Psychedelic Furs / U2

Wenn eine Gruppe in England in diesem Jahr Kontinuität und eine überzeugende Konzeption bewiesen hat, so waren es die Furs mit ihrer zweiten LP „Talk Talk Talk“, die nicht nur das in bester Velvet-Underground-Tradition inszenierte, sehr deftige, stilvolle Debütwerk fortsetzte, sondern darüberhinaus stilbildende Kräfte freisetzt. Die Gruppe um Richard Butler (alias Butler Rep) steht nicht in einem unhistorischen Neuigkeitswahn, sondern kennt die Musik der letzten Jahrzehnte. Sie gehen bewußt von der Situation der Nachgeborenen aus. Ihr melodisches Talent, die fetten Gitarren-Arrangements, das in den Vordergrund gemischte Schlagzeug, das wehmütige Saxophon und Butlers viel zu alte, rauhe Stimme versetzen die Gruppe an einen musikge. schichtlichen Knotenpunkt, wo in Form der jeweiligen Talente der Gruppenmitglieder die verschiedensten historischen Spielweisen zu etwas neuem verschmolzen sind. Sänger Butler ist zum Beispiel ein Dylanologe, der kaum einen Song schreibt, ohne einen subtilen Dylan-Verweis. Da kommen Mr. Jones und der Weatherman vor, Irgendjemand „belongs to me“, auch wenn die Musik sich gerade in völlig anderen Landschaften bewegt. Zu den Furs gehört auch die optische Präsentation, die zumindest früher an die „Plastic Inevitable Night Show“ von Andy Warhols Velvet Underground erinnerte und auch erinnern sollte.

U2 haben auch mit ihrem zweiten Album nicht so recht zu überzeugen gewußt. Leicht verloren und unausgegoren wird sich da an modernem Sentiment versucht, aber keiner der Songs annähernd so gut wie die Live-Auftritte von U2. Hier entfaltet Sänger Bono sein wahres Charisma und die Byrds-Gitarren-Verschnitte haben plötzlich eigenständige Kraft und verlassen vor den Augen des Publikums die Ebene des Zitats. Letztes Jahr im Pö konnte man erleben, wie sehr sich die Energie dieser Gruppe von ihrer flauen Platte unterschied. Die Hoffnung, diese Fehler würden nun ausgemerzt, bestätigte sich dann beim Zweitwerk nicht. Man kann wohl nach wie vor davon ausgehen, daß U2 nur live eine intensive Atmosphäre entfalten kann. Ob das allerdings auch in den riesigen, unüberschaubaren Räumlichkeiten der Fabrik gelingt, ist die Frage.