Galeristinnen

DIE LÜGE

Vor zehn Jahren rief die UNO die Dekade der Frau aus, ein Aufruf zu liberaler, systemimmanenter Flickschusterei zugunsten des Geschlechts, das zwei Drittel der in der Welt anfallenden Arbeit bewältigt, was aber nur mit einem Zehntel des Weltarbeitslohns vergolten wird. Eine dieser Maßnahmen und Good-Will-Aktionen, die nach ihrem Abschluß immer in einem liberal-bekümmerten „Es ist noch viel zu tun“-Räsonnement verhallen und die jetzt in der Weltfrauenkonferenz in Nairobi im schönen Kenia (Third-World credibility!) gipfelte. Da unten bei den Negern mußten sich die Repräsentantinnen der gemäßigt-vernünftig-feministischen Sache ja auch wohlfühlen, denn an dem klassischen Lennon/Ono-Statement hat sich nichts geändert: „Woman Is The Nigger of The World“. Die klassenbewußte Feministinnenzeitschrift „Der Spiegel“: „Um das Schicksal der Frauen nun endgültig zum Besten zu wenden, sollten ‚vorausblickende Strategien für das Jahr 2000‘ verabschiedet werden – nur konnten sich die Regierungen bis zum Beginn der Konferenz nicht einmal über das Abstimmungsverfahren einigen.“

Nur in der ersten Welt der ersten Welt der ersten Welt, was die Kunstwelt ist, hat die Dekade der Frau Erfolge gezeitigt: Inzwischen gibt es nicht nur wie schon in den USA, sondern auch in der BRD eine Schwemme von Galeristinnen, die während besagter Dekade an Macht und Ansehen gewonnen haben. Daran, wie und ob sie ihren Einfluß ausüben, sollte man erkennen können, ob kleine Reparaturarbeiten am System vielleicht doch größere Veränderungen bewirken.

DIE MUSE

Die Funktion der Frau in der Geschichte der Kunst war, wenn es hochkam, die eines ästhetischen Opinion-Leaders, und zwar wenn sie Gertrude Stein hieß, Haare auf den Zähnen hatte und frühzeitig gewußt hatte, daß Hemingway ein Arschloch und Picasso ein geniales Schlitzohr war. In der Regel jedoch bewegte sie sich zwischen Muse, möglicherweise gar mit eigenem künstlerischen Ehrgeiz, den die Renoirs und Utrillos dieser Welt zu bremsen wußten, wie im Falle Suzanne Valadon, Modell und Gefährtin für alles wie Kiki de Montparnasse, mütterlicher Mäzen wie Peggy-Ich-habe-alles-gelebt-Guggenheim oder als professionelle von Berühmtheit zu Berühmtheit weitergereichte Künstlergattin wie Gala Eluard, Alma Mahler-Werfel oder Claire-Ich-habe-Kokoschka-Erdbeertorteletten vorbeigebracht-Goll, die aber auch nur dann in die Geschichte eingegangen sind, wenn sie saftige Memoiren hinterlassen haben, die die Welt aus der klassischen Frauenperspektive, Schlafzimmer und Küchenblick, betrachten. Was sie zwar gerade im Sinne einer materialistischen Geschichtsbetrachtung nicht unwichtig macht (schon der Künstler und Frauenkenner Werner Büttner wußte: „Die Männer schreiben auf, was gut und wichtig war, die Frauen, was sonst alles noch so passierte.“), die betreffenden Frauen werden aber vor dem Gericht der bürgerlichen Geschichtsschreibung allenfalls als Zeuginnen (Memoiren) oder Beihilfe Leistende (Torteletten, Goll; Dollars, Guggenheim), gehört, nie als Täter. Die mit der Pop-Art stark gewordene US-Galeristinnen-Generation (Ileana Sonnabend, Marian Goodman, Holly Solomon und ihre Nachfolgegeneration Barbara Gladstone, Mary Boone, Paula Cooper, Annelie Juda) markiert das erste massierte Auftreten weiblicher Subjekte der Kunstgeschichte. Denn in dem Moment, wo die Hauptstadt des Kapitalismus auch vorübergehend die Hauptstadt der Kunst war, bestand die Gelegenheit, die klassischen Vorschriften, wem und wie der Zugang zum Diskurs erteilt wird, durch einen pragmatischen Ökonomismus zu umgehen. Zu welchem Guten auch immer, diese Frauen hatten nicht nur Spaß an guten Ideen, guten Gesichtern, gutem Willen und guten Bildern, sondern auch an gutem Geld.

