Black Flag – Ich heiße Greg, und lebe ohne Dusche

Was kostet Unabhängigkeit? Wer will und kann sie durchhalten, ohne den Versuchungen, die von Mädchen, Hollywood und einem trägen Publikum ausgehen, zu erliegen, um kaputte Reifen, erschreckende sanitäre Verhältnisse und gute Musik vorzuziehen. Diesen Monat werden die ersten vier Jahre Black Flag wieder als LP und Tape zugänglich gemacht, was sich in den folgenden Jahren bis zur Auflösung tat und wie die Konkursmasse einem Label zur Blüte verhalf, dessen Namen ihr alle auswendig kennt, sagt der, der als einziger die ganze Zeit dabei war. Greg Ginn erzählt anläßlich der Tatsache, daß sein Label schon zwei Jahre länger, seine Band Black Flag vier Jahre länger als Spex besteht, ein paar Denkwürdigkeiten aus diesen Zeitläuften, über seinen Weg zur Musik, über die Jahre mit Black Flag und über die Schwierigkeit von Lebensformen im Underground, bzw. wie alles miteinander zusammenhängt. Diedrich Diederichsen hörte ausnahmsweise nur zu.

Also Soundgarden werden jetzt von vielen Leuten geschätzt, weil sie sie an Led Zeppelin erinnern, das finde ich oberflächlich, für mich ist viel wichtiger, was sie von Black Sabbath haben, aber eben auch sehr viel neues Zeug, die Typen haben aktive Gehirne. Was sie machen, ist wirklicher Metal, aber sie haben eine Perspektive, weil sie alles mögliche andere hören, nicht zuletzt all die anderen SST-Bands. Das ist jedenfalls nicht irgendein Feldzug von uns, Bands aus dem Staat Washington zu signen, auch wenn wir jetzt noch ein paar alte obskure Sachen von den Screaming Trees wieder zugänglich machen wollen, da oben ist ’ne ziemlich gesunde Szene, aber mir ist eigentlich egal, wo irgendwas herkommt. Es sind eine Menge fortschrittliche Leute von L.A. und San Francisco und der ganzen Gegend nach Norden gezogen, das wirkt sich mittlerweile aus, viele gute Bands kommen von da, und es gibt sehr viele Auftrittsmöglichkeiten, nicht nur in Seattle, wir haben mit Black Flag in Portland, Eugene, und in Vancouver gespielt und manchmal noch an anderen Orten, mittlerweile gibt es in jedem Kaff auch im Landesinneren Gigs, die Screaming Trees kommen aus Tacoma, da ist was los, und was mir daran gefällt, ist, daß die Leute von da eine härtere, aggressivere Haltung zurückbringen, die Alternativ-Szene ist mir zu weich geworden, was okay sein kann, aber jetzt ist es zu weit gegangen, daß schwere Gitarren völlig fehlen, außer bei Speedmetal, was mir aber nicht so viel gibt, außer ein paar Ausnahmen wie Death Angel. Ich habe halt Metal lieber mit einem gewissen Groove, im Gegensatz zum reinen Dreschen, wenn Black Flag in diese Richtung ging, habe ich immer versucht, dem entgegen zu wirken, ich wollte zwar auch schnell sein, aber nur so schnell wie es möglich war, wenn man noch den Groove halten wollte, ich mag nicht, wenn Musik zu sehr auseinandergerissen ist, ich möchte, daß es eine Art Herzschlag, ein sexuelles Zentrum gibt, ich bin zum Beispiel auch eher Go-Go- als Hip-Hop-Fan. Eine Band wie die Bad Brains oder auch was wir mit Black Flag wollten, begann mit einem Groove und wurde dann schneller. Die Leute, die von uns beeinflußt waren, hörten, wie schnell wir waren und wollten dann genauso schnell