Depeche Mode

Als Vince Clarke, Autor einiger der edelsten Kinderpop-Klassiker und aller Depeche-Mode-Songs, nach der ersten LP und mehreren erfolgreichen Singles das Quartett verließ, schien es, als sei dessen schnelle Karriere zunächst beendet. Hits wie „Just Can’t Get Enough“, „New Life“ und auch die eher schwächeren DepMod-Titel dazwischen schienen zu eindeutig den Stempel des Autors zu tragen, der seine Fähigkeiten nun in den Dienst des Duos Yazoo stellte. Doch mit Martin Gore wuchs ein Songwriter aus den eigenen Reihen nach, der zwar etwas mehr auf melodische Schnörkel und Raffinessen der Vokalarrangements setzt und dafür weniger von der Schmissigkeit Vince Clarkes zu bieten hat, aber für die gleichen Erfolge in den Charts zu sorgen weiß wie sein Vorgänger. Die in Moritz Rrr/Atatak-Covern verpackten Singles „See You“ und „Meaning Of Love“ waren sentimentale Balladen von der Klasse besten liebeskranken Teen-Pops, „Leave In Silence“ für kommerzielle Zwecke direkt riskant kompliziert: elektrische, gefrorene Pubertäts-Seele – in gleicher Weise rührend wie befremdend und zuweilen gar analytisch.

Die zweite LP, „A Broken Frame“ reicht allerdings, wie auch schon „Speak & Spell“ unter der Ägide von Vince Clarke, nicht an die Qualität der hervorragenden Singles heran, die auf ihr enthalten sind. Ein Song mit der einnehmenden Kraft von „See You“ findet sich unter den neuen, durchweg zarten, brüchigen Nummern nicht noch einmal. Die immer gleichen Synthi-Arrangements können auf der Langstrecke nicht mehr hundertprozentig befriedigen. Wie die klassischen Pop/Beat-Bands der 60er ist auch Depeche Mode eindeutig eine Singles-Band, und wir sollten nicht hoffen, das sie plötzlich den Ehrgeiz entwickelt, gewichtige, geschlossene Konzept-LPs an die Stelle ihrer beschwingten Pop-Songs zu setzen, deren Funktion nun einmal an die Stimmungswechsel der Charts gebunden ist. Die nach der Aktualität der Wochenstimmung verlangen und durch das behäbige Medium LP eher zu kurz kommen.

Ein Depeche-Mode-Konzert ist übrigens keine besonders aufregende Angelegenheit, das würde zu den schüchternen Songs auch nicht so gut passen: Die drei stehen hinter ihren Synthis. Man kann ihre netten, etwas ungelenken Schulbubengesten betrachten, sich an ihrer unprätentiösen Show erfreuen und die bekannten Hits hören. Genausogut kann man sich zuhause ein paar Fotos anschauen und die Singles via Walkman beim Einkaufen genießen.