Jerzy Toeplitz: Geschichte des Films, Band 3, 1934–39

Jerzy Toeplitz’ gigantisches Unternehmen hat die kritische historische Periode erreicht: Kaum eine Phase der Filmgeschichte ist so schwer einzuschätzen, wie die Jahre vor dem zweiten Weltkrieg. In Deutschland, ehemals Land der ästhetischen Avantgarde, regieren die Nazis, in den USA gibt es die großen Jahre des Melodram, aber auch späte Gangsterfilme und Vorläufer des film noir, in Frankreich das, was man poetischen Realismus nennt. Die Filmgeschichtsschreibung hat, also, wie man sieht, ihre Vokabeln für einigermaßen diffuse und interdependente Erscheinungen, die auf ihre Berechtigung und Verwendbarkeit zu überprüfen, eigentlich die Aufgabe eines so voluminösen Werks wie Toeplitz’ Filmgeschichte sein müßte.

Auf vorbildliche Weise erfüllt das Buch zunächst mal eine Forderung, die jeder Seminarmarxist als erste aufstellt: es liefert den historischen background. Und das nicht nur in Begriffen der Weltpolitik, sondern auch was die direkten ökonomischen und ideologischen Einflüsse auf die Filmindustrie betrifft. Das ist sehr gut und fördert allerlei, auch Cineasten unbekannte, Fakten ans Licht: wer kennt sich schon in der Geschichte Japans aus, zumal gerade japanische Filme immer so zeitlos wirken, ist es nützlich sie historisch zu kategorisieren. Toeplitz begeht aber nun den Fehler, in klassisch deutscher Filmkritiker-Tradition in der Nachfolge Siegfried Kracauers und der Frankfurter Schule, die Einschätzung und Bewertung von Filmen auf deren angeblichen ideologischen Gehalt zu reduzieren. Und das macht einmal mehr deutlich, daß die ideologiekritische Methode weitgehend ästhetische Einflüsse auf das Vortragen eines Inhalts ignoriert oder negiert, und damit das Wesentliche eines Films, seine Regie hinter das Drehbuch stellt. In Frankreich wäre sowas nie passiert.

Andrerseits ist der Toeplitz auch kein filmtheoretisches Werk und verfolgt auch wenig Ambitionen in dieser Richtung. Seine große Bedeutung und Wichtigkeit liegt in der Fülle von Fakten, Zitaten, Fotos, bis hin zu Bibliografie und Register, die dieses Buch für jeden filmhistorisch Interessierten, der des Französischen und Englischen nicht ausreichend mächtig ist unentbehrlich zu machen.

Rogner + Bernhard, 462 S.