einsteigen, wir aber hatten immer einen neuen Song am Anfang ganz langsam eingeübt und sind dann immer schneller geworden, das haben die jungen Bands nicht getan, die wollten eben gleich losdreschen. Wenn man einen komplizierten Song sechs Monate jeden Tag spielt, dann kann man plötzlich sehr schnell werden, das aber ist was anderes als Thrash, was okay sein kann, aber eines eben verliert, den Rock. Und ich habe Rock eigentlich immer sehr gerne gehabt. Ich habe immer Black Sabbath sehr geliebt. (Hast Du deswegen St. Vitus unter Vertrag genommen?) Oh, ich glaube nicht, hahaha, weißt du, Vitus haben zwar einen sehr sehr schweren Sabbath-Einfluß, aber, oh Mann, sie bauen ihn ganz schön aus, würde ich sagen. Sabbath waren live ja gar nicht so langsam, die haben live ganz schön schnell gespielt, St. Vitus geben dir dagegen keine Chance, ich liebe das wirklich, ein Strudel, diese Heaviness gibt dir sonst niemand, aber auch Vitus hören eine Menge zeitgenössische Non-Metal-Musik, und das finde ich sehr wesentlich, Metal-Bands, die sich entschieden haben, daß sie eine Metal-Band sein wollen und den Kontakt zum Rest des Musikgeschehens verlieren, kannst du vergessen. (…)

Gary Floyd von Sister Double Happiness ist sicher einer der besten Sänger auf der Welt, ich wollte so gerne, daß die Band nach Europa kommt, weil sie hier wirklich loszugehen scheinen, dann aber hat er aufhören wollen, nichts mehr mit Musik zu tun haben wollen, keine Lust mehr, auf Fußböden zu schlafen, das alte Problem. Er war früher bei den Dicks, die waren auch mal auf SST, ein besonderer Deal über eine andere Firma, auch das Subhumans-Album, deswegen sind das auch die einzigen von uns, die vergriffen sind, aber noch davor waren die Dicks noch anders, wir haben immer mit ihnen gespielt, wenn wir in Texas waren, später ist Floyd dann nach San Francisco gegangen, auch Lynn Perko, die Drummerin, blieb da, und die machten dann Sister Double Happiness. Aber damals haben die auch dieses langsame Zeug gespielt, was ich besonders geliebt habe, wenn Gary die Gelegenheit hatte, richtig langsam und gefühlvoll zu werden. Er hatte jedenfalls die Schnauze voll, so überraschend, daß auch die anderen in der Band keine Ahnung hatten, warum. (Sollte man das aufgeben, was man am besten kann?) Ich habe ja dasselbe Problem, ich habe ja auch schon ziemlich lange keine Musik mehr gemacht, ich spiel ’ne Menge, aber ich hatte keine neue Band seit Gone. Ich habe ein neues Label gegründet, Cruze, weil ich nicht mehr künstlerische und geschäftliche Dinge durcheinander bringen wollte, das habe ich schon zu lange gemacht, und Cruze sollte das Label nur für meine Musik werden, SST das, wo ich eben andere Bands durchsetze, das hat die Sache schon mal sehr viel leichter für mich gemacht. Als ich mich entschloß, Black Flag und Gone aufzulösen, wurde es dadurch leichter, mir was für die Zukunft zu überlegen, während meine Arbeit bei SST weiterging. Jetzt sind auf Cruze allerdings erstmal All und die Chemical People rausgekommen. Bald werde ich dann meine Musik wieder öffentlich machen, jetzt spiele ich halt privat mit Elektronik, Gitarren, Baß, ich hatte meinen Finger beim Basketball gebrochen und mußte deswegen erstmal pausieren.