DIE DEUTSCHE

Obwohl hierzulande der Warencharakter der Kunst noch immer durch eine Vielzahl institutionalisierter Rituale verbrämt wird und sich nur auf Messen in seiner ganzen geilen Obszönität zu präsentieren wagt, hatten die New Yorker Vorbilder, ein kräftiger Schuß Kultur-Feminismus sowie die an höheren Töchtern in den liberalen Frühsiebzigern verstärkt vorgenommene Ausbildung zum ästhetischen Opinion-Leader und die Offenlegung des Spekulationscharakters der Kunst durch die wilde Malerei dazu beigetragen, daß in den letzten Jahre auch in der BRD Galeristinnen verstärkt in Erscheinung traten und Ansehen eroberten, daß ein Zugang für jedermann zur Kunst geschaffen wurde, bei gleichzeitigem Ausfallen des feuilletonistischen Überbaus, der für Frauen noch verbauter ist, Frauen werden von der Sinnstiftung eher ausgeschlossen als vom Warentausch. Die Bewegung setzt sich im Kern aus 30-40jährigen zusammen und ist in ihrer Gesamtheit bereits von Martin Kippenberger, Albert und Markus Oehlen, Werner Büttner und Georg Herold in ihrer Gemeinschaftsproduktion „Portraits deutschsprechender Galeristinnen“ zutreffend zusammengefaßt worden. Denn was haben diese Wesen sonst gemeinsam, außer, daß sie deutsch sprechen (verschiedene Dialekte) und Galeristinnen sind.

DIE GESCHICHTE

Oder haben sie doch mehr gemeinsam? Sind sie ein neues historisches Phänomen, ein charmanter Schlenker spätkapitalistischer Kulturgeschichte? Und wissen sie das? Weiß der Schlenker, daß er Schlenker ist?

Auch wenn Dr. Ursula Schurr einräumt, „Frauen treten heute viel selbstbewußter (im Kunsthandel) auf“ und Ulrike Schmela sich explizit auf Ileana Sonnabend, Paula Cooper und Denise René beruft („alles tolle Frauen, alle knüppelhart“), ist doch das meistgehörte Statement: „Galeristinnen? Die hat es doch schon immer gegeben.“ Ja, Baby, aber nicht in dieser Menge und nicht so exponiert. Und wenn die Frauen, wie Engels meint, die erste unterdrückte Klasse waren, bedeutet dann nicht jede, auch noch so winzige Eroberung von Macht eine historische Chance mit allen dazugehörigen Verantwortlichkeiten? Unsere Galeristinnen wollen davon in der Regel nichts wissen. Der Verweis auf jenes dunkle „immerschon“ entbindet sie von konkreten, historischen Aufgaben und ermöglicht es ihnen, ihren Ehrgeiz im Rahmen des „Cosmopolitan“-Feminismus auszuleben: den Job so gut machen wie ein Kerl. Simone de Beauvoir wußte schon 1949: „Sie sucht Karriere zu machen, wie andere sich ein Glück aufbauen. Sie bleibt vom männlichen Universum beherrscht, durchdrungen, sie hat nicht die Kühnheit, seine Decke zu durchstoßen, sie verliert sich nicht leidenschaftlich an ihre Entwürfe … Sie zielt nicht auf ein Objekt, sondern im Objekt auf einen subjektiven Erfolg ab. Eine solche Haltung fällt unter anderem bei den Amerikanerinnen besonders auf. Sie haben gern einen Job und beweisen, daß sie ihn korrekt durchführen können. Sie begeistern sich aber nicht für den Inhalt der Aufgaben.“ Quod erat demonstrandum: Die Amerikanerin sichert sich durch professionelle Aneignung des ökonomischen Diskurses (Haare auf den Zähnen!) den Zugang zum ästhetischen Diskurs. Die deutschen Galeristinnen befinden sich bei ihrer Reprise dieses Vorgangs offensichtlich wohl noch im ersten Stadium. Oder nicht? Monika Sprüth sagt es nämlich präzise: „Der Kunstmarkt ist eines der verworfensten Geschäfte überhaupt, eigentlich zu 100% Spekulation, ähnlich dem Immobilien-Markt.“ Und das wollen sie, mit mehr oder minder ausgeprägten inhaltlichen Vorstellungen, erstmal bewältigen. Alle sind sich einig, daß man zunächst mal die wirtschaftliche Seite beherschen muß und nichts ist so verpönt wie Freizeit-Galeristinnen. Aber gerade dieses zunächst nur formale Bessermachenwollen setzt bei den herrschenden Zuständen Energien frei, die letztlich auch inhaltlich verwertbar wären. Das hingebungsvolle Bewältigen eines nach fremden Gesetzen organisierten Aufgabenparcours erzeugt eine produktive Reibungshitze. Ulrike Schmela: „Ich glaube, daß man als Frau, wie das in allen Berufen ist, sich immer noch mehr anstrengen muß. Und dann wird einem vorgeworfen, man wäre ein Biest, wenn man sich durchsetzt. Bei Männern würde man das nicht sagen. Da heißt es: ‚Der ist knochenhart‘. Aber bei einem Mann ist das immer noch positiv gemeint. Wenn aber eine Frau knochenhart ist, das ist ganz schlecht. Das ist dann eine ganz fiese Alte …“

