Nick Ray, Regisseur von Meisterwerken wie „They Live By Night“, „Johnny Guitar“ und „In A Lonely Place“, bekannt vor allem durch „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist unheilbar krebskrank. Sein Freund und Verehrer Wim Wenders besucht ihn in seinem New Yorker Loft, um einen Film mit ihm zu drehen. Er reist mit einem Team an und der von schwerer Krankheit gezeichnete Nick Ray hat schon eine Drehbuchidee für einen gemeinsamen Film. Aber Wenders, sanft und rücksichtsvoll, wendet ein: „Warum diesen Umweg?“
Und sie machen nun einen Film über Nick. Und sie sind sich sehr bald einig, daß es ein Film über Nicks Sterben wird. Und sie wissen auch, daß es ein Film über alle Beteiligten wird: Nicks Frau Susan, seinen Freund Tom, der die Dreharbeiten mit einer Video-Kamera verfolgt, Wenders’ Frau Ronee Blakely (bekannt aus Altmans „Nashville“).
Und Wenders hat Gewissensbisse: Ob der Film, den er dreht, mit schuldig werde am Tode und an den Leiden Nick Rays.
Und je weiter die Krankheit voranschreitet, desto mehr muß die Video-Kamera den dokumentarischen Teil übernehmen, lassen sich keine Szenen mehr stellen.
Am Anfang erzählt Wenders Ray, daß er „Hammet“ mit einem zehn Millionen-Etat drehe. „Gib mir eine und ich mache dir einen „Lightning Over Water“, entgegnet Nick. Ein „Lightning Over Water“ ist „Nick’s Film“ nicht geworden, aber auch kein voyeuristisches Spektakel, kein Film über den Tod, sondern eine Würdigung des Regisseurs Nick Ray, ein Versuch, ihm den Wunsch zu erfüllen, den er in seinem Drehbuchentwurf äußert, nämlich: Vor dem Tod noch einmal seine Identität zu finden (wie abgeschmackt diese Formulierung in der deutschen Übersetzung auch klingen mag, im Film, der im Original mit Untertiteln läuft, sind dies genau Nick Rays Worte).
„Nick’s Film“ nähert sich Nick auf vielerlei Weise. Er wird begleitet zu einer Vorführung seines Films „The Lusty Men“, bei der er anschließend einen Vortrag hält, man sieht ihn Kafkas „Bericht an eine Akademie“ für die Bühne inszenieren, bekommt aus seinem Tagebuch vorgelesen und sieht weite Teile seines unvollendeten Films „We Can’t Go Home Again“. Diese Vorgehensweise läßt das Bild der Wirklichkeit, des wirklichen Sterbens und seiner Repräsentation auf der Kinoleinwand relativiert erscheinen. Mit bloßem Auge könne man seine Krankheit nicht erkennen, sagt Wenders an einer Stelle, wohl aber durch den Sucher der Kamera.
Und das ist das Wesentliche an „Nick’s Film“: Die verschiedenen Blicke, der Blick durch Video, der Blick durch die Kamera, der starre Blick des einäugigen Nick Ray, der Blick des Zuschauers auf die Leinwand, der Blick auf das als Realität Ausgegebene und der Blick auf das als Film Ausgegebene. Das sind die Dinge mit denen das Kino zu tun hat. „Die Kamera schaut dem Tod bei der Arbeit zu“, sagte Jean Luc Godard. „Sein Tod war sein letzter Regieeinfall“, sagt einer von Nick’s Freunden bei deren Beerdigungsfeier auf einer chinesischen Dschunke.
