A Must To Avoid

Das „Hamburger Abendblatt“ ist wie das „Entenhausener Amtsblatt“, und genauso wie es Spaß macht, in Entenhausen zu leben, macht es einen Menschen froh und zufrieden, im Hamburg des „Abendblattes“ zu leben. Nur wenn ein junger Mann, der zwischen der ganzen Rentenproblematik sowieso nichts zu suchen hat, dummdreist über den Film „Liane“ spottet, der uns gestern abend im Dritten Programm so viel Freude gemacht hat, der so rabiat zwischen superschrill und superscheußlich oszillierte, daß es die meisten nicht in den Sesseln hielt, dann also ärgern wir Entenhausener uns.

Schlimmer wird es allerdings, wenn „Stern“-Reporter über die Hamburger Nachtwelt ihr Lockerdeutsch ablassen und der alten Locker„szene“ nachtrauern. Geschehen ist dies im Hamburg-Special der Zeitschrift „Geo“, dem man ein „must to avoid“ erteilen müßte, hätten nicht mit Klaus von Dohnanyi, Franz Josef Strauß und Günter Netzer drei der schillernden Prominenten ihren Scherf in Form von Kolumnen beigetragen.

Einig war man sich in Entenhausen, daß wir das neue Ding gesehen haben. Es waren die Fleshtones in der Markthalle, ein ultra-zappeliger Kraftakt an Mikroständern, Saxophon, Gitarren und antiken Orgeln. Triumphierend wurden die Instrumente in die Höhe gerissen, wenn wieder so ein wildes Sixties-Gewimmer vorbei war. Nach drei Zugaben verließ die Band die Bühne, durch die Halle zur Theke im Vorraum drängend, Gitarren im Arm, Trommeln beklopfend und Mundharmonikas blasend.

Einig waren wir uns auch, nicht zu Nina Hagen zu gehen. Ich bin nämlich hingegangen und habe nachgesehen, und es waren keine Entenhausener da. Die biederen Leutchen waren aus Quakenbrück oder Gänseburg angereist und bekamen ihre Provinzler-Vollbedienung. Nach einer kurzen Inspektion konnte ich mich glücklich aus dem überfüllten Raum retten, noch über den letzten Eindruck aus dem Saal sinnierend: Ein junger Mann, lange Haare, bunter Schal, der sich aus hilfloser Solidarität mit dem Prinzip des „Ausflippens“ die Augen schwarz geschminkt hatte, sang mit seligem Gesichtsausdruck Ninas kosmischen Quatsch mit. Ein Oberschülerpärchen knuffte sich unausgesetzt und raunte sich die Worte „stark“ und „geil“ zu.

Alan Vega hatte eine ganz reizende Orgelspielerin dabei. „Sie ist zum Ausgehen noch zu jung“, sagte er später im „Subito“. Er trat wie die Fleshtones öfters vor die Bühne und herzte seine Fans, der nette Mensch. Er hatte auch wieder den dicken Gitarristen vom letzten Jahr dabei, und vor allem „Je t’adore“ brachte er ganz hinreißend.

Was sonst noch lief, war nicht viel, meine Brüder und Schwestern. Laughing Clowns haben sich weiter verbessert und klingen jetzt wie eine Mischung aus den Buzzcocks und Charlie Mingus. Ihre Saxophonistin spielt wie Charles McPherson und sieht aus wie eine Schlampe im guten Sinne. Ed Küppers ist ein großer Mann geblieben.

Liquid Liquid sind ins Hampton-Grease-Band-Mäßige abgedriftet und haben sich am Abend vor ihrem Auftritt viele Freunde in der Stadt gemacht. 25 neue Freunde standen am nächsten Abend auf der Gästeliste. The Gist waren Scheiße.

Im Rap-Geschäft schließlich kam alles anders, als ich vorausgesagt hatte: Whodini zeigten die abendfüllende, rundum zufriedenstellende Trash- und Triviashow mit Kostümen und Publikumsbeteiligung. Kurtis Blow hingegen rappte zu den Platten seiner Kollegen und nannte es die Geschichte des Rap, von ihm selber nur risikolose Routine.