Pigbag

Der Einfluß der britischen Band The Pop Group auf die gegenwärtigen Entwicklungen innerhalb der britischen Szene ist nicht hoch genug einzuschätzen. Ähnlich wie James Chance für New York, entwickelte die Pop Group für die englische Szene einen Stil, der die Rohheit des frühen Punk mit vielschichtigen Funk-Rhythmen und vom Free Jazz entlehnten atonalen Spielweisen verknüpfte. Nach drei hervorragenden, enorm einflußreichen LPs (inzwischen spielt in England jeder Funk) löste sich das Ensemble auf. Von den vier Nachfolge-Bands nehmen sich drei des musikalischen Erbes der Pop Group, auf zwar unterschiedliche, aber doch in allen Fällen folgerichtige Art und Weise an (Maximum Joy, Rip, Rig & Panic, Pigbag), während die brachial-parolenhaften Texte bei Marks Mafia aufgehoben sind.

Pigbag ist die Formation, in der Simon Underwood, der als Bassist vor allem in den frühen Tagen der Pop Group wichtig war, das besagte Erbe verwaltet. Und das ist in jeder Hinsicht überraschend. Die erste bei dem unabhängigen Y-Label erschienene Single hielt nicht nur Einzug in die Discotheken des Untergrunds, sie plazierte sich auch monatelang in den Disco-Charts des amerikanischen Branchenmagazins „Billboard“ und bescherte der Gruppe Dutzende von Firmen-Angeboten. Der zackige Afro-Funk-Marsch „Papa’s got a brandnew Pigbag“, getragen von einem eingängigen Bläser-Motiv, war der Gruppe aber zu diesem Zeitpunkt als Markenzeichen schon wieder zu einengend und man strich ihn aus dem Live-Programm. Pigbag bestehen darauf, ihre zwischen straffen Themen und wilden Improvisationen wechselnde Musik live stets aufs Neue zu entwerfen. Es ist auch keine Seltenheit, daß in den jeweiligen Clubs fremde Musiker sich der Band auf der Bühne anschließen und mitimprovisieren. Die rein instrumental arbeitenden Vollblutmusiker sind für jede Anregung offen, zu jeder Variante bereit, wenn nur die Verständigung klappt. Denn für Leute, die erst fragen müssen: „In welcher Tonart spielt ihr das gerade?“ hat man nur Verachtung. Da feiert der Jam-Session-Geist alter Jazzer seine Auferstehung.

Inzwischen ist ebenfalls auf Y-Records eine zweite Single erschienen („Sunny Day“), die wie „Papa’s got a brandnew Pigbag“ auf der einen Seite eine sehr schwarze Tanznummer vorstellt, während die B-Seite („Elephants wish to become Nimble“) die freiere, jazzigere und verspieltere Seite der Gruppe vorstellt. Besonders bemerkenswert ist hier, wie Simon Underwood seinen bundlosen Funk-Bass mit einen virtuos gestrichenen, akkustischen vertauscht und wie einst Charles Mingus vom Baß aus die Improvisation leitet.