In den Jahren ’79 bis ’81 war der Bassist, Studio-Zauberer und Reggae-Verehrer Jah Wobble eine der schillerndsten und innovativsten Gestalten der neueren Musik. Dann wurde es etwas still um ihn. Um so überraschender ist sein Comeback mit einer neuen Live-Band, da er noch vor kurzem aller Welt erklärte, er habe sich aus der Musik-Szene zurückgezogen und würde derzeit vom Taxifahren leben. Wobble war eines der ersten New-Wave-Kinder, die die ’77/78 aufflammende Begeisterung für Reggae und Dub-Produktionstechniken innerhalb der Punk-Szene anders zu verarbeiten wußten als durch das Nachsingen von Jamaika-Klassikern oder die Integration von Begriffen wie „Babylon“ in den aktiven Wortschatz. Jah Wobble entwarf, zunächst auf Singles, eigene, mit britischem Humor durchsetzte Dub-Varianten, die, neben den Bemühungen von XTC etwa zur selben Zeit, in der Welt der weißen Musik einzigartig waren.
Der nächste Schritt war Jah Wobbles (daß er sich nach jamaikanischer Produzenten- und DJ-Sitte den Titel „Jah“ zugelegt hatte, war in seinem Fall wirklich keine Anmaßung) Mitgliedschaft bei Public Image Ltd., kurz PIL, der Band des Weltstars und Sex-Pistols-Überlebenden Johnny Rotten/Lydon, der Wobble für die aufsehenerregenden ersten beiden Experimental-Rock-LPs als wichtigste musikalische Kraft angehörte.
„Will Jah Wobble ever grow up?“ ließ er dann sein Alter ego Dan McArthur fragen, als er sich für seine erste Solo-LP (entstanden zwischen der ersten PIL-LP und der „Metal Box“) als verwundeter Nahostkrieger fotografieren ließ. „The Legend Lives On… Jah Wobble in Betrayal“ war eine bemerkenswerte Platte: Ein Hit („Betrayal“) im nur leicht Reggae-beeinflußten konventionellen Rock-Idiom eröffnete die Platte, um den Hörer in eine Vielfalt von angedeuteten, bunten Klangwelten zu locken. Jah Wobble begann sich zu einem der angesehensten Neuerer zu entwickeln, zu einem Studio-Wizard der Achtziger, doch er verhielt sich nicht gerade clever im Umgang mit der Öffentlichkeit. Während diese noch „Betrayal“ verdaute, brachte er zwei Monate später ein weiteres Werk von LP-Länge auf den Markt, auch wenn er es als „V.I.E.P.“ tarnte (Very Important E.P.) und zu Billig-Preisen verschleudern ließ. Noch skurriler als auf „Betrayal“ machte er sich daher an die Exploration des Studios und jagte z.B. den Fats-Domino-Oldie „Blueberry Hill“ durch eine Computer-Version. Die „Metal Box“, das zweite PIL-Album, zeigt ihn dann noch einmal von einer anderen Seite, als Instrumentalisten und Live-Musiker, was ganz andere Talente als seine Studio-Experimente erforderte. Die „Metal Box“, seinerzeit weltweit als Meilenstein gefeiert, ging zwar zu großen Teilen auf sein Konto, aber er verließ die Band dennoch kurz nach dieser Platte und ist nur noch auf dem Live-Album von PIL zu hören. Stattdessen hatte der Rastlose, den man in Deutschland nur einmal in Berlin bei einem enttäuschenden Solo-Auftritt zu vorgefertigten Bändern erleben konnte, offensichtlich endlich den richtigen Partner gefunden: den ebenso renommierten wie versponnenen Kölner Can-Musiker und Studio/Tape-Tüftler Holger Czukay, wie Wobble Bassist und geradezu religiöser Anhänger der Studio-Elektronik. Entgegen den Erfahrungen der Rock-Geschichte, daß das Zusammentreffen von Genies selten erwartungsgemäße Ergebnisse hervorbringt, machten die beiden, gemeinsam mit dem Can-Drummer Jaki Liebezeit, eine außergewöhnlich gute EP mit vier Fusionen aus leichtfüßigen schwebenden Melodien (Jah Wobble am akkustischen Piano, Hoger Czukay an der Trompete) mit rythmischer Raffinesse im Lichte exzellenter, räumlicher Produktion.
Nach diesem Höhepunkt verschwand Jah Wobble von der Bildfläche und machte besagte Ankündigung mit dem Taxifahren wahr. Anfang ’82 tauchten Meldungen über eine neue Band auf, und eine autorisierte Live-Cassette einer Jah-Wobble-Band namens The Human Condition machte die Runde. Darauf konnte man recht enttäuschenden Heavy-Metal-Lärm hören, der nur sehr gelegentlich von ein paar Ideen veredelt wurde. Jetzt plötzlich tourt er in England mit einer fünfköpfigen Band und kriegt wieder die allerbesten Kritiken. Für eine Überraschung war Jah immer gut, und Talent hat er genug.