SST wird auf jeden Fall aber das Instrumental-Ding weiter unterstützen, während ich persönlich nichts dagegen hätte, wieder mit einem Sänger zusammenzuarbeiten, viele Leute sind durch den No Age-Sampler erst darauf aufmerksam geworden, daß wir so etwas wie eine neue instrumentale Rock-Musik herausgebracht haben, und obwohl es die übliche Anti-Hippie-Kritik aus dem Hardcore-Lager gab, hielt sich das doch in Grenzen, man hat uns von der Seite ja schon immer mit Grateful Dead verglichen, diese Bands sind auf jeden Fall nicht irgendeine Jazz-Kiste, sondern die ebnen auch Wege für viele normale Gesangs-Bands, die Leute sind nur nicht gewöhnt, Instrumental-Musik zu hören, aber die Leute müssen sich ja immer an alles erst gewöhnen. Elliot Sharp oder Henry Kaiser spielen z. B. schon seit Ewigkeiten Instrumental-Musik, andere junge Bands fangen jetzt damit an, was im Zusammenhang hilft, diese Sachen aus dem Ghetto rauszuholen. Kaiser hat mich zum Beispiel auf Glenn Phillips angeturnt, den Gitarristen der Hampton Grease Band, hat mir Platten von ihm vorgespielt, die er in den letzten 20 Jahren gemacht hat, der Typ war immer dabei, spielt rund um Atlanta, tourt die Ostküste und den Süden, Kaiser und er haben ja auch auf dem Kaiser-Album zusammengespielt, „Dark Star“. (…)

Als er mir gesagt hat, daß er „Dark Star“ spielen will, habe ich gesagt: guter Mann, das ist aber ein Unterfangen! Es hat mich wirklich geschockt, da hätte aber eine Menge schief gehen können, das sage ich nicht nur, weil ich die Grateful Dead sehr gut finde, unabhängig von welchem Image auch immer, es ist einfach die beste Improvisations-Band, und ich war fertig, wie gut Kaiser es gemacht hat, sie kommen rein wie die Dead, aber irgendwann sind sie auch mal bei King Crimson und noch ganz anderen Sachen, auf der CD ist dann noch ’ne andere Version … Henry spielt jetzt auch mit Tom Constanten, der mal bei Grateful Dead war, auf der Anthem Of The Sun-LP, und in der Zwischenzeit Professor für Musik und noch irgendwas anderes geworden ist, irgendwo in der Bay Area, vor ein paar Jahren war er mal als Ragtime-Pianist auf Tour, bis Henry ihn dann aufgetrieben hat, um mit ihm eine Band aufzuziehen, die jetzt in Kalifornien getourt ist, während ich leider in New York war. Henry und Tom sind ziemlich bekannt in San Francisco, und in L.A. war auch eine Show ausverkauft, die Grateful Dead selber haben die Platte auch sehr geschätzt, er mußte in der Grateful-Dead-Radio-Show auftreten, ich hoffe, es ermutigt auch die Grateful Dead, sich etwas mehr an ihre spacigere Seite zu erinnern. Aber sie sind einzigartig, they are still happening, vergleich sie mit Jefferson Starship oder anderen Gruppen aus der Zeit, die übel geendet sind.

Black Flag ist völlig ohne Medien entstanden, nicht einmal Musikzeitschriften, höchstens in Tageszeitungen waren wir gelegentlich mal, aber nicht auf den Kulturseiten, sondern weil die Polizei mal wieder Ärger machte, aber ansonsten waren wir völlig außerhalb der Spiegelungen durch Kultur, Journalisten oder so, was hieß, wir waren auf wirkliche Communities mit wirklichen Menschen angewiesen, das heißt wir mußten uns immer klar machen, was ist in diesem Block los, was für Leute kommen zu diesem Gig, das ist eine andere Erziehung, als wenn man sich über Videos Gedanken macht. Das ist unsere politische Seite, auf