Die Godard-Ecke

Beim Sehen von Pierrot Le Fou, der zur Zeit als Wiederaufführung in unseren Kinos läuft, fiel mir auf, daß falsch ist, was wir immer denken, daß Godard jetzt ein Alterswerk produziert und damals die wilden Sechziger, die Versöhnung von Mao und Prä-Punk feierte. Es war schon immer ein intelligentes Alterswerk, mit einem Ohr für die Jugend, das möglicherweise aus der ja immer zur Lebensbejahung und Zeiterscheinungszurkenntnisnahme führenden notorischen Godardschen Mädchenbegeisterung zu erklären ist.

Woher ich das weiß? Das mit dem Alterswerk?

Nun, man sieht’s halt. Außerdem hat er damals schon Folgendes geäußert: „Ich stelle mir heutzutage immer weniger Fragen, nur eine bleibt: Ist es nicht gefährlich, sich immer weniger Fragen zu stellen? (…) Aber das ist es doch, was man fühlt bei Picasso. Sich Probleme zu stellen ist doch keine kritische Haltung, sondern eine natürliche Funktion. Wenn ein Autofahrer sich mit Verkehrsproblemen beschäftigt, sagt man einfach: Er fährt. Und bei Picasso: Er malt.“

Aber bei Godard nicht: Er filmt. Sondern: Er macht Godard-Filme. Immer in den jeweils aktuellen Frauenmoden stecken alle Probleme aller Zeiten. Der ewige Vietnamkrieg, der ewige Autounfall, das ewig ungetreue Weib und der ewige Mann, der Bücher liest. Nicht nur über Velázquez in der Badewanne am Anfang.

Velázquez? Ja, auch Malerei und ihr Zustandekommen und das ganze Passion-Thema, in der gleichen Komplexität, Buntheit, Wahrheit wie heute im Reifealter. Oder diese blöd-kinderspielartigen Ballereien. Wie in Prénom Carmen, wie Bande à part, wie Repo Man, der einzige New-Wave-Godard-Film (von Alex Cox). Und das Zeit-Mode-Politik-Werbung-Verquickung-Motiv in Original-Dokumenten (hier halbnackte Frauen, die auf einer Party sein Credo vom Kino, das wie ein Schlachtfeld sei, als einzige Sprecher im O-Ton ausgeben)?

Schon da, schon immer da gewesen. Wie bei Homer, wie bei Petit Soldat, wie bei Body Double, dem einzigen amerikanischen Godard-Film von Brian De Palma. Einmal Godard, immer Godard, so kann es bleiben.