Ins Kino gehen hieß in letzter Leit zu oft, sich in alte Filme flüchten, Exotika konsumieren oder einfach nur der Pflicht, Zeitgeist zu schnüffeln, Genüge zu tun. „Das Osterman-Wochenend“ ist endlich wieder ein richtiger Film. Ein richtiger Regisseur (Sam Peckinpah), eine richtige Kino-Besetzung (u.a.: John Hurt, Burt Lancaster, Dennis Hopper, Rutger Hauer) und eine richtige, kritische, links-amerikanische Geheimdienst-Medienkritik-Thriller Handlung.
Eine Frau, schön, blond und nackt, stirbt auf Video. „Ein schrecklicher Film“ sagt CIA-Chef Lancaster, dabei ist er der Regisseur des Snuff-Movies, die Kameras sind die seiner Organisation, die Killer kommen vom KGB, aber sie handeln in seinem Einverständnis. Das Opfer aber ist die Gattin eines seiner besten Männer, John Hurt. Und der darf nie etwas davon erfahren.
Rutger Hauer ist ein erzliberaler, unbestechlicher, guter Amerikaner mit Bobby-Ewing-Synchronisationsstimme. In seiner Sendung „Face To Face“ deckt er Skandale auf, läßt Prominente schwitzen, decouvriert Politikaster, bis der Schweiß auf ihren Gesichtern die Charaktermasken zersetzt. Seine Freunde seien KGB-Agenten, will ihm CIA-Mann Hurt weismachen, und er glaubt ihm, sich den Beweisen der Video-Bänder beugend. Die Freunde, der CIA-Mann und viele Überwachungskameras, Monitore und Waffen verbringen mit Frauen, Kind und Hund ein gemeinsames Wochenende auf dem Land, das sich nach und nach vom Psychokrieg in einen blutigen Wahnsinn steigert, mit vielen Peckinpah-Zeitlupe-Toten und raffiniert geschnittenen Action-Sequenzen, deren handwerklicher Standard seinesgleichen sucht.
Der Fernsehmann und der CIA-Mann, das Studio und der im Wald verschanzte Wagen mit den Überwachungsmonitoren – Peckinpah betont die Ähnlichkeiten. „Ist doch nur eine weitere Szene in der Seifenoper des Lebens“, kommentiert Hurt einen Tod im Wald, und Rutger Hauer, der am Schluß die größte Sensation seiner Fernsehkarriere aufzubieten hat, die Entlarvung des CIA-Chefs als Mörder (was so sensationell ja nun auch wieder nicht ist, aber der Film ist gut genug, einen glauben zu machen, es sei sensationell), empfiehlt seinen Zuschauern, den Fernseher auszuschalten, denn nicht einmal diese Sensation könne sie noch aufrütteln.
Der CIA-Dissident macht das Fernsehen für das verantwortlich, was real geschieht. The medium is the message. Politik als Inszenierung. Welt als Simulacrum. Netz der tausend Augen. Für Peckinpah nicht Gegenstand intellektueller Beweisführung, sondern eine Stimmung. Sein Film ist konfus, emotional und intensiv, resignierter Protest des alten Regisseurs, der eine Welt vorfindet, in der sein altes liberales Demokratieverständnis im gleichen Maße gegenstandslos geworden ist wie das alte Kino.
