„Wenn jemand wirklich böse, wirklich todesfickig und zu allen legalen und illegalen Sensationen fähig ist, dann Lydia.“ Diesen Mythos kultiviert die New Yorker Sängerin, Minimal-Gitarristin und Schauspielerin (bevorzugte Rolle: Folternde Domina) seit gut fünf Jahren mit Erfolg. Einige beinharte Lärm-Singles mit ihren ersten Bands Beirut Slump und Teenage Jesus And The Jerks drangen nach Europa und führten ihr geheimnisvolles Image um 1978/79 auch in europäische Hip-Kreise ein. Nach diesen beiden Gruppen gründete sie das Ensemble 8-Eyed-Spy, von dessen Konzerten vielversprechende Schilderungen nach Europa geschmuggelt wurden. Getreu Lydias Versteckspieltaktik gab es aber keine Platten von der Band, bis der Bassist George Scott seiner Drogensucht erlag. Als feststand, daß niemand mehr 8-Eyed-Spy live sehen würde, kam eine Cassette mit schlecht aufgenommenen Live-Mitschnitten heraus.
Bald folgte eine LP, deren eine Seite ähnlich lärmige, rauhe R&B-Stücke bringt, darunter Versionen von Jefferson Airplane und Creedence Clearwater Revival-Hits. Auf der anderen Seite ging man noch mal ohne Scott ins Studio. Aus den 8-Eyed-Spy-Resten wurden die Raybeats und Lydia suchte den Erfolg mit einer anderen LP, „Queen Of Siam“, die sie schon vorher mit Studio-Musikern aufgenommen hatte. Das mit viel Aufwand von Richard-Hell-Gitarrist Bob Quine und einem ehemaligen Hanna-Barbera-(„Fred Feuerstein“)-Arrangeur orchestrierte Werk gehört noch heute zu den zehn bis zwanzig wichtigsten Platten der letzten fünf Jahre. Lydias atemberaubende Stimme versucht sich an so verschiedenen Dingen wie naivem Motown-Soul, manieristischer Girl-Evans-Orchester-Musik und dem kreischenden, todbringenden Kreissägen-Minimalismus ihrer früheren Punk-Tage. Üppig und genial. Doch „Queen Of Siam“ wurde nicht verkauft. Erst ein Jahr nach ihrem Erscheinen in den USA kamen einige Importe nach Europa, und unlängst hat die Ariola gar eine deutsche Fassung auf den Markt gebracht. Aber Lydia hat inzwischen neue Freunde.
Die australische Band Birthday Party schloß spontan mit Lydia Freundschaft, als die inzwischen in England ansässige Gruppe in New York gastierte. Ähnlich wie Lydia Lunch verfolgen die fünf Musiker mit Erfolg das Ziel, die Hölle auf die Bühne zu bringen: Intensitäten und verbotene Leidenschatten, primitive Rituale, Schamanismus und gesetzesbrechendem Sex. Birthday Party spielen die Funk-Musik, die sie den Aboriginals ihrer australischen Heimat zutrauen. Vor kurzem kam in England die Platte „Drunk On The Popes Blood“ auf den Markt, die auf einer Seite eine unter Form endlos jaulende Lydia Lunch vorstellt und auf der anderen Seite vage Vorstellungen von der Hitze bringt, die Birthday Party auf der Bühne erzeugen. Besser ist auf jeden Fall das Studio-Werk „Prayers On Fire“, das der Birthday Party zurecht in England den Ruf einbrachte, die Lücke zwischen der verschiedenen Pop Group-Ablegern und den früheren Pere Ubu zu schließen.
Das Vorprogramm wird von der Berliner Band Die Haut bestritten, einer der vielversprechendsten Neuentdeckungen der deutschen Szene. Die Haut debütieren dieser Tage mit einer Mini-LP auf dem Berliner Independent-Label Monogam. Sie spielen eine ausgeklügelte, messerscharfe Gitarrenriffs mit cooler Improvisation verbindende, an New Yorker Mutanten-Jazz ausgerichtete Instrumental-Musik mit gelegentlichen Stimm-Einlagen. Das Dreier-Konzert im Versuchsfeld ist eine außerst glückliche Zusammenstellung und für Jeden ein Muß, der sich für MUSIK interessiert.