DIE SENSIBILITÄT

Philomene Magers spricht am differenziertesten aus, was eigentlich alle Galeristinnen, die wir getroffen haben, als den spezifisch weiblichen Vorsprung bei der Arbeit mit Kunst ausgeben: „Ich glaube, daß Frauen sehr gut dazu geeignet sind, besonders mit jungen Künstlern umzugehen. Frauen haben einfach ein größeres Einfühlungsvermögen. Ich würde nicht sagen, daß das grundsätzlich so ist, aber Frauen sind in der Regel einfach so erzogen worden, daß sie sich besser auf etwas einlassen können.“ Die Rhetorik des Sich-Einlassens, der Offenheit gipfelt meistens im Bekenntnis zum Außenseiter, zum (demonstrativ) Abwegigen. Philomene Magers hat zum Beispiel auf dieser Schiene sehr früh Maler wie Walter Dahn und Markus Oehlen ausgestellt, sich aber später, als diese bei Maenz und anderen groß wurden, wieder der mittlerweile abwegig gewordenen Video-Kunst zu gewendet, anti-zyklische Arbeit. Ulrike Schmela: „Ich finde gut, was gegen den Strom geht. Das zahlt sich aus auf lange Sicht.“ Six Friedrich betont, daß es ihr egal ist, wenn ein Künstler, an dem sie hängt, von der In-Group nicht geschätzt wird, wie etwa Siegfried Anzinger: „Ich habe viel Sinn für das verspielte Österreich.“ Mechthild von Dannenberg: „Manchmal bin ich gezwungen, Entscheidungen intuitiv zu fällen.“ Lou Andreas-Salome (1910): „In der Tat ist es der Frau schwer, eine immer weiter geradeaus laufende Linie zu verfolgen, nicht abzuspringen, nicht einen plötzlichen Impuls zur Geltung zu bringen, nicht am Wechsel Freude zu haben. Aber alles dies, was sie zu so vielem untauglicher macht als den Mann, beruht darin, daß sie nicht umhin kann, von jeglichem nur aufzunehmen, was sie nährt, was sie belebt, was sich assimilieren und zum Leben zurückverwandeln läßt. Daher auch im Weibe das Verständnis für Dinge die dem Verstand als solchem nicht plausibel zu machen sind; sie kann viel mehr Widersprüche in sich aufnehmen und organisch verarbeiten, wo der Mann dieselben erst theoretisch ausmerzen muß, um mit sich zur Klarheit zu kommen.“ Dem fügen wir hinzu: Die Wechselhaftigkeit des Weibes hat den Vorzug, daß sie, das Weib Galeristin, mehr als jeder in konzeptuelle Zwänge verstrickte Mann zum Talent-Scout befähigt ist. Fast alle Galeristinnen, die wir sprachen, sind Entdeckerinnen. Die Magers wollte ursprünglich Archäologin werden. Der Nachteil ist, daß die Einfühlsamkeit Persönliches über Ästhetisches stellt, der individuelle Weg ist ein Weg in die Breite, ein Verzetteln, ein Verzicht auf Macht und Einfluß zugunsten persönlicher Befriedigung, auf strategische Entscheidungen, die immer reduzierende sind, Teile und herrsche! Mechthild von Dannenberg: „Das habe ich so hart es klingt jetzt erst begriffen, wie stark der Anteil an politischem und strategischem Denken sein müßte, um in diesem System zu reüssieren.“ Mutige Galeristinnen, die ihren Vorlieben bzw. der Entscheidung mit dem Big-Business nichts zu tun haben zu wollen, besonders konsequent folgen, wie Tanja Grunert im ersten und Philomene Magers im zweiten Fall, beklagen, möglicherweise weil ihnen ihre Freiheit inzwischen zu weit geht, das Theoriedefizit der aktuellen Szene, die Intellektuellenfeindlichkeit in Köln (Grunert) und die Abwesenheit einer apodiktischen Kritik, wie sie zuletzt von Georg Jappe verkörpert wurde.

