„Die Frau im Kapitalismus“

Streifzüge durch die Geschichte

1. Von der Gebärmaschine zum freien Unternehmer

Die Frau im Kapitalismus. Eigentlich hat sie da nicht das Geringste verloren. Als man den Kapitalismus und seine Widersprüche erfand, war es für die Frau endgültig aus. Proletarier sollten sich vereinen, Menschen (was in den meisten Sprachen „Männer“ heißt) waren Menschen und hatten Stiefel im Gesicht nicht gern, Arbeiter wurden expropriiert von den zu Expropriierenden, Intellektuelle bildeten die Vorhut der Massen, Bürger hatten das eine Bewußtsein, der bereits erwähnte Proletarier kriegte das andere, das revolutionäre, eine Geschichte von Klassenkämpfen war die Geschichte und das seit den Sklavenhaltergesellschaften. Die Frau wurde also auch retrospektiv vernichtet: „Die Frauen haben die Welt vielleicht ein wenig freundlicher aussehen lassen, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“

Wo auch immer wir anfangen, ob bei der Entstehung oder der Entdeckung des Kapitalismus, was, wie bei Kontinenten und Fixsternen, nicht gleichzeitig war: Die Frau war auf ganzer Linie abgemeldet, da sie, wie zum Beispiel auch Gott und seine Widersacher (Nietzsche), nichts zum Bruttosozialprodukt beitrug. Ihr Liebreiz war ökonomisch vernachlässigbar. Erklärungen und Vorschläge für die Abschaffung des Kapitalismus und seiner Mißlichkeiten gibt es viele. In Deutschland war die des Antisemitismus zunächst folgenreicher als die des Sozialismus, und daher hatten an allem die Juden schuld. Bezeichnenderweise prägte August Bebel, der Sozialist, der für die Sozialisten die Partei und die Frau erfand, letztere etwa genau 34 Jahre nach der Erfindung des Kommunismus, den Satz „Der Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls“. Als man in Deutschland den Antisemitismus per Verleihung der Regierungsgewalt an gestandene Antisemiten sozusagen virulent werden ließ, wurde auch das Übel des Kapitalismus, die Frau abgeschafft zu haben, auf rührend direkte Art angegangen. Die Abwesenheit der Frau in der Runde der volkswirtschaftlichen Faktoren und ihre daraus hergeleitete Nicht-Existenz im Kapitalismus wurde als Problem erkannt und gelöst; nicht etwa, indem die Antisemiten die Frau zum wirtschaftlichen Faktor umfunktionierten und in die Welt heimholten, sondern, ganz nach Art des dummen Kerls, wurde eine zweite, der ökonomischen analoge Sphäre der Produktion organisiert, die Menschenproduktion, dies wiederum komplementär zu einem anderen, politischen Mittel dieser Zeit, der Menschenvernichtung. Der Frau wurden Nennungen, Orden und Präsenz zuteil, wenn sie sich bereit fand, in möglichst effizienter, reibungsloser Art und Weise Menschen produzieren zu helfen, deren Besitzer sie freilich ebensowenig ist wie der Arbeiter im Kapitalismus im Besitz der von ihm produzierten Güter. Wir sprechen bei diesem Vorgang vom entfremdeten Gebären. Und welcher Mann denkt nicht noch heute, daß sein Sohn, den er sich mittels der Induktion gewisser ihm eigener Mittel in die Apparaturen des weiblichen Leibes verschafft hat, mit der gleichen Berechtigung ihm gehört, wie die Schachtel Zigaretten, die er erwarb, indem er eine Münze aus seinem Besitz in die Apparaturen des Zigarettenautomaten einführte. Doch nun passierte et as Merkwürdiges: war die Frau des Dritten Reiches glücklich, wenigstens als Produktionsmittel der beschriebenen Art (nicht einmal als ein seine Arbeitskraft auf dem freien Arbeitsmarkt feilbietender Arbeiter) an der Volkswirtschaft, wie sie damals verstanden wurde, Anteil zu haben, so wollte sie in der BRD plötzlich gleich zwei Sprossen der sozialen Leiter auf einmal erklimmen. Sie gibt an, nicht länger eine Gebärmaschine sein zu wollen. Statt aber nun ihre Gebärfähigkeit, wie es im Kapitalis‘mus üblich wäre, gegen einen Arbeitslohn zu verkaufen, strebt sie an, selbst über ihre Kinder zu verfügen wie ein Alleinunternehmer oder ein selbständiger Handwerker und gibt sich auf diese Weise, die kein Kapitalismus der Welt akzeptieren kann, schnurstracks erneut auf den Weg in die Nichtexistenz. Ganz egal ob sie Petra Kelly oder Gudrun Landgrebe heißt.

