Roddy Frame ist der alle versöhnende Popstar. Roddy ist jung (er ist ungefähr schon so lange unter zwanzig wie der vollkommene Meister Maharaj Ji fünfzehn ist – ihr wißt, der pausbäckige Guru aus den 70er Jahren), Roddy liebt Dylan. Roddy greift zur akustischen Gitarre, ja er greift überhaupt zur Gitarre. Er kommt aus dem Wave-Stall „Postcard-Records“ in Schottland (das Gestüt, das auch Orange Juice und Josef K. züchtete) und ging mit Neil Young auf Tournee. Er trägt Kleidung, die wie aus BAP und The Band zusammengesetzt aussieht. Er hat im Gespräch den hippen, zynischen Humor der Jungen und singt mit der individualistischen Schicksalsergriffenheit der Alten zur Klampfe von Liebe und Warten. Er macht Folk. Und mixt zu seinen Folk-Songs für die Maxi-Singleversion einen Discobeat. Oh Roddy, Du weiches intellektuelles Kuscheltier, Du Pogorelich des Post-Punk, Du Kreuzung aus Roy Harper und Nick Heyward!
Also: Alle LPs und Singles von Aztec Camera auf dem Postcard-Lable waren großartig. Sie waren die Post- oder Cum-LP-Singles, so war besonders „Walk Out To Winter“, so ist leider nicht, mittlerweile bei der großen Firma WEA, wo auch Vorbild Neil Young Geld verdient, die soeben erschienene Frucht der neuen Nachdenklichkeit.
Roddy Frame wurde wie so viele vor ihm Opfer einer Entwicklung, wo auf ein Debüt, das dem Prinzip „Die Mischung macht’s“ gehorcht, eine zweite Platte folgt, die auf die Maxime „Etwas Warmes braucht der Mensch“ hört.
Aztec Camera lebte von der Reibungshitze, die entstand, wenn sich der hungrige, junge Roddy mit seiner Unionstruppenmütze und seinem Baumwollhemd an introspektiven, besinnlicheren Liedformen der Alten scheuerte. Einen verpunkten Dylan – das war wirklich genau das, was wir brauchten, und wir haben es auch noch heute in mancher Form (von mir aus von Billy Bragg bis zu den Go-Betweens), aber was wir definitiv nicht brauchen, ist ein Roddy, der nicht mehr (Reibungs)hitze produziert, sondern sich stattdessen mit der Wärme eines besseren Lagerfeuers, zugegeben, zufrieden gibt.
Zuviel Gefühlsmeckerei stört seine immer noch großartigen Kompositionen, und die Wiederentdeckung der langen Form (Neun-Minuten-Songs) ist nur in seltenen Fällen eine zu begrüßende. In diesem nicht.
Sicher, ich würde auf diesen erztypischen Star der 80er Jahre nichts kommen lassen, jedenfalls nicht viel. Ich bin noch immer bereit, ihm für seine neue LP im „Musik Express“ vier von sechs möglichen Sternen zu geben. Aber ich glaube, für das, was er macht, fehlt ihm das Ennui der Stimme, das amerikanische Revivalisten von Green On Red bis Violent Femmes auszeichnet. Aztec Camera könnte so zu Bronco der 80er degenerieren.