DIE VERMITTLUNG

Tom Wolfe (1975): „Heutzutage gibt es eine ganz besonders moderne Gegenleistung, die der Avantgarde-Künstler seinem Wohltäter zuteil werden lassen kann: nämlich das Gefühl, daß er, der Sammler (Mäzen, Wohltäter) genau wie sein Kumpel der Künstler, von der Bourgeoisie getrennt und über sie erhaben ist, das Gefühl, daß er zwar aus der Mittelschicht stammt, aber nicht mehr ein Teil von ihr ist, das Gefühl, daß er ein Kriegskamerad, ein Helfer im Feld oder ein Vietkong-Guerrillero ehrenhalber ist, beim Avantgarde-Marsch durch das Land der Philister. Dies ist ein besonders modernes Bedürfnis und eine besonders moderne Erlösung: von der Sünde zu viel Geld zu haben, nämlich.“

Vero Munro: „Der Beruf einer Galeristin ist eine Art Agententätigkeit. Wir müssen vermitteln zwischen zwei Fronten, einerseits den Künstlern, andererseits dem Establishment. Das erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl. Ich glaube, daß Frauen das besonders gut können.“ Da ist es wieder, unser Freund, das weibliche Fingerspitzengefühl; doch diesmal tritt es in einer anderen Rolle auf, nicht um den jungen Künstler zu finden, zu begießen und sich an seinem Gedeihen zu weiden, sondern um auf dem glatten Parkett der Diplomatie zwischen Bourgeoisie und Underground, zwischen sich subjektiv immer als Rebell dünkenden Künstler und einer Bourgeoisie, die sich im Ankaufen von Kunst immer wieder versichern muß, daß sie alles, was vom Underground, von der anderen Seite etc. kommt, wenn schon nicht verstehen, so doch zumindest kaufen kann.

Doch das Parkett ist breiter geworden. Von einem Galeristen wird heute ganz allgemein mehr das Talent zum mit Gemischtwaren handelnden Allround-Diplomaten verlangt, als die Eigenschaften eines beinharten Ex-Cathedra-Verkünders und Herausforderers einer Richtung. Was wir bedauern. Er muß nicht nur zwischen zwei Welten (Avantgarde/ Bourgeoisie), sondern zwischen allen möglichen Facetten der bürgerlichen Gesellschaft vermitteln. Nicht mehr das strenge, gedankliche Konzept macht den modernen Galeristen aus, sondern seine Wendigkeit, die verschiedensten Künstler und die verschiedensten Sammler, – von denen, die immer noch die heroische Tat, die wahre Avantgarde zu fördern, begehen wollen, bis zur neuen Generation, die die Praxis mit Tannert und den Garten mit Rückriem dekoriert, – unter einen Hut zu bringen. Diese Situation kommt den Frauen entgegen.

Sieh es Dir doch an! Vergleiche die Situationen! Eine Eröffnung bei Max Hetzler. Mürrisch und starr in der Loft-Landschaft aufgepflanzt, die Künstler, die Sammler, der Galerist, die Bilder. Ungemütliche, eratische Blöcke, die alte Avantgarde-Spannung. Unvermittelte Widersprüche, plötzlich aufbellendes Gelächter, dann wieder Stille. Dagegen besuche eine Eröffnung von Monika Sprüth, die dabei noch eine der herberen Persönlichkeiten unter unseren Objekten ist, eine, die noch relativ fest umrissene Zielvorstellungen hat: hier fühlt sich das neue Kunstpublikum wohl. Oft harren die Besucher Stunden aus, flöten sich Nettigkeiten ins Ohr, während Galeristin, Künstler und Sammler (und auch die Bilder) wie Bienen von Blüte zu Blüte schwirren und den Honig genüßlich auflecken.

DIE VERA (MUNRO)

