Gabor Altorjay: Tscherwonez

„Tscherwonez“ ist eine russische Goldmünze, und davon hat jener brave, naive, russische Matrose (Tom Dokoupil) ein paar in der Tasche, als er sich beim Landgang in Hamburg auf die Flucht begibt, um seinen vor Jahren entflohenen Bruder zu suchen. Dabei gerät er in eine chaotische Komödie zwischen den Fronten: St.-Pauli-Salambo-Milieu, supertechno-TV-BRD-Fahndung, tölpelhafter KGB, israelischer Geheimdienst und vietnamiesische Boat-People. Er verbrüdert sich mit afghanischen Spielern und flirtet unbeholfen mit einer eleganten, schwarzen Hure. Daß alles passiert in rasanter Szenenfolge im wirklichen Hamburg zur beschwingten Unterhaltungs-Pop-Musik von Wirtschaftswunder (vergl. LP-Rezension im letzten Heft). Die große Weltpolitik schnurrt zu einer Bolz-Komödie zusammen, bei der die liebenswerten, mit dem verruchten Westen unvertrauten Russen eindeutig die beste Figur abgeben. Die Motive der deutschen Innenpolitik, gern „Probleme“ benannt und in neue-deutsche-Welle-Texten thematisiert, wie Ausländerfeindlichkeit, BKA-Überwachung erhalten die geschmacklose Klamauk-Dimension, die sie verdienen. Bild-Details enthalten oft lustige Nebengeschichten oder Verweise; etwa wenn man in einem Caféhaus zwei Statisten an auseinanderliegenden Tischen Zeitung lesen sieht, und eine Viertelstunde später, wenn die Handlung das Cafe erneut streift, beide in eine angeregte Unterhaltung vertieft sind.

„Tscherwonez“ lebt stark von dem gebrochenen Blick, mit dem man als Ausländer leichter die spaßige Seite von Konflikten und nationalen Eigenheiten erkennen kann.

Fast alle Protagonisten sind Fremde (Russe, Afghane, Israeli, Italiener, Vietnamese, Amerikanerin), und gefilmt hat ein Exil-Ungar. „Tscherwonez“ erhält so die Struktur von Witzen dieses bekannten Musters: Kommt ein Lappe in Asachstan in ein kurdisches Restaurant und bestellt ein Wiener Schnitzel. Sagt der kubanische Kellner… Die einzigen Deutschen von Bedeutung im Film sind die beiden jugendlichen, hippen, gelangweilten BKA-Polizei/Fernseh-Fahnder, die mit ihrer Abgebrühtheit im Leben auch nur einen einzigen Witz sehen können. Als Schauspieler gefallen neben diesen beiden und Dokoupil vor allem Angelo Galizia als Unterwelt-Kellner und die drei russischen Verfolger, die, typisch und folgerichtig für diesen Film, von drei New Yorker Squat-Theatre-Schauspielern dargestellt werden. Ebenso konsequent, daß der türkische Fascho-Fanatiker, der die drei Russen in einem Kebab-Imbiß wegen ihrer Gottlosigkeit angreift, von einem kommunistischen türkischen Professor verkörpert wird.