James Brown

The hardest working man in journalism trifft den hardest working man in show business – No 1 Soulbrother – Mister Jaaaaaaaaeeimes Brown

Trööt-trööt-trööt. Der Soul-Brother hatte sich Reportern gegenüber abgeriegelt, und er hat keine Plattenfirma mehr, die einen Kontakt herstellen könnte. Zu seiner Europa-Tournee reiste er mit einem 25köpfigen Ensemble an. Doch nach den wenig erfolgreichen England-Konzerten mußte er die Streicher-Sektion nach Hause schicken. So kam es, daß die Pizzicato-Violinen in „It’s A Man’s Man’s World“ von der Gitarre übernommen werden mußten. Auch in Hamburg kamen nur 2000 in den Park, wo 4000 Platz gehabt hätten. Hamburgs kleine Black Community im bizarren Stil- und Farbenwirrwarr, der halbe Kiez und ein paar steife, gut ausehende New Waver – man konnte ihren Mienen ansehen, daß sie wußten: es ist hip, James Brown wiederzuentdecken. Aber sie hatten es nicht verdient, nicht für sie war diese Musik bestimmt (auch nicht für mich, gebe ich zu), nicht für Leute, denen es ohnehin schon gut geht. Entsprechend belämmert schauten sie aus der Wäsche.

Was James Brown machte, war für ihn Routine. Er ist jetzt 54, seine Spagats und Verrenkungen sahen eher nach 16 aus. Es war für ihn Routine, für uns ein Dampfbad. Seine fast durchweg aus alten, z. T. sehr alten (über 20 Jahre) Songs bestehende Show ließ nicht eine Sekunde zum Atemholen. Immer, wenn er sich so richtig in eine Melodie oder ein Riff zu versenken schien, brach das nächste Stück dazwischen, tanzten die Bläser mit ihren lustigen Uralt-Westenanzügen einen neuen Takt, schrie der Marktschreier, der James Brown schon seit Beginn seiner Karriere ankündigt und auf die Bühne zurückruft und der alle Slogans vom hardest working man, vom Soul-Brother No. 1 etc. selber erfunden hatte, neue Parolen ins Mikro. Wie zu alten Zeiten bekam J. B. zigmal seinen Boxermantel umgeworfen und wurde aus dem Ring geführt, befreite sich und stand erneut am Mikro. Dabei sah er so aus wie der böse, schwarze Mann aus den Kinderreimen: wildes, langes Haar, ungestüme Bewegungen und entschlossener Gesichtsausdruck – nie ein Lächeln.

Bei „It’s A Man’s Man’s World“ kamen mir, wie immer bei diesem Song, die Tränen: James Browns bestes Lied, der beste Soul-Song überhaupt. Im Mittelteil hielt Brown, statt die Geschichte mit der Uhr („when the clock strikes one … when the clock strikes two … don’t worry about the motion in the ocean, but just be there, when I get the notion / don’t worry about the feeling falling from the ceiling / but just be there, when I get the feeling…“ die besten Sätze) zu erzählen, eine Totenmesse ab und forderte das Publikum auf, sich einiger beautiful people zu erinnern: Elvis Presley! Großer Beifall. Otis Redding! Großer Beifall. Jimi Hendrix! Großer Beifall. John Lennon! Großer Bei … Pötzlich setzt die Musik aus. Die Band und James drehen sich um, kehren dem Publikum den Rücken zu und schweigen.

Dann wieder „Man built the car to take him over the road / man made trains …“ Aber statt „… to carry heavy loads“ brach das nächste Stück dazwischen. Wie gesagt: keine Atempause.

Danach, noch erfüllt vom Konzert, wollten wir ins Audimax, wo Timothy („eine Kreuzung aus Ronald Reagan und Jürgen von Manger“ Michael Ruff) Leary gastierte und seine Platitüden-Show zum besten gab. Frage aus dem Publikum: „Many people know you because of the politics of ecstasy and I want to know what you think now about, about, about … “ Leary (unter lustigen Bewegungen, so als würde er polizeilich observiert): „Drugs?“ Hahaha! Großes Gelächter, bei jedem gelungenen Witz schlugen die Learyisten im Publikum auf ein mitgebrachtes Becken. Tätä! Tätä! Tätä! Leary: „Someone asked me if I still smoke Marijuana and I said (große Pause, Leary geht einmal die Bühne auf und ab, hebt die Stimme!) I never smoke Marijuana. (Erklärt jetzt anhand von langatmig und unter Fritz-the-Cat-Bewegungen vorgebrachten Ausführungen, warum man Marijuana nicht rauchen sollte: Wirkung geht verloren, Rauchen ist schädlich für die Lunge etc. Jeder weiß, worauf es hinauslaufen wird), but my wife makes the best cookies out of it“ Tätätätätätätä! Großer Zapfenstreich, Tschingderassassa, der Saal jubelt. „Die menschliche Rasse ist degeniert“, sagt Donald Duck. Am Schluß und am Anfang warfen sie mit Konfetti. Die scheußlichste Art, Ausgelassenheit zu verbreiten. Vergleiche auch Zirkus Roncalli.

Nun ja. Die Sixties waren in unserer Stadt, und es war nett. Denn so waren sie wohl. Die Sixties.