Tochter eines Hamburger Geschäftshaushalts. Vater: „Kunst = Flausen“. Kaufmännische Lehre. Fotomodell, Moderatorin, Synchronisatorin. Motiv: „Immer schon starkes Kunstinteresse, ich habe immer schon gesammelt.“ Finanzierung: „Mit dem Geld, das ich als Modell verdient habe, habe ich die Galerie finanziert. Ich habe zwar auch einen Mann, aber das hat nichts damit zu tun. Ich hätte da auch unabhängig von meiner Ehe gemacht.“ Besonderheiten: Im kunstfeindlichen Hamburg an exponierter Stelle, mit teilweise missionarischen Aufgaben betraut, was die Durchsetzung einer Avantgarde-Galerie betrifft: „Wir können uns heute gar nicht mehr in die Situation versetzen, daß in Hamburg damals jeder seinen Wunderlich und seinen Bruno Bruni an der Wand hatte. Die Leute haben mir ins Gesicht gelacht.“ Weitere Besonderheiten: „Zunächst hatte ich alles gegen mich. Denn Fotomodell gewesen zu sein, paßt nicht in die Kunstwelt. Ich habe einmal – das war eigentlich ganz blöd – eine CD-Werbung gemacht. Die haben so irrsinnig viel Geld gezahlt, daß ich dachte, das mußt du machen. Da haben die gesagt: ‚Eine Galeristin hat kein langes Haar und keine Locken.‘ So war das Bewußtsein.“ Heute, wo der ganze Kunstbetrieb immer größere Ähnlichkeiten mit der Pop-Szene bekommt und auftrittssichere Stars braucht, kommt Vera Munro möglicherweise zugute, was sie als Modell gelernt hat. Programm: eine relativ sichere Mischung aus alten und neuen, auch außerhalb Hamburgs relativ bekannten Namen. Kolleginnenstimme: „Die Six läuft auch mal mit ’ner Laufmasche rum, das ist der egal. Bei der Vera Munro wär’ das undenkbar.“

DIE MECHTHILD (VON DANNENBERG)

Tochter des Düsseldorfer Kunsthändlers Conzen. Studium der Kunstgeschichte, Galeriearbeit in München, seit zwei Jahren Partnerin von Ascan Crone in der Galerie Crone in Hamburg, verheiratet, zwei Kinder. Nicht nur dadurch als moderne Galeristin atypisch. Schätzt den Auftritt in der Öffentlichkeit nicht, überläßt die Künstlerbetreuung in Kneipen ihrem Partner Ascan Crone: „Diese ganzen Veranstaltungen finde ich auch immer mehr überflüssig.“ (Reisen, Saufen, Eröffnungen, Köln). Besondere Kennzeichen: „Ich habe noch von früher ein Interesse an strengen Sachen, das zwar auch in die Galeriearbeit eingeht, aber noch nicht nach außen dringt. Es herrscht ja auch so ein Kästchendenken, es ist offenbar sogar schockierend, daß hier jetzt Video zu sehen ist.“

DIE ULRIKE (SCHMELA)

Tochter und Nachfolgerin des großen alten Mannes der Avantgarde Alfred Schmela, Studium der Malerei bei Gerhard Richter, 1980 die väterliche Galerie übernommen, von der Mutter angelernt. Galerie weiterhin Familienbetrieb. Schaltet keine Anzeigen in der Kunstpresse und glaubt auch nicht an die „neuen“, von Medien gemachten Künstler.

Programm: Mischung aus alt und neu, bei weitgehender Umgehung der neuen Malerei. Enger Kontakt zur Düsseldorfer Akademie („Der entscheidende Vorteil, den Düsseldorf gegenüber Köln hat: die Akademie“). Pflege der klassischen Tradition der Galerie, bei starkem Interesse an neuer Skulptur. Realistisch, pragmatisch, professionell: „Man muß unterscheiden: Es gibt einige Galeristinnen hier in Deutschland, die das Geschäft ernsthaft betreiben und unheimlich viele, die machen das nur nachmittags. Unprofessionalität finde ich ganz schlimm. Eine Galerie ist ein kaufmännisches Geschäft, da muß man um zehn Uhr morgens reingehen und etwas kaufen können. Professionelle wissen, wie die Spielregeln sind. Ich kenne keinen Mann, der seine Galerie nur als Hobby betreibt. Mir macht alles hier Spaß. Aber man muß natürlich Erfolg haben, denn sonst macht es keinen Spaß.“ Kolleginnenstimmen: „Ich finde es gut, wie die sich durchsetzt.“ „Mit der verstehe ich mich gut, die hat Humor.“ „Der Vater war gut, was die Tochter macht, das können Sie vergessen.“

DIE TANJA (GRUNERT)

