Passion

Neulich lief ein vom ZDF finanzierter deutscher Jungfilmerfilm dortselbst (im ZDF) und zeigt einige schöne Bilder, also solche, die aufgenommen wurden, weil auf ihnen schöne Dinge zu sehen sind (ein altes Kino, ein alter Hügel, ein altes Meer) oder schönes Licht. Auch „Passion“ fängt mit einem Bild an: Himmel, zwei Wolken, ein Kondensstreifen. Aber dieses Bild ist nicht schön, sondern wie ein guter Titel (einer, der nicht gleich alles verrät), oder wie ein außerordentlich gelungener Satz (einer, mit dem schon vieles gesagt ist): „Eduard – so nennen wir einen Baron im besten Mannesalter – Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen.“ (Vom verstorbenen Dichter Goethe.) Auf dieses erste Bild folgt ein anderthalbstündiges Zeichengewitter, von dem man besser nicht behauptet, man verstehe es, oder was Godard mit ihm sagen oder attackieren will, oder es gebe drei Handlungstränge. Man kann Godard nicht „verstehen“, für Diskurse über das Für und Wider eines solchen oder eines anderen Kinos nutzbar machen – und das ist das Beste an ihm. Es heißt ja, er sabotiere sogar selbst die Dreharbeiten.

Deswegen kommt es immer wieder zu Zank und Streit. In „Passion“ gibt es einen Regisseur, der Gemälde nachstellen läßt und durch seine Sorgfalt bei der Beleuchtung in Schwierigkeiten gerät. Das Geld geht aus, die Darsteller, die stundenlang in den von Rembrandt, Goya, Ingres und El Greco gebannten Bewegungen verharren müssen, fangen an zu murren und Delacroixs Pferde trampeln ungeduldig durch die Konstantinopelminiatur. Draußen, außerhalb des Studios, im Tageslicht, sucht das Filmteam nach neuen Darstellern und begegnet dabei Isabelle Huppert, die in einer kleinen Fabrik mit ihrem Chef Michel Piccoli um Lohn und Arbeitsplatz streiten muß, und Hanna Schygulla, die ein Hotel besitzt, mit Piccoli liiert ist und sich in den polnischen Regisseur verliebt. Weil aber Arbeit und Liebe zusammengehören, und man die Geschichten erst erleben muß, bevor man sie erzählen kann (was beides mehrmals gesagt wird), nehmen die Probleme kein Ende.

Es sind jedoch nicht die triefäugigen Film-im-Film-Probleme eines Wenders, kein metaphysisches Leiden an Kunst und Geld und den verteufelten Zusammenhängen zwischen dem einen und dem anderen. Auch wenn in „Passion“ Dreharbeiten eine Rolle spielen, ist dies kein Film über den Film, kein Film im Film, keine Vertiefung, sondern eine Verflachung, die Herstellung einer durch und durch künstlichen Ebene, auf der alles nebeneinandertreten kann: Produktionsbedingungen und -mittel, Geschichten, Arbeit, Liebe, Schauspieler, Figuren, Filmleute, Produzenten, Original und Nachstellung (Film und Nicht-Film wollen nichts mehr besagen). Deshalb entsteht oft Platznot und es kommt zu Gerangel, zu tollpatschigen, absurden Handgreiflichkeiten. Gegen Ende toben in diesem Film nur noch entfesselte Menschen, Darsteller, Zeichenträger und Filmteile durcheinander und prügeln sich unbeholfen wie Kleinkinder.

„Die Idee des Films bestand darin, daß alles auf Gleichheit beruht, nicht mehr helle als dunkle Bilder, nicht mehr ankommende als abfahrende Autos, nicht mehr Leute, die schreien, als solche, die leise sprechen“, sagt Godard.

Wir sagen, wenn er etwas weniger von seinen Dauerbrenner-Themen, wie die Rolle der Geschichten im Kino, reden würde, wäre „Passion“ mal wieder einer seiner besten, er ist auch so großartig, und daß ein bekanntes bundesweites Kulturmagazin ihn hinter „Yol“ und „Ghandi“ einstuft, gehört zu den Dingen, die diesen Film möglich und nötig machen.