Was für den deutschen Jugendlichen die Toten Hosen, ist für Albions Kinder King Kurt: Spaßpunk. Wenigstens dieses eine Anliegen konnte Punk einigermaßen heil über die Jahre retten: den Willen zum Rumsauen, zur Schlammschlacht, zum Megaslapstick. Schon das erste Cover der Damned, offensichtlich das Resultat einer Tortenschlacht, legte von diesem Trieb Zeugnis ab, und wenn inzwischen alles andere, was die Damned repräsentierten, aus der musikalischen Landschaft verschwunden zu sein scheint, bleibt uns durch Figuren wie King Kurt wenigstens das Mack-Sennett-Element erhalten.
Daß die Band auch musikalisch eine Identität zu haben beansprucht, darf man geflissentlich ignorieren. Sie versucht sich an einem Kuddelmuddel aus Psychobilly, Fußballgesängen und Showmusik-Zitaten, aber wen interessiert das schon? Wen interessieren die onomatopoetischen „Texte“ („Walla, walla“ – wirklich ziemlich lustig, oder?) und wen, was es mit dem „Zululand“ auf sich hat, das bei King Kurt so oft vorkommt?
Stattdessen geht es um das Besprühen des Publikums mit Löschschaum, das Entleeren von Mehlsäcken und allerlei mehr Späßchen, um das gute alte Motiv totale Enthemmung.
Wenn man das so liest, klingt das wahrscheinlich ziemlich blöd. Nach irgendwelchen Hippie-Freiluftfestivals, nach AAO oder Encounter-Bhagwan, selbst wenn man in Rechnung stellt, daß in England derlei immer etwas weniger sinnstiftend und aufdringlich ernst herauskommt als bei uns. Aber ein Live-Konzert mit King Kurt, wie ich es im riesigen, vollbesetzten „Lyceum“ erleben durfte, ist wirklich ein Spaß. Einer, den man sich auf dem Kontinent einfach nicht vorstellen kann.
Bereits Stunden vor der Show haben sich mehrere tausend Jugendliche unterschiedlicher proletarischer Sekten (Skins, Psychos, Teds und vor allem Punks) massiv eingesaut, und es ist kaum möglich, einigermaßen sauber überhaupt in den Saal zu gelangen. Während der Vorgruppen hat die Orgie dann eine kurze Pause, um sich dann, zur Showtime, wenn die Musiker mit Engelsflügeln an Drähten auf die Bühne schweben, zum Paroxysmus zu steigern. Ein Besuch der Toilette etwa ist nur möglich, wenn man in Kauf nimmt, von oben bis unten naßgespritzt zu werden und von überglücklichen, triefenden Teds sich fragen zu lassen: „Enjoyed it?“ Na klar.
In Deutschland dürfte sich die Bereitschaft zur Enthemmung in Grenzen halten, beschränkt auf das kleine Völkchen, das den Kurt-Kult ausmacht. Aber die Band soll sich für ihre Kontinent-Tour ohnehin eine Variante ausgedacht haben, auf die man gespannt sein kann.