2. Präfix und Suffix

Auch wenn es im Sinne der grammatischen Terminologie nicht korrekt ist, bei den in der deutschen Sprache so einmaligen Doppelwörtern wie Kriegsverbrecher den Wortteil Krieg zum Präfix und den Wortteil Verbrecher zum Suffix zu erklären, nein auch bei Ermächtigungsgesetz funktioniert das nicht, so gibt es bei Wortbildungen mit dem Wort Frau eine gewisse Berechtigung. Da die Frau in den ökonomischen Rahmenbedingungen unseres Lebens nicht existiert, höchstens um die Steuerklasse zu verschönern, nach vollzogener Hochzeit, existiert sie gar nicht (wie schon gesagt), denn die Ökonomie allein befindet über diese Fragen (jedenfalls im Kapitalismus). Damit wird das Wort oder der Wortteil „Frau“ genauso ein die Wortbedeutung lediglich verzierendes oder vertiefendes Semen, wie eben auch die klassischen Präfixe Ent oder Ver, die uns den Unterschied zwischen Verführung und Entführung erklären, aber niemals für sich existieren könnten, ohne Führung eben. Nach dem verlorenen Kriege kam die Frau in Deutschland vor allem als Suffix zu Trümmer vor. Wieder also in unproduktiver Funktion, als ökonomisches Halbding, das zwar der Wirtschaft gute Dienste leistete, aber auf der Haben-Seite der Produktivität nicht zu Buche schlug. Als unbezahlte Fortsetzung der nationalsozialistischen Hiwis traten sie nicht einmal als Haltestellen in das, Eisenbahnstrecken zuweilen nicht unähnliche, Geflecht der Geldzirkulation ein. Und auch später, in der Adenauer-Ära, hielten sie sich hartnäckig im Suffix-Bereich, nämlich zu Ehe und Putz; letzteres wurde nach erheblichen sozialen Kämpfen in Reinmache umgeändert. Die Umbenennung der Reinmachefrau in Raumpflegerin, ungefähr zeitgleich mit der Verwandlung des Negers in einen Schwarzen, war bereits der Sozialdemokratisierung unseres Staatswesens zu verdanken und die Geburtsstunde der Filmemacherin.

Und im anderen Teil Deutschlands? Im anderen Teil Deutschlands traten alle Menschen in eine Partei ein. Die Partei ist die Fortsetzung der Frau mit anderen Mitteln, wie die geistige Entwicklung August Bebels (und Friedrich Engels’!) bewiesen hat. Diese Arbeiterbürokratie holt die Frau aus dem Nichts zurück, nicht in die Produktivität, sondern in die symbolische Ordnung, die anstelle des Kapitalismus getreten ist. Die Partei: eine große grammatisch weibliche Organisation, die sich um alle sorgt, Geliebte und Mutter, Ehefrau und Tochter in einem ist, Göttin einer matriarchalischen Religion. Doch dies nur als Abschweifung. Unser Thema ist ja nicht „Die Frau im Sozialismus“.

3. Die Frau als Subjekt der Geschichte

Das Lustige aber ist, daß die Abschaffung der Frau als Suffix, ja ihre Präfixwerdung (Frauenfilme) in den Siebzigern, anderswo gar nicht auf den reformistischen Eifer der SPD und den von ihr angezettelten Spätkapitalismus mit menschlichen Antlitz warten mußte. Viel früher als die deutsche hat die amerikanische Frau einen Platz im Kapitalismus gefunden, zwar nicht gleich im Produktionsprozeß – erst heute können Amerikanerinnen stolz singen „She works hard for the money“, und damit sich selbst meinen – aber immerhin im Überbau, was ja auch ganz stattlich ist. Die Amerikanerin war es, die unter der Regierung Theodore Roosevelts (1901-1909) den Alkoholismus entdeckte, und zwar als Hauptwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft (oder als Nebenwiderspruch der Prostitution?) Man lese nur in Büchern des 19. Jahrhunderts nach. Da saufen sich zwar hin und wieder welche zu Tode. Aber das wird meist ganz lapidar und mechanistisch angesehen und entsprechend vermerkt. Die komplizierte Psychostruktur der Suchtkrankheit haben erst die amerikanischen Frauen dem Trinken übergestülpt. In einem beispiellosen Feldzug gegen alles, wa Männern Spaß macht (Bars und Bordelle), erreichten sie 1919, während in Berlin Noske Wichtigeres zu tun hatte und sich seinen Namen als Bluthund erwarb, unter Präsident Woodrow Wilson (1913-1921), der wegen dieses Anliegens sogar Versailles und den Völkerbund vergaß, die totale bundesweite Prohibition des Alkohols in den USA.

