Providence

Kenner werden wissen, daß dieses Werk schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und auch schon im TV zu sehen war. Resnais, der in den 60er Jahren so was wie ein Heros einer schwermütig-veranlagten intellektuellen Avantgarde war („Letztes Jahr in Marienbad“) dürfte heutzutage nur noch wenig bekannt sein, und gerade dieser schwierige Film dürfte, jenseits aller Popularität und Publicity, für den Verleih ein ziemliches Risiko bedeuten.

John Gielgud spielt einen alten Schriftsteller, auf den Tod zugehend, der während einer Nacht sich sprunghaft und skurril-versponnen mit seinem Leben und dabei vor allem mit seiner Familie auseinandersetzt, sie literarisch sich in Geschichten und Situationen verfangen läßt, dazwischen genüßlich grunzend, Wein schüttend und unter Leibschmerzen zuckend, raisoniert. Am nächsten Tag hat er Geburtstag, die Familie kommt zum Gratulieren und entpuppt sich als viel normaler, gesunder, friedlicher als in den Imaginationen des alten Lustgreises, der – frei nach Henry Miller und ähnlichen – seine Fantasie und Rückschau vor allem mit Sex und Exzessen bevölkert, die er in die eher spießigen Leben seiner Familie eindringen läßt.

Der Versuch, eine anspruchsvolle, literarisch konzipierte Erzählweise filmisch umzusetzen, gelingt Resnais, der schon immer dazu neigte, sich zu viel Mühe zu geben, nicht immer. Zwar ist „Providence“ gespickt mit Verweisen und Anspielungen, leistet sich stets sinnlich-dichte Atmosphären und kraftvolles Spiel, aber mit Tempo und Rhythmus hapert es hier und da. Was einen Besuch jedoch allemal lohnt, ist das einsam souveräne Spiel Dirk Bogardes in der Rolle des ersten Sohnes, ein Staatsanwalt, den der Vater als seinen zentralen Widerpart aufbaut. Ein brillianter Rhetoriker und überlegen-gefühlloser Intellektueller, der in seiner Präzision, seinem Zynismus und seiner Korrektheit die Werte in sich versammelt, die dem alten Lebemann am meisten widerstreben.