Hummelsbüttel oder Lurup

Anmerkungen zum Aufsteiger der Saison, zum Hamburger und zum Hamburger Publikum

Zuerst die üblichen Bemerkungen zum Kir. Man hat jetzt einen geschmacklosen roten Schädel im Aquarium deponiert und einen dicken, viel zu großen Riesenfisch.

Außerdem verwahre ich mich dagegen, daß man mit einem von mir im Zusammenhang mit der Musikqualität des Kir in diesem Blatt verbreiteten, lobenden Satz Werbung macht. Ich muß daher spezifizieren. Die Musik, die der in der Anzeige als „Ex-B’Sirs“ ausgewiesene George auflegt, ist in der Tat ausgezeichnet: viele Disco-Klassiker wie T.Rex usw. Chefnachdenker und Hobby-Prediger Clemes Grün ist dagegen von musikalischen Sicherheitskräften schon dabei erwischt worden, wie er „Big in Japan“ spielte, und zwar nicht die rührende Frühpunkgruppe gleichen Namens, sondern das Stück von Alphaville, das schlechteste Stück seit „Hotel California“.

A propos Namensmißbrauch: Thomas Fuchsberger und der früher ganz anständige Patrick Gammon haben es gewagt, ihre Kackmusik unter dem Namen Patto zu verkaufen. Wieso schreit da eigentlich niemand? Weiß niemand mehr, daß dies der angestammte Familien- und Bandname des verstorbenen, originellen, verdrehten Gitarristen Mike Patto war?

Treffpunkt für die Frühabendstunden ist jetzt das neue „McDonald’s“ am Gerhart-Hauptmann-Platz. Die Menschen wohnen ja neuerdings in der Innenstadt, und da hat abends nichts anderes mehr auf. Leider kann auch dort niemand die Frage beantworten, warum der gute, alte Viertelpfünder nur wegen ein paar lächerlicher Zwiebeln und einer Tomatenscheibe in „Hamburger Royal TS“ umbenannt wurde. Der einzige Grund kann nur sein: Das Fleisch wiegt nicht mehr ein Viertelpfund. Where’s the beef? Darauf ein Kaltgetränk mit Biergeschmack.

Der Hummelsbütteler SV ist aufgestiegen. Das erfreulichste Sportereignis seit Monaten. Als ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, war der Hummelsbütteler SV letzter der letzten Liga. Dann stieg er über die Jahre Klasse um Klasse, und jetzt hat er den Aufstieg in die Amateuroberliga Nord geschafft, von der es nicht weit zur zweiten Liga ist, die der FC St. Pauli bei Redaktionsschluß noch nicht sicher erreicht hat.

Bei Hummelsbüttel haben die Ex-HSVler Hidien und Volkert großen Anteil am Erfolg gehabt. Ohne Volkert muß der HSV sich in der nächsten Saison an die schwere, aber lösbare Aufgabe wagen, den SV Lurup als Hamburgs Nummer drei zu entthronen.

Die Krankheit und die Niedertracht der westlichen Welt in krasser, formelhafter, ästhetisch eindringlicher Form dargestellt zu haben, ist das Verdienst von „Footloose“, einem zwar nur schwer erträglichen, aber lehrreichen Film, der den Geist der aktuellen Hitparade konzis und konkret widerspiegelt.

Am Abend tritt ein rosafarbenes Monster auf den Plan. Es trägt eine megalomanische Mähne aus blonden Minipli-Löckchen und erklärt den Hamburger Heavy-Metal-Kids, daß sie „sick motherfucker“ seien, beruhigend einflechtend, daß das nichts damit zu tun habe, die eigene Mutter zu ficken (bei dieser Erklärung hält sich das Monster mit dem Alice-Cooper-Gesicht die Nase zu), und daß sie, die fünf Kranken auf der Bühne, „Twisted fucking Sister“ seien. Daß sie Boy George seinen Kopf in den Arsch stecken sollen. Daß sie Nena die Zähne austreten sollen. Daß die da unten, die Sick motherfucker, die wahren Pop-Stars Deutschland seien. Und man war fast geneigt, Twisted Sister zu glauben.

Nach wie vor gilt, daß kein Konzertpublikum auch nur annähernd so begeisterungsfähig ist wie das Heavy-Metal-Publikum. Und Twisted Sister spielen guten, schnellen Monster-Heavy. Die beiden Gitarristen, die sich mit Klebestreifen die Muskeln zusammenhielten, hatten passend zu ihren schwarz-gelben bzw. schwarz-roten Outfits gleichfarbige Gitarren mit kreisrunden OpArt-Mustern.

Nachdem alles abgebaut war, die Sick motherfucker aber ausharrten, kamen sie zurück und spielten endlich: „We’re not gonna take it“ ihren neuen Hit. Die Smf hatten sie vorher hypnotisiert: „Geht Donnerstag in die Läden und kauft unsere neue Platte!“ – „Yeah!“ – „Wie heißt sie?“ – „Stay Hungry!“ – „Lauter!“ – „Stay Hungry!“ – „Ich kann euch nicht hören!“ – „STAY HUNGRY!“ – „Oh, ihr könnt euch noch erinnern?“ Und Sie?