Durch diese Aktivitäten versetzten sie dem Kapitalismus einen seiner schwersten Schläge. Sein Bauchgrimmen war noch Jahrzehnte zu hören. Durch die Illegalisierung des Alkohols bei unverminderter Nachfrage nach ihm wurde sein Konsum zu einer Straftat und 50% der Bevölkerung auf einen Schlag kriminalisiert (die Männer nämlich; trinkende Frauen galten schon immer als kriminell, allein weil sie das Gebot ihrer Nichtexistenz durch einen für Frauen unvorschriftsmäßigen, für trinkende Frauen jedoch charakteristischen Überschuß an Verhalten überschritten). Die Folge war ein enormer Anstieg des Verbrechens, organisierte Banden, die einen Untergrundkonkurrenzkapitalismus aufzogen und schließlich der bekannte Weltwirtschaftsuntergang am Ende der zwanziger Jahre mit seinem schwarzen Freitag, seinen Deflationen, Stagflationen, Depressionen, verfallenen Wechseln, windigen Schwindeln, geplatzten Krächen, frei floatenden Haussen und Baissen und nicht zuletzt seinen flottierenden Petrodollars. Der Diskontsatz schlug Purzelbäume, der Lombardsatz kapriolte, und erst der New Deal des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt (1933-45) konnte das alles wieder einrenken, In Deutschland nicht einmal der. Eine Welle von Schleichers und von Papens führte schließlich in die Katastrophe.

Freilich hatten die Frauen das nicht gewollt, aber wir können hier sehen, was passiert, wenn untrainierte Subjekte Geschichte machen. Nein die Frauen, die hier so fatal Einfluß ausübten, waren in Wirklichkeit jeder Änderung abhold und gehörten zweifellos der konservativen Seite der Bevölkerung an. Wie eigentlich überall in der parlamentarisch verwalteten Welt, die ja in ihrer Mehrheit auch eine kapitalistische ist, die Frauen in ihrer überwältigenden Mehrheit der politischen Rechten angehören. Das heißt, daß sie ihre objektive Lage, nicht am Produktonsprozeß beteiligt zu sein, nicht durch Reformen gefährdet sehen wollen. Sie haben es ja auch so leichter, die Unumgänglichkeit des Kapitalismus zu umgehen als der Mann, der dafür eine Revolution, Truppen, Agitation, verplompte Güterwagen und vieles mehr braucht.

4. Die Frau als Außenminister

In der jüngeren Geschichte des Kapitalismus geschieht es immer häufiger, daß Frauen eine ihnen gemäße Methode, Geschichte zu machen ohne Unheil zu stiften, erlernten. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Miss Ellie Ewing und Hans Dietrich Genscher. Ohne über eine eigene Hausmacht zu verfügen, ist Miss Ellie in dem von Fraktionskämpfen zerrissenen Ewing-Imperium zum unverzichtbaren Katalysator der auseinanderstrebenden Kräfte aufgestiegen, der die Handlungsfähigkeit des Konzerns nach außen garantiert und in Notsituationen auch selber außenpolitisch aktiv wird, zerschlagenes Porzellan kittet. Und so weiter. Ebenso Hans Dietrich Genscher, ein zähes sächsisches Weib, als Original von Dresden bis Dürröhrsdorf schon in ihrer Jugend bekannt, bekleidet sie nun schon seit vierzehn Jahren, und damit länger als irgendeiner ihrer männlichen Kollegen, ein Ministeramt in der BRD. Ohne Genscher, der man, wie den Frauen ja ganz allgemein, Wankelmut und Opportunismus nachsagt, geht in Wahrheit gar nichts in der BRD. Und ist es nicht klar, daß niemand dieses Land besser dem Ausland als handlungsfähigen, souveränen Staat, als zuverlässigen Handels- und Verhandlungspartner, für den das Strauß’sche „pacta sunt servanda“ mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist, verkaufen könnte, als eben Hans Dietrich Genscher?

