„Back in 1968 I was a little boy / listening to the radio.“ Und trotzdem sieht niemand von der Gruppe Green On Red auch nur einen Deut moderner aus als – sagen wir – Ray Manzarek zu der Zeit, als sein Backenbart in voller Blüte stand. „We’ve never been to Vietnam.“ Darunter leiden Green On Red, denn ihr Metier ist diese leidenschaftliche Zeitgenossenschaft, die man in der Pop-Musik vorwiegend in den späten 60er Jahren gehabt hat. Und sie können nicht nur singen wie Dylan. Zu den verschiedenen Spätsechziger Stilen, die sie perfekt beherrschen, zählt der Bob-Dylan-plus-Al-Kooper-Sound der mittleren 60er.
Doch im Gegensatz zu so manchen anderen, die in den letzten fünf Jahren entdeckt haben, daß es so etwas wie ein goldenes Zeitalter der Popmusik in den 60er Jahren gegeben haben muß, beschränkt sich Green On Red nicht auf die Gegenstände dieser verflossenen Epoche. Höchstens mal ex negativo: „We’re not Beat / We’re not hip / We’re the Brave Generation / what a trip!“
Nölen war cool, als rundherum die Blumen explodierten und jeder sein eigener kleiner Hitzkopf, Guru, Revolutionär und Prediger war. Dylan, den sie alle zum Oberprediger wollten, nölte eben den Ton des ewigen literarischen Skeptizismus. Aber dank dieser Kalifornier, die die ewig gültigen Seiten beider großer Nöler dieses Jahrhunderts, Dylan und Reed, miteinander zu verbinden verstehen, wissen wir heute: Nölen kann cool sein.
Erstens: Green On Red verlassen sich bei ihren Songs nicht auf die Aura ihrer sehr auffälligen Attitüde – schlampertes Aussehen, lange Haare und alle Ingredienzen der Nicht-Entwicklung sind neuester Stand der Entwicklung. Sie bestehen für sich, so melodisch, so sonnig abgehangen, so langsam, so attraktiv befriedigt gegen Ende auseinanderbrechend, so süß und cool. Und zweitens: Green On Red sind so ernst, so rührend, ergreifend ernst und seriös.
Jeder Text scheint ausschließlich auf Beobachtungen zu beruhen, die das Sänger-Ego jede für sich ungemein mitgenommen haben müssen und daher untheoretisch bleiben. Sie gleiten nicht in Fleisch-ist-Mord-Affektationen, sondern marschieren in Richtung Literatur, irgendwo da, wo die letzten 70er-Singer/Songwriter der Warner-Tradition ihre Ideen ausgehaucht haben.
Dabei haben Green On Red aus Fehlern gelernt: keine Jackson-Browne-Larmoyanz, keine schlaumeierige Randy-Newman-Pfiffigkeit, keine Joni-Mitchell-zu-Markte-getragene-Zerbrechlichkeit, sondern was – besonderes Kennzeichen dieser Gruppe – avancierten Vertretern aller Subkultur-Generationen gefällt. Am 12.4. tritt Microdisney aus London im Vorprogramm auf.

