Vor nicht allzulanger Zeit schrieb ich in dieser Zeitschrift, Rap, Electric Boogie und alles, was dazugehört, sei trotz aller Wiederholungen auf Platte und in den unzähligen wohlwollenden Berichten in Presse, Film, Funk und Fernsehen immer noch die einzige Neuartigkeit auf dem weltweiten Markt der Pop-Entwicklungen. Inzwischen kann ich’s auch nicht mehr hören, und das nicht nur, weil die Musik schlechter geworden ist. Nein, der Mythos nervt einfach zu sehr. Ist in die falschen Hände geraten. Die South Bronx ist spätestens seit dem Moment terra non grata in meinen Ohren, seit sie mit Berlin-Kreuzberg verglichen wird und sich der deutsche Alternativspießer mit seinem großen Herz für Minderheiten und keiner Ahnung von den sozialen, kulturellen und politischen Realitäten kurzerhand die Türken von Kreuzberg zu unseren Negern erklärt und deswegen so furchtbar viel Freude an elektrischen Pantomimen aus dem Ghetto entwickelt, weil sie plötzlich einen sozialen Sinn bekommen haben. Bestimmt wird Berlin die Stadt sein, die als erste ihren staatlich subventionierten Breaker-Contest hat.
Rap war gut, weil er schwarze Smartness transportierte. T-Ski-Valley und Melle Mel, Afrika Bambaataa und die Jonzun Crew waren und sind Stationen der Pop-Geschichte, die ich nicht missen möchte. Und das Geräusch von hin- und hergedrehten Schallplatten, das weltberühmte Scratchin’, hör ich so gerne, daß mir Herbie Hancocks „Rockit“ auch dann noch Spaß macht, wenn Norbert Schramm seine Kurzkür danach tanzt. Außerdem kommt meistens immer dann, wenn man denkt, keinen Rap, keinen Electric Boogie, keine Arthur-Baker-Produktionen mehr hören zu können, eine neue Platte, die es einem wieder möglich macht. Zuletzt „White Lines“ von Grandmaster Flash und Melle Mel und „U.S.A. Is The Best“ von T-Ski-Valley. Aber die Medien bauen gerade die unattraktiveren und wiederholungsintensiveren Teile der Gesamtbewegung zu derart unerträglichen Sinnstiftungsruinen auf, daß man sich nur mit Grausen abwenden kann. Und das tue ich.
Auch wenn mir kleine Möchtegernschwarze mit weißen Micky-Maus-Handschuhen in der U-Bahn an der Mönckebergstraße selbstverständlich lieber sind als die Gitarrespieler, die dort noch bis vor einem Monat ironischerweise „The Times They A-Changin’“ wider das bessere Wissen des zwanzig Jahre alten Songs Tag für Tag wie hungrige Kojoten heulend, deklamierten. Doch genau so, wie man sich, wenn die Langeweile am größten ist, auf rettende Platten-Neuerscheinungen verlassen konnte, konnte man sich bisher immer auf das Konzert verlassen, das einem dann die Freude an DJs und MCs zurückgab, wenn man sich eigentlich todsicher war, kein weiteres Mal ertragen zu wollen, wie sich New York seines Jugendarbeitslosigkeitsproblems entledigte, indem Gotham junge Männer nach Europa schickte, die sich dort darin gefielen, Wettkämpfe auszutragen, wer vor ahnungslosen Mitteleuropäern am schnellsten die Platte „Good Times“ von Chic kaputt scratchen konnte.
Ein gutes Konzert war die Show von Whodini im Trinity. Nachdem vorher überall die DJs dieselben Kunststückchen vorführten, man der Glasabtaste-Pantomimen überdrüssig war und die mitfühlenden Fernsehfeatures über den in der Tat interessanten, aber nie auch nur ansatzweise bewältigten Zusammenhang zwischen Tanz, Elend und juveniler Delinquenz in gewissen Abbruchvierteln in …, na ihr wißt schon, als also das ganze Zeug schon schwer im Schwange war und zu nerven anfing, machten Whodini einfach gutes US-Entertainment, billig, aber von gutem schwarzen (im Sinne der Hautfarbe) Humor gesegnet ohne große Gesten; einfach Verkleidungen und Maskerade und Witz für die Kids. Der Humor, den außer T-Ski Valley alle im Rap-Geschäft verloren zu haben schienen, war wieder da. Daher könnte man das Konzert in der Markthalle, das außer von Whodini von unbekannten Leuten bestritten wird, ganz nett werden. Für die, die es schon gesehen haben, wohl eher nur eine Wiederholung.
Nun kommt aber zu allem Überfluß noch das Kino hinzu. Der vom ZDF produzierte Rap/Graffiti-Film „Wild Style“ präsentiert allerlei große Namen, hatte eine nette, leicht ironische Geschichte und ist zwei Jahre alt. Charlie Ahearn, Veteran des New Yorker No-Wave-Kinos und Bruder des berühmten South-Bronx-Bildhauers John Ahearn, hat mit leichter Hand Regie geführt. Wer „Wild Style“ noch nicht kennt (lief natürlich vor langer Zeit schon im ZDF), soll sich das ruhig mal ansehen. Wirkt heute alles sehr historisch. Schlimmes muss man allerdings von „Breakdance Sensation ’84“ befürchten, einer in Rom und New York gedrehten Italo-Produktion, in der ein armes weißes Mädchen (eine Italienerin!) und ihre Freunde (weiß! Italiener!) von einer Breakdance-„Karriere“ (Was ist das?) träumen und an Breakdance-Meisterschaften in New York teilnehmen. Daß die Rocksteady Crew Musik beisteuert, mag ein Lichtblick sein. Er ist zu klein gegen einen völlig bescheuerten Plot, den ein Regisseur umsetzen muß, der bei Sergio Corbucci gelernt hat. Die Italiener hängen sich eben an alle Trends ein paar Jahre zu spät an und produzieren Billig-Versionen.
So könnte dieser Film ein weiteres Indiz sein, daß das Ganze wirklich vorbei ist und die Show in der Markthalle das letzte Rap-Ereignis in Hamburg wäre. Dann künden nur noch die peinlichen Graffiti-Imitationen an der Bundesbahn-Unterführung auf dem Fußweg „Vienna“ – „Subito“ von Hamburgs Hiphop-Kultur und nur noch der „Bild am Sonntag“-Wahrnehmung fällt etwas Besonderes am Breakdance auf: „Man braucht dazu keine Frau“.
