Der beste Film des vergangenen Jahres war – obgleich bereits zwei Jahre alt – Jean-Luc Godards „Rette sich wer kann (das Leben)“. Daher sind die beiden besten Filmbücher zwei, in denen Godard zu Wort kommt. Sie sind es so, wie in einem Jahr, wo Deutschland Fußball-Weltmeister wird, das Buch, das davon erzählt, das beste Sportbuch ist. Diese Bücher gestatten es, sich noch einmal in das zu versenken, was einem an diesem Film Freude gemacht hat. Sie sind der lange Arm des Films.
Dies gilt vor allem für „Liebe Arbeit Kino“. Interviews mit Godard, mit Kameraleuten, die sich über Schwierigkeiten mit Godard auslassen, mehrere Drehbuchentwürfe und eine einfallsreiche Gebrauchsanweisung von Lothar Kurzawa. Ergiebiges Material zum Schmökern nach dem Kinobesuch, zu einem Preis, der nicht viel höher ist als der der Eintrittskarte.
Wie „Liebe Arbeit Kino“ ist auch Godards „Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos“ kein Buch im eigentlichen Sinne, sondern ein weiterer Film von Godard, den man mit sich herumtragen kann. Ein über 300 Seiten langes Vorspiel auf eine Geschichte des Kinos, die dann nicht mehr folgt, weil sie nicht realisiert werden konnte und ohnehin nicht geschrieben, sondern gefilmt werden sollte. Denn eine „wahre“ Geschichte des Kinos sollte laut Godard aus „Bildern und Tönen gemacht sein und nicht aus illustrierten Texten“.
Godard hatte sich in Kanada aufgehalten, um mit dortigen Filmstudenten ein Drehbuch für eine solche Geschichte des Kinos zu erarbeiten. Die ließ sich dann aber aufgrund mangelnder Geldmittel nicht drehen. Geblieben sind Tonbandprotokolle der Seminarsitzungen, aus denen jedoch die Beiträge der Studenten ausgeblendet wurden. Godard hatte in seinem Sinne bezeichnende Filme verglichen, was aus den Kapitelüberschriften ersichtlich ist, die die fragmentarischen Monologe gliedern. Der Leser kann die angegebenen Filmtitel nutzen, um sich die wahre Geschichte des Kinos selber vorzustellen. Ebenso die Pausen in Godards Rede, die durch die ausgelassenen Studentenfragen entstehen, um sich einzuschalten. Was auch nötig ist, da auch Godard manchmal Dummes redet, etwa wenn er Clint Eastwood einen ausgemachten Schwachkopf nennt. Wo doch Clint Eastwood um einiges intelligenter ist als der Godard-Darsteller Jean-Paul Belmondo.
Schließlich enthält dieses Buch dennoch mehr Wahrheiten als alle Statistiken oder Filmographien, die sonst in dem unmöglichen Genre „Filmbuch“ verkauft werden (die einzig sinnvollen Filmbücher sind neben solchen Regisseurauskünften Sammlungen von guten Kritiken oder Essays), und sei es die Wahrheit, daß Regisseure wie auch Musiker weniger glänzen als ihre Werke.
Jean-Luc Godard: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos. Hanser-Verlag, DM 34,-.
Jean-Luc Godard: Liebe Arbeit Kino – Rette sich wer kann (das Leben). Merve Verlag, DM 10,-