der anderen Seite haben viele Leute Black Flag und die ganze Bewegung drumherum immer als eine Reaktion auf etwas beschrieben, und das ist totaler Unsinn, ich habe niemals irgendetwas gemacht, weil irgendjemand anders Scheiße macht, ich mache natürlich etwas, weil es mir gefällt. Für mich ist Black Flag Rock’n’Roll, und ich steh auf Rock’n’Roll, ich mache meine Sache, ich reagiere nicht damit auf Van Halen. Das war die übelste Form von Enteignung, wenn Kritiker sagten, dies ist eine Reaktion auf das, diese Leute sind nützlich, weil sie gegen eine kranke Entwicklung gegensteuern, wenn wir aber das alles wieder in Ordnung gebracht haben, können wir sie entbehren, so sagen sie, daß es kein Leben hat, und wenn’s vorbei ist können wir endlich zurück zu Tom Petty und Chris Squire. Ich glaube auch nicht, daß The Damned oder die Sex Pistols eine Reaktion waren, vielleicht haben sie das gesagt, nachdem McLaren es ihnen gesagt hat, aber eigentlich war da schon alles geschehen, man macht keine Musik, nur um zu reagieren. Auf der Ebene von Kulturgeschichte kann man sowas vielleicht feststellen, aber doch nicht bei den Beteiligten, und es ist total falsch, wenn man so eine kulturgeschichtliche Entwicklung den einzelnen Individuen als Motivation unterschiebt. Das ist Enteignung einer lebendigen Kultur durch tote Wissenschaftsoptik. Ansonsten glaube ich natürlich auch an die Beschreibbarkeit von Geschichte, an gewisse Zyklen, wir befinden uns ja gerade wieder in einer ähnlichen Lage, wo wahrscheinlich ein paar neue Sachen passieren werden, die man als Reaktion auf die Verfettung einiger Indies und allgemeine Saturierung beschreiben könnte, aber kein Mensch, der wirklich beteiligt ist, kann und will das so verstehen, es sei denn, er ist sehr abgefeimt. Ich habe als Musiker immer von Tag zu Tag gelebt. Als Black Flag anfing, haben wir zwei Jahre nur geübt, bevor wir uns auf eine Bühne getraut haben, wie sollte ich all die Jahre beim Üben die „kulturelle Entwicklung“ im Auge behalten, um immer noch reagieren zu können.

Abgesehen von Labels wie Profile, die 3 Millionen von einer Run-DMC-Platte verkaufen, ist SST schon das größte Indie-Label der USA, das größte Rock-Indie, wenn du Rock nennen willst, was auf SST erscheint. Was nun viele machen, die in unserer Lage sind, ist, daß sie sich auf ein paar gewinnträchtige Acts konzentrieren. Das machen wir aber nicht. Wir denken in sehr großen Zeiträumen, heute habe ich wieder jede Menge Interviews gegeben, wo ich gefragt wurde, warum wir keinen Major-Vertrieb haben, ich kann nur immer dasselbe sagen, weil ein Major uns nicht helfen kann, unser ganzes Programm unter die Leute zu bringen, die Versuchung ist zwar groß, denn jetzt sind wieder zwei große Vertriebe pleite gegangen, man könnte sich wenigstens darauf verlassen, sein Geld zu kriegen, aber wir müßten unser Geschäft vollkommen umwerfen. Wir haben aber Spaß an dem, was wir machen, ein Major könnte immer nur 7 oder 8 Bands von uns machen, wir arbeiten aber gerne sowohl mit neuen Bands von Anfang an zusammen, immer wieder, als auch mit den Bands, die wir schon länger kennen auf lange Sicht zusammen, wir denken, das ist ein entscheidender Punkt, in sehr langen Zeiträumen. Ich bin kein Manager, aber ich sehe ein Geschäft als Mittel zum Zweck, und es besteht da immer die Gefahr, daß das Mittel den