.O.R.K., Hans Keller

Protest!

D.D.

Peter Green

Für den zweitdümmsten Rockmusiker

D.D.

Berlin

Für die fortgesetzte Produktion ätzenden Ficki-Ficki-Macho-Rock’n’Rolls bei gleichzeitiger Verfolgung und Ermordung der einstmals blühenden Avantgarde

Alle

Xao Seffcheque und Alfred Hilsberg

(zu gleichen Teilen). Für die verspätetsten Manuskripte des Monats

Red.

Diedrich Diederichsen

Für besserwisserische Filmkritiken

M.O.R.K.

Michael 0. R. Kröher

Für einen völlig verirrten Geschmack

DD.

Flaming Bess

Für ihre himmelschreiende Penetranz, sich per Cover, Text und Musik in der Spitzengruppe unzeitgemäßer, deutscher Rock-Kitsch-Bands zu halten.

T.B.