Neulich saßen Mayo und ich vorm Fernseher und sahen uns auf Video noch mal The Last Waltz an. Was für eine Band war The Band! Die Violent Femmes der ersten Hälfte der 70er! Damals waren sie die beste Band der Welt! Besser als Little Feat, besser als Steely Dan, besser als Grateful Dead, besser als The Byrds, besser als Roxy Music, besser als The Spiders From Mars! Jedenfalls auf ihren ersten vier LPs, deren vierte und vielleicht beste als einzige zur Zeit vergriffen ist und vielleicht wegen des traurigen Anlasses aus dem ich diese Zeilen schreibe, von der EMI wiederveröffentlicht werden könnte (ein Exemplar von Cahoots bitte an mich!): Richard Manuel ist tot.
Die Bild-Zeitung spricht von Selbstmord, denkbar ist bei ihm alles. Als wir The Last Waltz sahen, fragten wir uns, was aus den einzelnen Band-Mitgliedern geworden ist: Robbie Robertson gehört zum Scorsese-Clan, macht Filmmusik, schauspielert, produziert Filme, in denen er und Levon Helm auftreten und hat neuerdings einen hochdotierten Vertrag mit Geffen Records. Levon Helm war der Hauptdarsteller von Coal Miner’s Daughter, hat eine Band und eine Solo-LP und zeigt sich oft vor der Kamera, Rick Danko spielt ebenfalls mit einer eigenen Band landauf landab, hat eine Solo-LP (mindestens) aufgenommen und ist gefragter Session-Mucker. Garth Hudson ist ganz gelegentlich auf irgendwelchen Session-Credits zu finden, u. a. bei Van Morrison. Nur von Richard Manuel war außer bei der verunglückten Band-Reunion ohne Robertson (vor zwei Jahren) nichts zu hören. Er war es, der bei den backstage gefilmten Szenen des Last Waltz ausschließlich knarzige Seit-25-Jahren-On-The-Road-Witze riß und des öfteren ins Unzusammenhängende verfiel, drogengeschädigt. Am Anfang der Band-Karriere war er einer der tragenden Figuren des Konzepts und neben Robbie Robertson Hauptsongwriter. Auf Music From Big Pink stammen die einzigartig-zerbrechlichen Wimmerballaden „Lonesome Suzie“, „In A Station“ und „We Can Talk“, dazu die Musik zu Dylans „Tears Of Rage“ von ihm, lauter extrem traurige, resignierte, musikalisch hocheigensinnige Blues-Nummern (ohne Blues-Schema) und durch Manuels wimmernd-flehende Stimme Monumente einer besonderen Eigenartigkeit der Gruppe, die später in den Hintergrund gedrängt wurde. Auch ich halte Robbie Robertsons Solo in der Live-Version von „Unfaithful Servant“ für die schönste Kombination von Tönen, die je auf einer Gitarre gespielt wurden, aber mit Manuels sinkendem Einfluß verschwand das schräge Element der Band The Band.
Man denkt jetzt an die Geschichte, die Robbie Robertson in dem Film von dem sterbenden Sonny Boy Williamson erzählt oder an Clint Eastwoods Ende im Honky Tonk Man – klar: solche Schicksale lassen sich immer als letztlich doch sinnvolle, tragische Bekenntnisse zum romantisch-eigensinnigen Verfall erzählen. Die Wahrheit dürfte eher die Orgel in „Tears Of Rage“ sagen und der verzweifelte Reim auf „Tears of rage, tears of brief“: Life is brief.