Jürgen Ploog/Pociao/Walter Hartmann (Hrsg.): Amok Koma – Ein Bericht zur Lage

Ähnlich wie am Ende der 60er macht sich heute wieder ein Publikationsgenre breit, das irgendwo zwischen Almanach, Anthologie, Jahrbuch und Fanzine liegt. Ein Genre bei dem Layout und Illustration eine radikalere Freiheit haben auf die einzelnen Texte einzugehen als das bei herkömmlichen Veröffentlichungen möglich ist. Viele der Beiträge von „Amok Koma“ sind ohnehin rein visuell, bzw . grenzüberschreitend.

Was „Amok Koma“ auszeichnet neben der hervorragenden technischen Gestaltung, ist das erstmals zwei Generationen, Mittdreißiger und Mittzwanziger, gemeinsam veröffentlichen, konkret: Klaus Maeck und Kiev Stingl, Throbbing Gristle und Robert A. Wilson etc. und dabei viele Gemeinsamkeiten klar werden. Obwohl das ebenso wichtige Trennende beider Generationen, das objektiv vorhanden ist, zu wenig in Erscheinung tritt, ist es erfreulich, daß die Expanded Media Editions, die sich ja bislang eher mit Literatur amerikanischer Provenienz, vor allem aus Beatnik-Tradition, beschäftigt hat, ihr Herz für junge Leute entdeckt. So gefallen zum Beispiel gerade die Beiträge der 18jährigen Barbara Heinzius in ihrer unprätentiösen Direktheit.

Was gibt es weiter zu einer Anthologie zu schreiben, die man insgesamt für gelungen, wenn auch ideologisch/ weltanschaulich zu wenig abgegrenzt hält, als einzelne Beiträge herauszuheben: Warum wird der vergreist und verblödete, grenzenlos schwachsinnige Leary gedruckt? Warum wird Patti Smith immer noch für eine große Lyrikerin gehalten? Weiter mit Aussagesätzen: Kiev Stingl sollte mehr Prosa und Essays schreiben, Ralf Rullmanns Geschichte des Rock’n’Roll ist falsch, Daniel Dubbe’s „Schreiben“ richtig und nett. „Minus Delta t“s Foto-Dokumentation eindrucksvoll, aber die Bildunterschriften in russisch, chinesisch, japanisch, arabisch etc. ein blöder Witz, Throbbing Gristle-Texte sind doch nicht alle so gut, wie wir immer dachten („Can The World Be As Sad As lt Seems“), der Verdienst, dies anschaulich gemacht zu haben gebührt der Übersetzung.

Über „Amok Koma“ kann man stundenlang reden. Das Buch ist wichtig für jeden, der sich für die „Lage“ interessiert, (heute haben die Vereinigten Staaten gewählt) insgesamt finde ich es zu selbstmitleidig und vernörgelt, wenn man sowas wie eine allgemeine Haltung extrahieren will: zuviel Melancholie, zu wenig Angriffslust.

Expanded Media Editions, 44 Autoren, ca. 250 Seiten, DM 28,–