Durch eine rötlich bdeuchtete Sandwüste folgt die Schwester ihrem Bruder bis zu einem Baum voller schwarzer Panther, angesichts dessen er ihr die Gruppenregel ihrer Sippe erklärt: der Vater mit der Tochter, die Mutter mit dem Sohne, der Bruder mit der Schwester. Was in „Totem und Tabu“ als das Tabu einer Totemgemeinschaft (nicht blutsverwandt, sondern durch Zugehörigkeit zu einem Totemtier) beschrieben wird, ist hier Gesetz: der Inzest. „Um so sonderbarer berührt es uns, wenn wir hören, daß diese Wilden heilige Orgien kennen, in denen eben diese verbotenen Verwandtschaftsgrade die geschlechtliche Vereinigung aufsuchen, wenn wir es nicht vorziehen, diesen Gegensatz zur Aufklärung des Verbotes zu verwenden, anstatt uns über ihn zu verwundern.“ (Sigmund Freud, „Totem und Tabu“) Die Sequenz in der Wüste bildet den Mittelpunkt von „Cat People“, der noch einmal ausspricht, was bis dahin die Geschichte bestimmte. Nastassia Kinski wird, wie der Vorspann suggeriert, aus einer vorhistorischen Opferzeremonie jäh auf den Flughafen von New Orleans vesetzt, wo sie an Malcolm McDowell gerät, der nur sie, seine Schwester, lieben kann, andernfalls er der Geliebten den Tod bringen muß.
Einer der Tricks ist, ein Tabu zu nehmen und es zu normalisieren, dann geht plötzlich alles. Für die Katzengemeinschaft ist das Tabu die Regel: Inzest erhält die Art. In dem Moment, wo das Tabu als Regel gesetzt ist, ist alles pervers, alles läuft umgekehrt Es hat mir Spaß gemacht, das zu tun. (Schrader)
„Cat People“ wird wie sein Vorgänger „American Gigolo“ von der edlen Synthi-Musik Giorgio Moroders funktional begleitet. Wie beim Gigolo singt eine prominente Stimme das Credo der Hauptfigur, wie beim Gigolo mit vertauschtem Geschlecht, dort Debbie Harry für Richard Gere: „Call Me!“, hier David Bowie für Nastassia Kinski: „Putting Out Fire With Gasoline“. Wie in „Gigolo“ arbeitet Schrader mit einer sehr subtilen, aber wenig spektakulären Optik, die den Film für die vielen verständnislosen Berufskritiker so kompliziert macht. Es gibt keine Kunst-Signale, daher erntet „Cat People“ so viel Verrisse. Zwischen die Höhepunkte hat Schrader viele humorvolle Szenen geschaltet: ein Austernessen z. B., ein Kind, das im Zoo zu einem Löwen sagt: „leg dich hin“, was der Löwe sofort befolgt, ein Zahnarzt, der den Panthern die Zähne stumpf macht und auch einen Zoo-Offiziellen behandelt, ein schwarzes Hausmädchen, das „Female“ heißt, weil sie als Findelkind keinen Namen, sondern nur eine Geschlechtsbezeichnung vorzuweisen hatte. Nach dem Höhepunkt des Films, der alles entscheidet, sehen wir noch einmal John Heard durch den Zoo gehen. Er scheint trotz allem aufgeräumt und guter Dinge. Ein hilfloser Mitarbeiter fragt, was er tun solle, er habe Krähen und Stachelschweine in einen Käfig gesperrt, und nun zupften die Krähen den Stachelschweinen die Stacheln raus.
Wenn Tourneurs „Cat People“ der erste Horrorfilm war, in dem das Monster nicht zu sehen ist, dann verbindet dies, wenn auch nicht viel mehr, Schraders Version mit der von 1942. Zwar gibt es blutige Szenen, und die Katzen werden gezeigt, aber sie sind es nicht, worauf es ankommt: der unheimlichste Moment ist der Schluß, als John Heard, der gerade noch mit dem Stachelschweinproblem als Zoodirektor beschäftigt war, die von ihm geliebte Nastassia, nun auf ewig in einen Panther verwandelt, hinter Schloß und Riegel, in der Mittagspause am Kinn krault.
„Ich wollte einen Film machen, in dem das Böse nicht abgewehrt und schließlich getötet wird, sondern geliebt. Ein Film, der nicht in Gewalt endet, sondern in einer Art Zeremonie.“

