Andreas Dorau und die Marinas

Dorau ist das originellste Talent, das die deutsche Musikszene zur Zeit zu bieten hat. Bei der Kritik hat er jede Menge Blödiane gegen sich, die ihm Harmlosigkeit oder Naivität vorwerfen, weil er durch die Raster des konventionellen kritischen Bewußtseins fällt. Dorau ist ein Pop-Fan und ein kleiner versponnener Weirdo. Er hat kleine bizarre Ideen, die für den Erfolg nie reichen würden und er kennt die guten Platten, von denen man Melodien klauen muß, um die kleinen Ideen aufzublasen. Klauen mit dem richtigen Bewußtsein ist das Ehrenhafteste, was man tun kann. Es ist besser, als sich seinen eigenen Mist auf der Grundlage eines unrichtigen Bewußtseins auszudenken.

Dorau ist der einzige, der aus der ganzen Bagage, die mal als Neue Deutsche Welle begann, sich ein vernünftiges, lustiges Image aufbaute. Zu ihm gehören die Klatschgeschichten, daß er keine Orangen schälen kann, daß seine Mutter ihm jeden Morgen ein Kraftfrühstück macht, daß ihm als Sechsjährigem ein Goldhamster aus der Hand gefallen ist (und sofort tot war), die James-Bond-Posen mit seinen Sängerinnen, den Marinas in Badeanzügen, daß er in Manhattan einen Mord begehen will, daß er Grace Jones aus der Loge der Musikhalle einen Blumenstrauß auf die Bühne warf, daß ihn in der Schule keiner verstand, und daß er anläßlich dieser Tour zu Promotionzwecken für einen Skandal sorgen will. Man munkelt, daß er Helmut Kohl ohrfeigen wird.

Doraus Konzert im Trinity vor einem halben Jahr war eines der drei besten des vergangenen Jahres. Moritz Rrr von Ata Tak hatte ein Bühnenbild gebaut, das den Schlagzeuger in einem Sportwagen verschwinden ließ, die beiden Bläser in einer Würstchenbude in Kochkostümen agieren ließ und die Marinas mit mädchenhaften Bastkörben vor einem riesigen „Faller“-Haus postierte. Dorau versuchte sich als Entertainer mit lustigen Ansagen und leidenschaftlichen Posen, immer zwischen Perfektion und charmantem Mißlingen. Seine Stimme klang wie immer leicht falsch, die Witze saßen nicht alle und der Schlagzeuger schenkte von der Bühne aus Sekt an das Publikum aus. Und der koreanische Keyboardspieler mußte Japaner spielen und wild fotografierend durch die Kulisse toben. Was erwartet man mehr.