P.S. Zeitschriften (II)

Viele Mitbürger haben sich besorgt an mich gewendet und gefragt, ob ich in der letzten Nummer nicht die schlimmsten, die bürgerlichen Zeitungen und Zeitschriften vergessen hätte. Nun, habe ich nicht, hier sind sie, aber sie sind nicht die schlimmsten. Ein Nachwuchsliberaler ist immer schlimmer als ein alter Liberaler, der bald sterben wird. Weizsäcker ist uralt und aus einer anderen Welt, man kann ihn vergessen, er ist nicht symptomatisch (wie Kohl). Seine Popularität ein ewiges und ekliges, aber zu vernachlässigendes Symptom wie Dixieland-Frühschoppen der FDP. So ist auch „DIE ZEIT“.

Anna von Münchhausen: „DIE PILLE HAT GEBURTSTAG“ steht in Rot als „ZEIT-DOSSIER“-Verheißung über der Nummer von diesem Donnerstag, wenn das nicht ehrlich ist, Journalisten zu beschäftigen, die den Namen des Lügenbarons tragen und nicht mal lügen müssen, um so etwas unendlich Langweiliges zu verzapfen. Jedes Jahr wird sie ein Jährchen älter, die Pille, wie der Heizlüfter, der Leifheit-Trockensauger, die Espresso-Maschine. Margarete von Trotta und ein André Müller fragen sich, ob die Welt besser wäre, wenn Politiker weinen würden (Buhuuuu. Sie weinten „DAS TEDDYBUCH“). Wer erinnert sich noch an die große „Darf-Blue-Boy-weinen?“-Debatte in der Spätsechziger-„Bravo“ um „High Chaparral“? So weit wie „DIE ZEIT“ heute, war „Bravo“ vor 20 Jahren allemal. Trotta haßt sich. Warum? Ihre Eifersucht (schon wieder ein Dr. Sommer-Thema). Die alte Kuh sagt, sie hätte schon zehn Mal den Fragebogen des FAZ-Magazins (den besten geistigen Warentest der BRD) zurückgeschickt, weil sie ihn schwachsinnig fände (Der Hund findet den Mond schwachsinnig). Disqualifiziert. Ausgeschieden. Der Rest der Nummer (Feuilleton) wird von älteren Herren vollgeschrieben: Wapnewski, Harig, Jens – die Weizsäcker des Geistes, allemal erträglicher, weil fossiler als die Kohls: Greiner.

Lustig wird’s beim „ZEIT“-Magazin. Da geht Eckhard Henscheid, der „ehedem durchaus verehrliche“ (Henscheid über einen anderen), Woche für Woche öffentlich vor die Hunde, macht sich zum Affen im Namen seines einzigen und kläglichen Gedankens, daß sprachliche Anachronismen schöneres Deutsch seien als Szene-Sprache (du meine Güte! Dabei hat er selbst stilbildend mit seinen schönen, alten Blähungen dazu beigetragen, daß dieser Slang die neue Szenen-Sprache wurde; vgl. Stadt-Magazine, insbesondere sog. „Kolumnen“.). Was Woche für Woche bei der Lektüre seiner Geistreicheleien übrig bleibt: Johannes Gross ist besser. Was man sich Woche für Woche fragt: Warum sagt dem bei „TITANIC“ (immer noch eine der drei besten Zeitschriften Deutschlands) keiner was? (Auch dort konnte man die „ZEIT-MAGAZIN“-Kolumne schon ahnen, anhand seiner Rubrik „ERLEDIGTE FÄLLE“. Meistens eben genau das und daher eigentlich nicht der Rede wert, dann wiederum aber doch zu blöd und unverschämt – auf die Tour gegen den jede Differenziertheit verdienenden höchst einzig- und eigenartigen Handke einzudreschen! Oder, wie einmal, was ich sehr übelgenommen habe, in einem Nebensatz gegen Jean-Marie Straub).

Neulich hat ein Redakteur des „Zeit-Magazins“ bei Albert Oehlen und Werner Büttner angefragt, ob sie für sein Blatt den Roman „DAS GRAU DER KAROLINEN“ von Klaus Modick illustrieren wollten (indem sie das darin eine Hauptrolle spielende Bild nachempfinden). Ein Unroman mit Werbeleuten und Kunstfreunden („kein einziger guter Satz“, Büttner) und Bildern eines unbekannten toten Künstlers, die dieser auf den Karolinen versteckt hat und die so ein „beruhigendes“ Grau haben (daher der Titel), das den einen Kunstfreund einfach nicht losläßt („beunruhigt“). Während Büttner als alter Jurist noch überlegte, ob das Ansinnen des Redakteurs den Tatbestand der Beleidigung hinreichend erfülle und rechtliche Schritte angezeigt seien, fragte der Redakteur den absagenden Albert, ob dies (die Absage) nicht unkollegial gegenüber den Künstlern sei, die schließlich mitmachen würden. Toll, was? 1) dieser furchtbare Irrtum von der Kollegialität in der Kunst; 2) die Vorstellung, daß nicht der Streikbrecher, der eine Scheiße wider alle Moral doch mitmacht, unkollegial ist, sondern der mit Recht Streikende und 3) diese routinierte Ahnung von der Scheiße, die er da anrührt, die aus diesem Satz des Redakteurs spricht. Vor kurzem ist das Ding nun erschienen. Klaus Fußmann und – of all people – Dieter Asmus von der Gruppe Zebra haben die Illustration besorgt. Das Beste, was man über diese Künstler sagen könnte, ist, daß sie vielleicht wenigstens noch soviel Selbstbewußtsein haben (in ihrem Elend), daß sie gute Künstler wie Büttner/Oehlen hoffentlich wenigstens nicht leiden können und so auf deren Kollegialität (gemeinsam produzierte Scheiße macht stark) wahrscheinlich verzichten würden. Wegen des Rätsels braucht man das „Mag“ auch nicht mehr, denn es gibt ja jetzt „PERPLEX“.

Nach circa dreißig Minuten hat man die Donnerstagspresse durch, dann kann man wirklich anfangen zu lesen, im neuen MICKEY MAUS-HEFT: „‚Die Angst beflügelt den eilenden Fuß.‘ Ja, unsre klassischen Dichter! Die kannten das Leben“ (Gustav Gans auf der Flucht vor einem Tiger). Darauf Donald Duck: „Werd nicht poetisch! Dazu ist die Lage zu ernst.“ Recht hat er.