Out Of The Blue

Vor einem Jahr hatte ich die Gelegenheit, Dennis Hoppers Film „Out of the Blue“ im amerikanischen Original zu sehen. Ein durch und durch überzeugendes Porträt kindlichen Nihilismus, dargestellt durch eine brillante Linda Manz, die sich der Embleme und Accessoires der in Amerika stets nur zur Hälfte verstandenen Punk-Bewegung bedient, um gegen ihren versoffenen, weinerlichen Vater (Hopper selber spielt ihn) und eine fixende, hysterische Mutter abzusetzen. Daß dies ein Film der jungen Generation sein soll, wie mancherorts behauptet, stimmt nicht. Er zeigt die Perspektive Hoppers, aber dieser läßt sich sensibel auf den Nachwuchs ein, ähnlich wie Neil Young, dessen Song „My, my, Hey, hey“ den Titel „Out of the Blue“ abgab. Linda Manz vagabundiert frühreif und von umwerfendem Selbstbewußtsein durch eine geistig und moralisch verkommene Kleinstadt-Welt, die aus Bowling, Country & Western, Junk Food und der Dramatisierung blöder kleiner Scheißgefühle besteht und nur bei einem Ausflug in die Großstadt, wo sie ein Punk-Konzert erlebt und getreu der „Anyone can do it“-Devise auch kurz hinter das Schlagzeug darf, findet sie Befriedigung.

Wahrenddessen scheitert ihr Vater zu Hause vor sich hin. Frisch aus dem Knast, weil er mit einem Truck in einen vollbesetzten Schulbus gerast ist, soll er auf dem Müllplatz arbeiten, aber der Alkohol … und überhaupt. Loser bleibt Loser. Linda erkennt die Situation und jagt ihre verzweifelte Mutter incl. sich selbst in die Luft, nachdem sie ihren Vater nach einen besoffenen Annäherungsversuch (früher hatte er sie mal vergewaltigt) erstochen hatte.

„It’s just a punk gesture“, sagt sie ihrer Mutter, als diese der Zündschnur gewahr wird. „Das ist nur ’ne Punk-Kiste“ heißt es auf deutsch.

Schafft die Synchronisation ab! Linda ist ununterbrochen am Rappen, vor sich hin Reden, die amerikanischen Schleifer und „You knows“ werden durch völlig sinnlose deutsche Füllwörter ersetzt, die die sprechenden Figuren einem Maße von Lächerlichkeit aussetzen, das den ganzen Film ad absurdum führt. Einmal singt Lindas Freundin nur so nebenbei ein paar Zeilen aus Devos „Mongoloid“, im Deutschen sagt sie plötzlich ganz unmotiviert. „Er ist ein bißchen mongoloid“. Hoppers besoffene Sturheit bekommt durch die deutschen Füllfloskeln einen künstlichen, läppischen Charakter und die amerikanische Teenie-Fröhlichkeit am Samstag im Kino verkommt zum debilen Gesabber. Die Mutter erscheint nuancenlos als hysterischer Jammerlappen. Lindas spielerisch wiederholte Floskeln „Disco sucks“ oder „Punk rules“ geraten im Deutschen zu lächerlich-gewichtigen Statements und der Gipfel der Bescheuertheit war wohl folgender Dialog: Linda: „Stehst du auf Punk?“ – Vollbärtiger langhaariger Fussel-Hippie: „Nein, öhäääh, hö, höm, ich äh stehö mehr auf Punk-Rock.“

Warum muß ein sonst so lobenswerter Verleih wie Prokino so etwas zulassen? Dieser Film darf höchstens untertitelt werden. Einen Film wie „The Shining“ kann man synchronisieren, da er überschaubare Personen mit festen Rollen hat, dies ist auch gelungen. Alltagssprache kann man nie und nimmer synchronisieren, es sei denn, man bleibt kalt angesichts der Hilflosigkeit des armen Menschen, der samstags im Dritten bei der „Guiness-book-of-Records“-Show versucht, dem durchgeknallten Moderator David Frost hinterherzusabbeln.