Wenn man in New York gute weiße Popmusik hören will, begibt man sich in leere, schmuddelige Clubs, wo die letzten, von Rap nicht infizierten Menschen sich unter allen erdenklichen Opfern weiße Pop-Traditionen zu Gemüte führen, oder man muß in die Außenbezirke fahren, wo es mit der Hipness nicht so weit her ist, nach Queens zum Beispiel, bevorzugte Heimspielgegend der Fleshtones.
Wie so viele gibt es die Fleshtones seit den Punk-Zeiten, doch dauerte es bis 1980, bis eine erste Maxi-Single erschien. Die Richtung blieb konstant: US-Traditionen der späten Sechziger, schrabbelige Orgel, euphorisch-predigender Gesang, hymnenartige Aufforderungen zu Aufständen, Veränderungen. Titel wie „Hope Come Back“ oder „I’ve Gotta Change My Life“. Einer ihrer Dauerbrenner ist „Shadow Line“, das sich auf den gleichnamigen Roman von Joseph Conrad bezieht.
Die Gruppe um Peter Zaremba trägt halblanges Haar, eben exakt die Frisur von 1967, für ihre Covers (’81 und ’83 erschienen zwei hervorragende LPs) nutzen sie Lichteffekte und Überblendungen der amerikanischen LSD-Kultur aus jener Epoche, ihre Instrumente werden oft mühsam auf die Klangskurrilitäten einer technologisch minderentwickelten Musik- und Studioelektronik zurückgetrimmt. Das Geschäft der Fleshtones ist die Rekonstruktion, und das ist eine interessante Arbeit, nicht nur weil der spezielle Gegenstand ihrer Rekonstruktion interessant ist.
Diese Arbeit ähnelt nur scheinbar jenen einfallslosen Modernisierungen schöner Songs glorreicher Epochen und unterscheidet sich auch stark von der universalen Zitierkunst, die wir aus der englischen Popmusik kennen. Die Fleshtones setzen sich emotional, technologisch und politisch vollkommen den Bedingungen von damals aus und arbeiten trotzdem heute. Das Resultat ist ein Geschichtsriß, eine Konfrontation, ein Staunen, eine Überraschung.
