Es funktioniert überall, bald rastlos, dann wieder mit Unterbrechungen. Es atmet, wärmt, ißt. Es scheißt, es fickt. Das Es …
So beginnt Gilles Deleuzes und Félix Guattaris erstes großes Buch, Anti-Ödipus, 1976 bei Suhrkamp erschienen. Für viele die Erlösung in einer Zeit, in der Philosophie und Denken in Leichenstarre verfallen zu sein schienen. Mitten in der Öde von weltfremdem Hippie-Geschwärme und orthodoxen, rigiden Spätlinken. Für andere ein verwirrendes Buch, das den Anspruch der Wissenschaftlichkeit, den die Publikation in der Reihe „Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft“ suggeriert, nicht einlöst. Inspiriert vom Anti-Ödipus wurde unter anderem eins der faszinierendsten deutschsprachigen Bücher der letzten Jahre: Klaus Theweleits Männerphantasien.
Gilles Deleuzes Sprache hat sich in vielen Arbeiten der spätstrukturalistischen Literaturwissenschaft gebildet. Im Laufe ihrer Verfeinerung ist sie an den Punkt gestoßen, an dem die Komplexität der exakten Begriffe und ihrer Definitionen in ein quasi-poetisches Umgehen mit Syntax und Wort übergeht. Félix Guattari kommt aus der französischen Psychoanalyse-Schule und ist ähnlich wie Deleuze im Laufe seiner Arbeit, vor allem der praktischen in einer „freien“ Klinik, an die Grenzen des wissenschaftlichen Diskurses gelangt. Anti-Ödipus ist alles: Literatur und Theorie, ein in alle Richtungen wucherndes Buch.
Mißverständnisse und Verwirrungen nahmen die beiden Autoren zum Anlaß, die Vorrede zum zweiten Band des Anti-Ödipus, der bis heute nicht erschienen ist, isoliert zu veröffentlichen. Rhizom spricht in alltäglicher, dennoch typischer Sprache von der Methode des Wucherns, davon wie die Arbeit der beiden entstanden ist, wie sie weiterlaufen wird, wie sie funktioniert.
Wer dieses Buch liest, hat es leichter mit Anti-Ödipus und schützt sich selbst vor den teilweise peinlichen Mißverständnissen, zu denen es in Spontikreisen geführt hat. Daß Anti-Ödipus endlich bekannt wird, ist zu wünschen, so bekannt wie in Paris, wo es seit Jahren eins der wichtigsten Bücher überhaupt ist. „Wir lesen und schreiben nicht mehr in der herkömmlichen Weise. Es gibt keinen Tod des Buches, sondern eine neue Art des Lesens!“
Merve Verlag Berlin, 6 DM