Zweck diktiert. Wir wollen nicht unbedingt Profite maximieren, sondern Musik promoten, Bands rausbringen, man muß natürlich Erfolg haben, um überhaupt was zu machen, und um etwas zu haben, womit du neue Bands einführen kannst. Manchmal kriegen wir eine Kritik, die etwa lautet, Meat Puppets, fIREHOSE und Sonic Youth finanzieren irgendwelche Glenn Phillips Platten, aber vom falschen Standpunkt einmal abgesehen, stimmt das auch nicht einmal. Wir finanzieren Glenn Phillips und die Tar Babies und die Anfänge der Karrieren von Meat Puppets und fIREHOSE und Sonic Youth mit Hüsker Dü und Black Flag, die heute noch mit ihrem Backkatalog mit Abstand das meiste verkaufen. Als Hüsker Dü zu Warner gingen, Black Flag sich auflöste und die Minutemen aufhörten, weil D. Boon starb, verkauften diese drei Bands enorm viel Platten, ohne weiter Kosten zu verursachen. Und diese Platten verkaufen heute noch extrem gut. Unglücklicherweise ist Black Flag noch immer der erfolgreichste SST-Act. Diese Band war halt lange dabei, tourte jeweils die Hälfte des Jahres, hat zwanzig Platten raus, dann haben wir das ganze Zeug auf CD rausgebracht, womit wir das ganze Geld verdienen, das wir brauchen, nicht nur, um all die neuen Sachen zu machen, sondern auch um fIREHOSE und Meat Puppets durchzusetzen. Es dauert im Independent-Bereich ewig, bis man das Geld, das man investiert, wieder rausbekommt, ich hab das Gefühl, daß wir bei fIREHOSE noch immer zulegen, obwohl wir die Platte extrem gut verkauft haben, aber bis du von den ganzen Vertrieben in der ganzen Welt dein Geld zurückkriegst, ist ja mindestens die nächste Platte dran, und dafür mußt du erst mal Studio-Zeit mieten, und wir haben das Geld nur, weil wir jede Menge alte Platten verkaufen, die keine Investitionen mehr brauchen.

Ich glaube, es war ein Fehler von Universal Congress Of, ein Cover gemacht zu haben, das sich so direkt auf Ornette Coleman bezieht, es ist ihnen sicher nicht klar, aber wenn sie die Vorgruppe auf einer US-Tour von Ornette Coleman wären (den sich die Leute nicht nur ansehen, weil sie auf seiner Musik stehen, sondern weil er ein Name ist) und da sie wie Blind Idiot God oder die Tar Babies außerhalb von L.A. oder New York sowieso kein Publikum haben, dann würde dieses Publikum entweder snobistisch sagen, sie hätten das schon mal gehört, was sie nicht sagen würden, wenn sie Baiza in einem anderen Zusammenhang kennenlernen würden, die Nähe zu Coleman läge das nahe, oder sie würden sich beschweren, daß es zu laut, zu rockig und zu rauh wäre, aber Universal Congress sind so verliebt in die Musik von Coleman, daß sie glauben, die Leute würden sie endlich verstehen, dabei ist es viel wichtiger, daß gerade sie ein Rock-Publikum überzeugen würden. Wir waren genauso, wir glaubten, Black Flag wäre die logische Weiterentwicklung von Black Sabbath, also haben wir geglaubt, das Sabbath-Publikum müßte uns lieben, weit gefehlt, Flaschen flogen. Die einzigen, die uns verstanden, waren Sabbath selbst, genauso würde vielleicht Ornette Coleman als einziger in einem Ornette-Coleman-Publikum Joe Baiza zu schätzen wissen. Die Leute sind nun mal nicht offen, man muß sie immer durch ihresgleichen überzeugen, wenn ihresgleichen auf der Bühne stehen, dann nehmen sie denen eher etwas ab. Gut, dieses Cover war ein Witz, aber ich fürchte, es war nicht witzig genug.

