Dieter Meier: Jetzt und Alles

Die Symbiose der Milieus, Njuhewhf-Berlin und klassische Gangster, hat zur Zeit Konjunktur, und ihre teilweise abstrus mißlungenen Resultate wurden ja auf diesen Seiten schon behandelt („Kalt wie Eis“).

Der Spielfilm-Erstling des Yello-Sängers/Texters und Avantgarde-Art/Film-Pioniers Dieter Meier wird durch seinen Titel, seinen Aufsehen erregenden Soundtrack und durch das Mitwirken diverser Musiker in diesen Zusammenhang gerückt und die Werbung schlachtet dieses Image aus, was dem Film einen schlechten Dienst erweist. Denn die Tatsache, daß der verzweifelte Held dieser Geschichte auch in einer Rockband singt, ist nur eine Facette seiner bunten Zocker-Existenz, die nach der fatalen Verwicklung in eine brisante Industriellen-Entführung in galoppierende Lebensunfähigkeit umschlägt.

Das New-Wave-Szenario wird nicht mit moderner semantischer Überanstrengung in den Vordergrund gedrängt, sondern bleibt stilles Material. Denn viel wichtiger als die total unpsychologische, rein phänomenale Story, sind bei „Jetzt und Alles“ die edlen, wohldurchdachten Bild-Kompositionen, durch die sich die Figuren in ständiger rasanter Bewegung durchschlängeln, wie durch eine Ausstellung von Bizarrerien der Großstadt.

Wichtig ist, daß all diese Szenarios nicht für romantische Berlin-Klischees mißbraucht werden, sondern eigene Welten konstituieren. Dagegen wirken die bevölkerten Szenen (Kneipen, Konzerte etc.) eher etwas störend. Zu viele Menschen haben in dieser Thriller-Konzeption keinen Platz, sie behindern die reine Spannung, die dieser Film so intensiv entfaltet.

Besonders schön im Kino ist, wenn man sieht, wie etwas funktioniert. Hier ist das vor allem die Übergabe des Lösegeldes, die ganz wunderbar Verkettungen von Aktionen, kühn fotografiert, vorführt. Auch der Kontrast von Bizarrem und Normalem bleibt den ganzen Film über ausgewogen und verhindert das Abgleiten in selbstgefällige Spielchen. Toll etwa, wie der besoffene Richy Müller eine Schlägerei beim Sechstagerennen anzettelt oder wie er, von seiner Gruppe wegen Unzuverlässigkeit gefeuert, mitten im Konzert mit seinem Nachfolger fightet, dargestellt vom Regisseur selbst. Denn White Heat, Richys Band, ist ja sowieso Yello.

„Jetzt und Alles“ ist ein Balanceakt zwischen den Abgründen moderner Langeweile, der Versuch, eine moderne Optik auf die mythischen Topoi des Gangsterfilms anzusetzen. Und so sehr sein Thema die Verbindung modernen Scheiterns mit klassischem Scheitern ist, sowenig scheitert dessen Vermittlung.