Wir sehen also, daß im späten Spätkapitalismus mit seinen extremen Widersprüchen, seinen schier unlösbaren Problemen und Ölkrisen, nur die als Milde und Ausgleich getarnte Verschlagenheit der Frau, die als aus dem Produktionsprozeß Ausgeschlossene über die distanzierte Pfiffigkeit verfügt, die dem Zaungast von jeher nachgesagt wird, für die überlebensnotwendige Versöhnung der Gegensätze garantieren kann.

5. Die Frau als Störenfried der Weltwirtschaftsordnung.

Unter dem Stichwort „Gleichberechtigung“ haben einige kapitalistische Staaten eine Regelung geschaffen, die auch Frauen Zugang zum Schaffen von Mehrwert, zum Expropriiertwerden, zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft abends beim Trinken, zum Stricken ohne daß ihnen anschließende der Schal gehören würde und was dergleichen Umstände mehr einen anständigen Kapitalismus ausmacht, verschaffen soll. Die Frau, die, wenn sie schlau war, und das war man von ihr gewohnt, bislang die entfremdete Arbeit verweigerte und sich statt dessen kleine imperial organisierte Herrschaftsbereiche sicherte, sogenannte Haushalte, schien ihrer bisherigen Lebensgewohnheiten überdrüssig: kein träges, wohliges Räkeln, kein verführerisches Verführen, kein Daheimbleiben und alle Neune langmachen mehr, nein, plötzlich wollte man beweisen, so als Frau, daß man auch ein Mann, ein Mensch sei, der sich wehren kann, und, um dafür überhaupt einen Anlaß zu haben, natürlich erstmal ausgebeutet werden mußte.

Natürlich waren diese Frauen keine Frauen im Sinne der Frau im Kapitalismus mehr, deren Wesensmerkmale wir ja bereits mit Zurückgezogenheit, Abwesenheit und blanker Nichtexistenz angegeben haben, jedenfalls im Sinne der alles beherrschenden Volkswirtschaft. Die Besetzung der Volkswirtschaft jedoch von biologisch der Frau zugehörigen Truppen mußte jedoch gleichzeitig einen Abzug von traditionell von diesen Truppen besetzten Positionen und Gebieten bedeuten: Badestrände, Zeitschriftentitelbilder, Männerphantasien, Damenclubs, Soldatenspinds, Küchen- und Reinigungskolonnen. Männer gingen nun verstärkt baden, fotografierten ihresgleichen und ihre Autos für die Zeitschriftentitelbilder, hatten plötzlich nur noch Fußball im Kopf und begannen homosexuell zu werden, wovon sie später AIDS bekamen und starben.

Was wollte die Frau überhaupt in der Volkswirtschaft? Die saisonale Kurzarbeit verschlimmern? Die zyklisch steigenden Arbeitslosenzahlen ins Schwindelerregende treiben? Als billige Reservearmee untertariflich bezahlt arbeiten und damit den in jahrhundertelanger Arbeiterbewegung erkämpften Erfolgen der männlichen Gewerkschaftsbewegung das Wasser abgraben, die Preise verderben auf dem freien Arbeitsmarkt? Und darüber hinaus noch den Malaysiern in den Billiglohnländern die paar Rupien streitig machen, die sie bei Mannesmann/Singapur verdienen und für ein Säckel Reis ausgeben?

6. Die Frau in der Zukunft

Nein, die Frau sollte den Ökonomismus so schnell wieder vergessen wie sie mit Fickstreiks und Prostituiertengewerkschaften begonnen hat. Nicht nur weil sie nicht weiß, daß das Ausbeutersystem empfindlich auf jede Massenbewegung und sei es der massenhafte Rückzug, raus aus den Männerphantasien, rein in die Borsigwerke reagiert, sensibel wie ein Seismograph auf der nach oben offenen Richterskala auf eine Erschütterung des Erdreichs. Nicht nur, weil der Kapitalismus noch bei dem kleinsten Beben sein Lieblingsspiel beginnt, das da heißt: Kriseln, Kriseln, immerzu Kriseln. Solange seine Schreckensmelodie erklingt, gipfelt sie im Refrain der Krise. Ewig, monoman und immerdar. Die Frau aber, die in glückhafter Ruhe an der Geschichte vorbeidämmert, sollte dieser steinernen Melodie keine neuen Mißtöne hinzufügen, sondern still sich freuen an den Nischen und Winkeln, die der Weltgeist für sie ausgespart hat, still überwintern dort und voller Zuversicht vertrauen darauf, daß die Partei eine noch glücklichere, weil sichtbare Lebensweise in einer fernen, schönen Zukunft ihr zuweisen wird.