Als ich bei Black Flag war, wurden wir immer als Punk behandelt, nicht als Kunst, von einigen wenigen Kritikern, die uns für hohe Kunst hielten, aber weniger aus musikalischen Gründen, abgesehen, das änderte sich bei Gone, für mich auch weil der Drummer von einer Fusionband kam und der Bassist einen Jazz-Background hatte, obwohl ich die Musik, die ich spiele, immer noch Rock nenne, obwohl ich viel Jazz höre und immer gehört habe und neben einem ausgezeichneten Jazz-Club großgeworden bin, aber es war nie meine Absicht, Jazz zu spielen, mein Temperament ist eher das eines Rockers, mit Groove, eines Funk-Fans, aber kein Jazzer-Temperament. Bei Gone kamen dann die Jazz-Puristen an und wollten mich fertig machen und mir erklären, was ich nicht dürfte, dasselbe bei Universal Congress, aber ich wollte nie Jazz spielen, ich meine, ich habe es auch nie getan. Ich habe sowieso keine musikalische Tradition; bevor ich 19 war habe ich auf Popmusik herabgesehen und fand es besonders übel, wenn einer dieser Pop-Typen wie Bob Dylan auch noch politisch wurde, das fand ich frivol. Ich hörte sehr gerne eine Radio-Station mit Kunst- und Literatur-Programm, die eines Tages nach Unterstützern suchten und so eine Art Abonnement verkauften, da bekam man als Prämie eine Platte, und ich bekam eine von David Ackles, so um 72, eine Elektra-Platte, hieß American Gothic, sehr obskure Platte, immer noch eine meiner liebsten Platten, die hat mich erst zur Musik gebracht, ein Typ, der irgendwie mit der Elektra-Songwriter-Welle hochgekommen ist und was ganz anderes machte, mit Keyboards und Orchester. Dann habe ich irgendwann auch Bob Dylan verstehen und schätzen gelernt, dann die Stooges und andere Sachen, die man nicht so per Zufall kennenlernt, dann Folk, Country & Western, ich habe immer Phasen gehabt, und ich glaube, so höre ich heute noch Musik. Ich meine, die Leute sagen immer, jetzt macht SST dies, jetzt machen sie das, ich habe immer unendlich viele verschiedene Musik gehört, ich habe nicht erst jetzt Folk entdeckt, wo wir Roger Manning und Kirk Kelly rausbringen, ich höre regelmäßig Folk auf KGFK, wo sie Live-Performer haben und über die Vorgänge in der Szene reden. Und da sind seit zwanzig Jahren dieselben Leute, die verhindern, daß frisches Blut dazukommt. Jetzt, wo Kirk Kelly und Roger Manning und solche Leute auftauchen, igeln sie sich ein und blocken ab und werden zu so einer Art Hinterwäldler-Kreis. Wir haben all diese Staatsradiosender angesprochen und versucht, sie zu infiltrieren mit diesem Zeug, aber es funktioniert nicht, die haben Angst. Dabei gibt es in New York in Wirklichkeit eine gute, gesunde, wachsende Szene, wo Cindy Lee Berryhill, Michelle Shocked, Manning und Kelly und andere regelmäßig spielen, die nichts mit Folk City und dem alten Greenwich-Village-Folk zu tun haben wollen, sie sind nunmal näher an, ich hasse es zu sagen, aber es muß sein, Bob Dylan.

Was mich an Black Flag genervt hat, war, daß ich in alles verwickelt war, ins Management, ins Label, in die Band, und oft war ich auch noch die Vorgruppe, und dann wollten die Leute noch immer dasselbe: Warum macht ihr nicht die neue Platte zur Abwechslung mal wie die vorige? Mein Problem ist, ich mag extreme Musik. Ich mag live spielen, besonders die letzten Jahre mit Black Flag waren fantastisch, musikalisch, aber ich meine all diese Probleme. Henry wollte Schauspieler werden, ja Du lachst, aber Henry ist so, der hat auch sogar in einem Film mitgespielt, aus den anderen wurde irgendwie nichts, aber er meinte die ganze Zeit, ich werde auch nicht jünger, noch sehe ich gut aus, du lachst, aber für einen normalen Menschen war das hart, was wir gemacht haben, wir waren sechs Monate