Berufswunsch: Krankenschwester. Siebdruckerlehre in Stuttgart, aktiv in intellektuellen Zirkeln und Verlagen. Übersetzungen. 1979 erste Galerie mit Max Müller in Stuttgart in den Räumen von Ursula Schurr. Seit ’81 eigene Galerie, seit 84 in Köln. Beschreibung ihres Berufs: „Verwalten, Reden, Sehen!“ Steht auf „Hardcore-Konzeptkunst“. Amerikanophil: mag Bruce Nauman, Lawrence Weiner, Frank Stella, Ed Ruscha; findet Vorbilder für sich selbst auch nur in Amerika: Ileana Sonnabend, Marian Goodman, Paula Cooper. Beklagt Theoriedefizit und vermißt die Stuttgarter Intellektuellenzirkel: „Da kam neulich einer an und wollte mir was von Blanchot erzählen. Das haben wir doch schon vor fünf, sechs Jahren durchgearbeitet.“ Schätzt die Zusammenarbeit mit gegensätzlichen Galerien (Maenz, Sprüth). Gibt an, noch nie eine frustrierende Ausstellung gemacht zu haben. Ziel: „3000 Mark netto nur für mich zum Ausgeben.“ Hat Schwierigkeiten mit der Malerei und schätzt eigentlich nur alte Meister wie Vermeer, Caravaggio und Piero Della Francesca. Hitliste (deutsche Künstler): Polke, C.O. Paeffgen, Michael Buthe. Vermißt Mut und Auseinandersetzung in der Kunstkritik: „Kein Schwein traut sich irgendwas.“ Kolleginnenstimmen: „Eine Galeristin, die gut ist? Tanja Grunert: a) weil sie Dinge ausstellt, die keiner macht, b) weil sie eine Persönlichkeit ist, weil sie mutig ist, obwohl ‚Endart‘ verstehe ich wirklich nicht. Das ist doch der letzte Scheiß.“

DIE MONIKA (SPRÜTH)

Architektin, Städteplanerin, wollte aber ursprünglich Künstlerin werden und hat die späteren Galerieräume eigentlich als Atelier für sich gemietet. Motiv: „Die Kunst ist ein Bereich, der frühzeitig gesellschaftliche Widersprüche aufzeigt. Die neue deutsche Welle in der Musik war nach der Studentenbeweung für mich erstmals wieder so ein Aha-Erlebnis. Da dachte ich, daß man das weiter verfolgen muß.“ Galerie existiert seit fast drei Jahren. In kurzer Zeit sehr erfolgreich: „Ich gehe an Kunst nicht so emotional heran wie viele Frauen in dem Geschäft. Ich will das professionell durchziehen. Das Privatleben geht dabei aber den Bach runter. Man kann sowas nicht machen, wenn man verheiratet ist und Kinder hat.“ Ehrgeizig. „Man hat mich oft mit Mary Boone verglichen. Aber außer, daß ich auch ehrgeizig bin, habe ich nichts mit der zu tun.“ Als eine der wenigen dezidiert links: „Der Frontenwechsel (zur Unternehmerin) war schwierig für mich. Plötzlich steht man auf der anderen Seite und versucht dennoch seine Ideen aufrecht zu erhalten. Ich glaube aber nicht, daß ich meine Grundhaltungen gegenüber dem Leben und der Gesellschaft verändert habe. Ohne die Studentenbewegung wäre ich nicht in der Lage gewesen, ein Konzept für eine Galerie zu entwickeln, ohne diese Tradition alles zu hinterfragen.“ Vorbild: Konrad Fischer. Hat das Ziel, die interessanteste Kunst aus der eigenen Generation zu zeigen, glaubt, das aber nur eine Zeit lang machen zu können: „Man hat ja nur eine bestimmte Phase als Galerie, wo man wirklich interessant ist.“ Hat als einzige einen festen Stamm von Künstlern wie die wichtigen Männer-Galerien, was damit zu tun haben kann, daß sie nicht wie so viele andere Frauen auf Außenposten in der Diaspora sitzt: „Durch Köln wird man mehr gezwungen, eine besondere Position zu erreichen.“ Köln läßt weniger Breitenausdehnung zu. Zur Galeristinnensolidarität: „Das Geschäft wird von Männern beherrscht und da kannst du mir noch so viel erzählen von den tollen Galeristinnen. In Amerika ist das anders. Aber in Deutschland … Wenn ich nach Galerien gefragt werde, dann nenne immer die Tanja, Wilkens/Jacobs oder Bärbel Grässlin, denn die Männer unterstützen sich ja auch auf ganz natürliche Weise untereinander.“ Kolleginnenstimmen: „Meine Lieblingsgaleristin!“ „Ach die mit ihrer Mickey-Mouse-Kunst!“

DIE PHILOMENE (MAGERS)

Wollte immer schon Galeristin werden oder Archäologin. Verheiratet, ein Kind. Typische Außenposten-Galerie in Bonn mit allerdings sehr eigenem, heterogenen Programm: „Ich möchte auch mehr handeln. So ist das nicht. Aber nicht auf Kosten von Künstlern. Ich möchte gerne verkaufen, aber ich stelle aus, was ich gut und richtig finde. Ich glaube auch, daß Künstler ausgebeutet werden, wenn sie ständig verkaufen, ständig im leeren Atelier stehen, weil sie alles verkauft haben, vor leeren Leinwänden. Ein Künstler muß doch Arbeiten aus allen Lebensphasen um sich haben, um das hinterfragen zu können, was er gerade macht.“ Philomene Magers eröffnete ihre Galerie 1972 mit der ersten Ausstellung von Klaus Staeck. Sie hat zwischendurch Leute wie Dahn und Markus Oehlen gezeigt, als die noch jung und unbekannt waren, um dann zur Zeit des Maler-Booms die ersten Ausstellungen von Video-Künstlern wie Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach zu machen.

