„Sind Video-Künstler prinzipiell Untermenschen?“ fragte mein Bruder anläßlich der NDR-Video-Nacht in Spex. Nein, antworte ich, ganz im Gegenteil, jedenfalls nicht prinzipiell, aber ich kann mit ihren Produkten auch nicht viel anfangen.
Das Unternehmen Axis von Veruschka und Gábor Bódy ist prinzipiell zu bejahen. Es ist die erste Kombination von Buch und Videokassette und als Überblick über exemplarische Errungenschaften und Unarten von Videokunst zwischen 1980 und 1985 mit DM 98,– bei zwei Stunden Spielzeit gar nicht mal unpreiswert.
Diese quasi von den beiden erfundene Form erweist ihrem Thema gute Dienste, ist aber auch anderweitig einsetzbar: Die ausgewählten Arbeiten sollen nicht als eine Hitparade des persönlichen Geschmacks der Herausgeber angesehen werden, sondern als eine Art repräsentatives Studienprogramm. So kommt es auch, daß das von den Bódys herausgegebene und von wechselnden Redaktionen betreute Videomagazin Infermental sich trotz weitaus längerer Spieldauer mitunter unterhaltsamer anließ.
Ich könnte jetzt einzelne Beiträge loben oder verreißen, aber ich will lieber das prinzipielle Problem erörtern. Ein Teil der Arbeiten gefällt, könnte aber ebensogut mit anderen Materialien hergestellt werden: Strukturalistische Flackerfilme, Dokumentationen von Live-Performances oder hyperreale Mini-Spielfilme (Code Public, M. Raskin Stichting, Lydia Schouten) mögen von ökonomischen und ergonomischen Aspekten der Video-Technologie profitieren, sie brauchen sie aber nicht. Neulich war das Fernsehen da, bewaffnet, zu meiner Überraschung, mit einer alten Arriflex.
Dann gibt es die Beiträge, die das Material ergründen. Beseelt oft von dem metaphysischen Glauben an eine neue universelle Sprache oder wie klassische moderne Künstler das Material auf seine Möglichkeiten überprüfend (von der dritten Sorte, die vor der Kamera Faxen aufführt und frühweibliche Verkleidungsspiele inszeniert, will ich lieber gar nicht erst reden). Diese Arbeiten sind aus der Sicht einer projektierten Videokunst notwendig, aber ebenso langweilig oder unverständlich. Sie sind sozusagen Prä-Kunst. Denn erst, wenn die Materialfrage in den Hintergrund gestellt werden kann, entsteht eine Kunst, die an der zeitgenössischen Diskussion teilnehmen kann. So fehlt bis auf den Beitrag der ungarischen Pop-Band A. E. Bizottság, der seine Aussagen aber nicht zuletzt durch Musik macht, ganz einfach der Inhalt (oder realistischer: das erkennbare Bemühen um ihn).
Daß die Ideen, die in dem Buch formuliert werden, hinter der lesenswerten Vision Mutante Medien von Gábor Bódy zurückbleiben, ändert nichts daran, daß es eine gute Einführung in Irrungen und Wirrungen der Video-Kunst ist, besonders gut der Beitrag von Christoph Dreher, der über die vielen unausgegorenen Manifeste und Quark-Provokation hinwegtröstet. Bleibt festzustellen: Video-Kunst gibt es noch nicht, aber diesem Werk kommt das unschätzbare Verdienst zu, die ersten sechs Monate des Embryos im Mutterleib dokumentiert zu haben. Oder: Video-Kunst eröffnet ein Feld interessanter Ausdrucksmöglichkeiten. Leider wird noch kein Eintritt genommen. Der beste Videokünstler bleibt Jean-Luc Godard, der schlechteste Brian Eno.