Beide Bands haben Ingredienzien des neuen Afro-Kults im Namen, beide kommen aus New York und der gute alte Klischeebegriff vom Großstadt-Dschungel drängt sich geradezu auf. Aber die Gemeinsamkeiten hören damit auch schon auf. Ach ja: Beide waren, obwohl bis jetzt nur auf Singles verfügbar, vom gleichen Management auf Kurzbesuch in die BRD geschickt worden.
Im „Künstlerhaus“, einer eher esoterischen Stätte, war das Publikum auf alles andere als auf die Bongos eingestellt. Man war gekommen um avantgardistischer Spezereien oder New Yorker Hip-Exotika zu frönen und dann eine gutmütige Dreierformation mit schnellen Pop-Songs aus der Mittsechziger-Kiste? Das konnte nicht gutgehen, solche Späße lassen wir mit uns nicht machen. Und so war die Reaktion auf die entzückend-normalen Jungs eher cool.
Richard Barrone ist die klassische Verkörperung des Typen, der mit seiner Gitarre ins Bett geht. Selten so eine libidinöse Bindung zwischen Mann und Instrument gesehen. Hart steigen die drei in die kleinen Melodien ein, um dann jeweils in der Mitte Richard seine zweite große Liebe demonstrieren zu lassen: Velvet Underground, namentlich Sterling Morrisons und Lou Reeds Gitarrenkamikaze, jene seinerzeit markerschütternden Rückkoppelungs-, Distortions- und sonstwie Krachorgien, deren Stil Barrone nicht nur kopiert, sondern sich bereits als eigene Technik angeeignet und erweitert hat. Meiner Beschreibung der Bongos-Musik kann Barrone zustimmen. „Genau das ist unsere Formel (60er Beat plus Velvets-Kaputtgitarren), mehr oder weniger. Es kommen noch ein paar andere Sachen dazu: T. Rex z.B. unsere letzte Single war ja „Mambo Sun“. Und dann mußt du bedenken, daß unsere Texte überhaupt nichts zu tun haben mit Pop-Song-Lyrik. Das sind mehr so allgemeine assoziative Bewußtseinströme, die erst durch die Beat-Struktur gebändigt werden.
Was wir machen ist Underground Pop. Also Liebe zu Beat, Beatles und den ganzen Traditionen, aber gesehen durch eine Untergrund-Sensibilität Wir kennen alle Free Jazz, ich verehre z.B. Cecil Taylor, wir sind große Throbbing-Gristle-Fans. Genesis P. Orridge ist für mich einer der wichtigsten Menschen, die es gibt, das merkt nur keiner.“ Du scheinst eine enge Beziehung zu deiner Gitarre zu haben. – „Ich liebe sie, sie spricht zu mir, sie ist mein Freund!“ Drei spontane nette Kerls, wie sie da in der absolut irrsinnigen Billigpension am zwielichtigen Steindamm ihr Frühstück einnehmen, Eier zerhacken und mit kleingeschnittenen Toastbrocken aufsaugen. Rob Norris erzählt. Wie sie von einer überraschenden Einlage von Genesis P. Orridge geehrt waren, der während ihres Sets in London plötzlich auf der Bühne stand und mitsang; wie toll es die Bongos fanden vom selben Management betreut zu werden wie der legendäre Astral-Free-Jazzer Sun Ra, aber daß er leider niemanden an sich ’ran läßt und immer noch glaubt, er sei vom Saturn.
Die Bongos sind enge Freunde und Nachbarn der Feelies, mit deren Sinn für Melodik das Bongos-Konzept viel zu tun hat („Wir haben viel von ihnen gelernt, aber sie haben eine völlig andere Idee von Rhythmus. Ihr Schlagzeuger Anton Fier [übrigens auch ein frühes Pere Ubu-Mitglied] kommt total vom Jazz“).
Die Bush-Tetras, die bei den Deutschland-Konzerten sowas wie der Headliner waren, teilen sich mit dem Bongos das Equipment. Ihren Ruf haben die Tetras vor allem, weil sie ein ehemaliges Contortions-Mitglied in ihren Reihen haben, die außergewöhnlich inspirierte Gitarristin Pat Place, die den ganzen großstadtkranken, mitreißend-nervösen Auftritt ebenso entscheidend prägte wie den Sound der ersten beiden Contortions-LPs. Bei „Cold Turkey“ kommen dann die Bongos mit auf die Bühne und gemeinsam wird „Rhythm’n’Paranoia“ zelebriert, wie Sängerin Cynthia Sley (griechische Nase, kaputte Stimme) die Musik der Tetras mal charakterisierte. Am nächsten Morgen ist Pat alles andere als inspiriert: mit viertel-geöffneten Augen hockt sie in sich zusammengesunken, käsebleich in besagter Pension und sogar die reizende, vitale Bassistin Laura Kennedy zwängt nur mühsam ein paar Späße durch den entzückenden Mund und Schlagzeuger Dee Pop, der einzige Mann und ein absoluter Meister seines Instruments macht nur destruktive Witze („Seit wann gibt es die Bush Tetras?“ – „You know, we met in prison, höhöhö“), so bleibt Cynthia Sley als Gesprächspartnerin übrig. Die ehemalige Künstlerin, Kellnerin hat, wie die ganze Band, einen völlig anderen Background als die etwas häuslicheren Bongos. Alle leben mitten in N.Y., während die Bongos sich ins Umland nach New Jersey abgesetzt haben. Die Bush Tetras hängen an der Stadt und entsprechend hektisch, fahrig und intensiv wirkt ihre Musik. Dabei sind sie mit der eher enttäuschenden ersten Single inzwischen auch nicht mehr einverstanden – live waren sie auch unglaublich viel wilder!
„In New York gibt es keine Labels, es läuft absolut nichts. 99 Records ist zwar im Prinzip o.k., nur total amateurhaft. Wir werden daher jetzt in England mit Fetish eine Single machen, die Bongos sogar eine LP. Du hast in New York eine beständige Spannung, in Europa haben wir ähnliches am ehesten noch in Berlin erlebt, aber dafür können sich die Leute nicht organisieren.“ Über Motivationen: „Unsere Musik ist dazu da, Frustrationen freizusetzen“ – Dafür klingt euer Funk aber ganz schön kompliziert und diszipliniert – „Na, klar! Wir sind ja auch nicht aus Los Angeles, du verstehst, was ich meine, dritte Generations-Punkies, die ihren englischen Idolen von 77 nacheifern. Nein, wir geben der Musik unsere eigene Form, wir können ja inzwischen auch schon etwas besser spielen. Der Fehler der Punks scheint mir zu sein, daß sie auf Gewalt einfach mit primitiver Gegengewalt reagieren. Man kann ein Übel nicht aus der Welt schaffen, indem man ein anderes Übel dagegen setzt“.