DIE BÄRBEL (GRÄSSLIN)

Stammt aus einer traditionsreichen Sammlerfamilie. Langjährige Partnerin von Max Hetzler in Stuttgart und Köln. Seit vier Monaten eigene Galerie in Frankfurt: „Ich wollte ins kalte Wasser springen. Frankfurt ist eine Stadt mit einer kulturpolitischen Atmosphäre, wo was passieren könnte.“ Betrachtet die Galeriearbeit als erzieherische Tätigkeit. Hat mit hetzlernahen Künstlern begonnen, um jetzt auch ganz andere Sachen zu machen. Um ein Profil auszumachen, ist es noch zu früh, die werten Kolleginnen setzen jedoch einstimmig größte Hoffnungen in sie.

DIE URSULA (DR. SCHURR)

Promovierte Kunsthistorikerin und Sammlertochter, Vater war auch Freizeitgalerist und die Tochter übernahm die Galerie 1977. Gemeinsame Aktivitäten mit den Galeristen Max Hetzler und Hans-Jürgen Müller, die in der Europa-Ausstellung in Stuttgart gipfelten: „War für mich und Hetzler der Anfang.“ Hat sich dann ganz auf junge Künstler umgestellt. „Ich wollte immer die Dinge zusammenführen.“ Daher macht sie viele Gruppenaustellungen und viele Malerei-Skulpturen-Mischungen. „Ich versuche, eine breite Information zu geben.“ Mittlerweile ganz allein in Stuttgart und von allen Außenpostengaleristinnen die missionarischste, sieht sich in einem kulturpolitischen Zusammenhang und hat daher auch keine Lust, woanders hinzugehen. Über Frauengalerien: „Macht haben sie nicht. Es gibt zwar zahlenmäßig mehr, aber die größten gehören noch den Männern, es gibt jedoch einen neuen Frauentyp, z.B. eine Galeristin wie Tanja Grunert, sie sich engagiert für eine Sache einsetzt. Auch Monika Sprüth gehört dazu. Wir müssen gleichzeitig alle gute Geschäftsfrauen sein, sonst gehen wir unter. Ich glaube, daß es auf eine Gleichberechtigung wie in New York hinausläuft.“ „Wirkt sich das auch ästhetisch aus?“ „Daran glaube ich nicht.“

DIE SIX (FRIEDRICH)

Mitbegründerin der legendären Galerie Friedrich. Seit ein paar Jahren alleine als Galeristin in München. Geschieden, zwei Kinder, die bei Ex-Mann Heiner (Dia Art Foundation) in New York sind. Glaubt daran, daß weiblicher Kunsthandel auf die Dauer Einfluß auf ästhetische Entwicklungen hat. Typ der wechselhaften, den eigenen Vorlieben frönenden Galeristin. „Ich habe die erste Disler-Ausstellung in Deutschland gemacht. Habe hier auch viel angefangen, das ich dann nicht mehr durchgezogen hab.“ Inzwischen meint sie, daß man ein strengeres kommerzielles Konzept braucht. Verlangt aber ein eigenes, enges, sinnliches Verhältnis zu dem, was sie zeigt: „Mich interessiert sowieso sehr das Dekorative: Man muß die Sachen anpacken können. Jemand wie Schulze ist für mich derart überragend …“ Sie ist ein warmherziger, expressiver Typus. Kolleginnenstimme: „Wenn sie unbegrenzt Geld hätte, dann wäre sie Peggy …“

DIE SOLIDARITÄT

Vorwärts und nicht vergessen. Haben Frauen Klassenbewußtsein? Sind Galeristinnen solidarisch? Zum Beispiel gegenüber anderen Galeristinnen? Im Prinzip ja. Zum Beispiel, wenn man sich nicht in die Quere kommt wie Monika Sprüth und Tanja Grunert. Ein bekannter Kölner Künstler: „Unter denen gibt es ein entsetzliches Gehacke.“ Ulrike Schmela: „Mit Frauen kann es besonders schwerig sein, weil sie immer alles so persönlich nehmen.“