im Jahr auf Tour und schliefen auf Fußböden, ich hatte nichts dagegen, aber für einen normalen Menschen ist das hart, wenn er 26, 27 wird, macht er sich Gedanken, wie’s weitergehen soll, und ich kann das gut verstehen, ich sage nichts dagegen. Wir hatten z. B. Schulden, von unseren diversen Rechtsstreits, wir waren erfolgreich, wir machten auch Geld, aber wir gaben es für die Firma aus, für Reisen, Touren etc., weil uns das Spaß machte, und so würde ich es auch gerne weiter halten, aber wenn die Leute älter werden, machen sie sich Gedanken über Sicherheit, was ganz natürlich ist. Henry wollte ja auch weiter Musik machen, nur wollte er die Musik behaglicher haben, berechenbarer, das war aber gerade zu einer Zeit, als ich mich für Schwarze Musik begeisterte, elektronische Sachen, die ich auch als Vorgruppe aufführen wollte, aber das empfanden einige als Bedrohung, sie glaubten, ich würde aus Black Flag entweder Madonna oder am nächsten Tag eine weirde Instrumental-Band machen wollen, ich konnte irgendwann niemanden mehr finden, der mir helfen wollte, mein Equipment zu tragen, das war ziemlich ekelhaft, aber andrerseits wurde mir klar, daß das normal ist. Stell Dir vor, ihr wäret immer noch ein Fanzine, das nichts bezahlen kann, ihr werdet älter und müßt in einem Raum zusammenwohnen, die meisten würden doch in so einer Situation fragen, ob man nicht etwas effizienter und kommerzieller werden könnte. Henry mußte einfach mal aufbrechen und in die richtige Welt geraten, Black Flag kostete so irrsinnig viel Zeit und nahm einen so ein, daß es auch eine Schutzfunktion hatte, da konnte er ja nichts lernen, jetzt weiß er, daß zu jedem Vorspiel-Termin auch noch zehn andere Typen kommen und der Film sowieso ein Scheißgeschäft ist, und er ist wieder mit einer Band zusammen, aber das mußte er eben erstmal rausfinden. Er ist eben leicht zu beeindrucken und einzuschüchtern. Die Leute müssen’s selber wissen, wenn sie Kinder haben wollen und Geld verdienen, dann sollen sie’s machen, aber das darf nicht meine kreative Arbeit stören, ich kann dazu nichts sagen, weil ich all das eben nicht gemacht habe, ich spiele lieber Gitarre, ich bin gerne als Geschäftsmann kreativ und ich spiele Basketball, was besonders kreativ ist. Ich würde mich nicht als Musiker bezeichnen, ich bin ein Fan. Ein ganz typischer Fan, der das versucht umzusetzen, entweder als Musiker oder als Geschäftsmann. Ich bin ein Geschäftsmann seit ich 12 bin, ich habe elektronisches Zeug zusammengebastelt und verkauft, lange bevor ich mich um Musik gekümmert habe, und ich will als Fan mein Geschäft einsetzen. Ich will, wenn ich eine Band höre, weder den Scheiß hören, durch den sie hindurch mußte, noch will ich die Ideen der Firma hören, ich glaube nicht daran, daß Schwierigkeiten kreativ machen, ich glaube, es gibt immer noch genug Schwierigkeiten, die nur Scheiße sind, lange bevor man vielleicht zu den Schwierigkeiten kommt, die der Kreativität selbst nützen, ich will, daß Bands ungehindert Musik machen können, auch die kleinen McLaren-Nazis in den Indie-Firmen von heute sind nichts anderes als dieselbe alte Scheiße. Ich weiß, daß Scheiße der Standard ist, und ich weiß, daß ich Non-Standard bin, und daher weiß ich, daß meine Aufgabe darin besteht, das aufrecht zu erhalten. Ich stehe täglich vor Entscheidungen wie: Soll ich das und das Geld in eine vernünftige Dusche stecken oder in eine neue Platte, so primitiv ist das, und wenn ich irgendwo in den letzten Jahren auch nur das leiseste Bedürfnis nach einer Dusche gehabt hätte, hätte ich was anderes gemacht. Guck dir all die Besetzungsänderungen bei Black Flag an, die alle damit zu tun haben, daß ich mich nur für die Gruppe, aber nicht für