Und solidarisch mit Künstlerinnen? Wird durch die Galeristinnenschwemme nun endlich im Handstreich, zumindest für die Kunstwelt, der erste Klassenkonflikt der Menschheit beigelegt? Vera Munro: „Ich finde, dieses permanente Gelaber zur Frauenproblematik hält nur auf.“ Tanja Grunert: „Künstlerinnen sind einfach zu schlecht. Das sieht immer aus wie Hausgemachtes. Nur in der Fotografie haben Frauen was geleistet, weil sie sich einen neuen Bereich erobern konnten.“ Six Friedrich: „Ich bin eher geneigt, einer Frau oder einem ganz jungen Künstler eine Chance zu geben. Ich glaube aber nicht, daß es ein Vorurteil gegen Frauen gibt, sondern, daß das Problem in der Qualität der Frauen liegt.“ So weit die übliche Mischung „Goodwill and bad results“. Sie würden schon gern, aber das Thema ist entweder unerfreulich oder erledigt oder, das hört man am meisten, Frauen machen, aus welchen Gründen auch immer, einfach keine gute Kunst. Die Verhältnisse sind halt nicht so … Ulrike Schmela hat als einzige auch einen pragmatischen Gedanken zu diesem Thema: „Bei Frauen muß man ziemlich aufpassen. Die heiraten dann, kriegen Kinder und haben vielleicht noch einen Mann, der Künstler ist. Ja, wenn die drei Pänz am Bein haben, kommen die einfach zu nichts mehr. Dann fragen die Sammler: was macht die denn? Und man muß antworten: Die hat Probleme und so weiter. Und wer will das hören?“ Ulrike Schmela versteht eben genausoviel von der Basis wie vom Überbau.

Monika Sprüth ist die einzige, die ihre Galeriearbeit explizit mit einem feministischen Anspruch begonnen hatte: „Meine Hauptidee war die Sache mit den Frauen und längerfristig bleibt es das auch. Hätte ich aber angefangen mit Frauen … Es ist nunmal ein Geschäft und das wollte ich professionell durchziehen.“

Denn so ist es doch: Wenn das wechselhafte Weib seine eigene Wechselhaftigkeit erfolgreich bekämpft und beseitigt hat, will es nicht plötzlich schon wieder mit der überwundenen eigenen Schwäche in Form einer weiblichen Künstlerin behelligt werden, sie wird stattdessen, einmal das Blut des Profitums geleckt habend, professioneller und zielstrebiger als die Männer. Das Maggi-Thatcher-Syndrom tritt ein. Eine Lady an der Macht ist immer eine eiserne Lady. Kein Wunder, daß es da viele vorziehen, obwohl sie das Gegenteil predigen, in ihren Außenposten-Galerien sich ein gerüttelt Maß Verspieltheit zuzugestehen. Es ist bezeichnend, daß die Galeristinnen mit Hardcore-Frauenkunst genausowenig zu tun haben wollen wie mit Hardcore-Wilden-Männern. Die einzigen Maler, die immer wieder genannt werden, sind liebe Typen wie Walter Dahn, Markus Oehlen und Andreas Schulze. Ihr Idealkünstler aber ist der gut gekleidete, dezente, neue Typ, verspielt, ruhig, auch ein wenig homosexuell, auf dem großen, breiten, diplomatischen Parkett ebenso wendig und amüsant wie sie selber, der gerne mal auf ein Gläschen Champagner vorbeikommt und zu plaudern versteht wie die eigene Mutter.

DIE FORDERUNG

Die feministische Sache, als Sub-Gegenstand der von den neuen Linken ausgehenden Forderungen, ist in den 70ern durch ein Jammertal metaphysischer Peinlichkeiten hindurchgegangen, wie auch allgemein die Sache der Linken zur Sache der Grünen degenerierte. Doch heute ist nicht nur das allgemein Politische zurückgekehrt (auf eine andere Art), haben es Künstler verstanden, die Notwendigkeit von Inhalten und Standpunkten zurückzuerkämpfen. Heute ist, auf einer anderen Ebene, auch der feministische Inhalt wieder notwendig, und es gibt wieder Künstlerinnen, die zumindest die Notwendigkeit eines entsprechenden Diskurses zum Ausdruck bringen. Dies ist der Punkt, wo die Galeristinnen anknüpfen müßten. Doch die Verspielten, mit ihrem Angebot in der Breite das Heil suchenden, scheuen den klaren, unmißverständlichen Standpunkt, die Engagierten, wie Monika Sprüth, sind gerade den Zwängen ihrer Professionaltät unterworfen.