irgendwas anderes verantwortlich fühlte, ein Leben, das die anderen nicht leben wollten, deswegen haben sie aufgehört. Ich wußte immer irgendwie, daß man auf lange Sicht besser durchkommt, wenn man sich nicht beirren läßt, aber für die meisten Altersgenossen bin ich doch ein Versager, ich bin 34, habe keinen normalen Alltag, ziehe andauernd um, man weiß nicht, wo man mich antrifft. Ich hatte niemals in meinem Leben ein Date, wie man das so hat, ich war wohl schon mal mit einem Mädchen aus, aber so eine klassische Verabredung habe ich nie gehabt, außerdem fangen die Eltern irgendwann an zu fragen, was sind das für Leute, mit denen du rumziehst? Das Ziel im Leben der Leute ist Bequemlichkeit. Das ist in der Musik nicht anders. Die Erfolgsformel lautet: mach immer dasselbe, dann fühlen sich die Leute wohl, dann arbeiten sie sogar mit, dann sehen sie ein Ziel, und sie brauchen ein Ziel. Das ist das westliche Denken. Ich neige eher dazu zu denken: heute abend will ich so gut sein wie irgend möglich. Demnächst werde ich sowieso auf was anderes stehen. Das heißt nicht, daß ich nicht an die Zukunft denke, das tue ich sogar sehr oft, aber nicht auf Kosten dessen, was nur in der Gegenwart stattfinden kann, wie Musik. Musik kann man nicht planen, deswegen ist Musik zum Geschäft ja auch so ungeeignet. Mädchen zum Beispiel, erst sind sie ganz aufgeregt, du spielst in ’ner Band und Glamour und wild, dann beschweren sie sich über diese komischen Typen, die nicht an ihre Karriere denken, sondern immer nur an die komische Band und wohl nie Geld verdienen werden. Wieviel Leute kennst Du in meinem Alter, die nicht irgendeine feste Anstellung und Frau und Kind haben? (na, ich kenn einige, aber ich zähl wohl nicht)

Ich kenn auch einige, Chuck und ich, und Chuck und ich und Chuck und ich und noch ein paar, aber in Prozent ergibt das nullkommanullnull. Selbst die ganzen neuen Lebensstile, die z. Z. angepriesen werden, sind ja nicht nach den Bedürfnissen menschlicher Kreativität ausgerichtet, sondern natürlich von den selben Firmen konditioniert, denen auch die Schulen gehören, die das Erziehungssystem und die Medien kontrollieren, die erziehen die Leute nicht dazu, selber zu denken, sondern für das System zu arbeiten, und sich sehr unsicher und schlecht zu fühlen, wenn sie das nicht tun. All diese Begriffe wie Heavy Metal, Alternativ etc. sind ja in dem Zusammenhang nichts anderes als kleine gewerkschaftsartige Zusammenschlüsse, die den Nicht-Ganz-Mitmachern ein klein bißchen Sicherheit bieten. Auch wenn’s auf den ersten Blick anders aussieht: Gut, Guns N’ Roses, they ’re shooting drugs all over the place, aber was sie sonst machen, ist sehr spießig und konservativ, dieses Riff gab’s bei den Stones, jenes bei Aerosmith, da können wir nicht viel falsch machen, das gibt ein Gefühl von Sicherheit, und mehr als das, wenn du eine richtige Metal-Band bist, dann gibt dir die imaginäre Metal-Gewerkschaft sogar richtige Sicherheit, nicht nur ein Gefühl, ich kann gegen diese Gewerkschaft gar nichts sagen, außer daß ich das nicht will. Selbst die meisten Bands auf SST sind keine Fulltime-Musiker, die Meat Puppets, fIREHOSE und wenige andere, die Minutemen wollten nie auf Tour gehen, die hatten Angst, weiter als ein paar Meilen von L.A. entfernt zu spielen, dann haben wir sie mitgenommen, und es lief, auch die wollten feste Jobs haben und fanden unseren Lebensstil furchterregend, als sie mit uns auf Tour gingen mußten sie mit ansehen, wie wir kaputte Reifen unseres kleinen Vans nicht ersetzen konnten, sondern durch weggeworfene alte Reifen ersetzten, die wir hinter Tankstellen fanden. Nun gib mal einen guten Job für so einen Scheiß auf! Das ist SST-Wirklichkeit!