Rip, Rig & Panic

Der Schlagzeuger Bruce Smith und Gareth Sager, Multi-Instrumentalist, hatten als Köpfe der Pop-Group und als Unterstützer der Mädchenband Slits bereits einen erheblichen Anteil an der Entwicklung der britischen Post-Punk-Musik, bevor sie 1981 Rip, Rig & Panic gründeten: Mit der Pop Group (deren andere Mitglieder heute bei Pigbag, Maximum Joy und Mark’s Mafia von sich reden machen) hatten sie, wie parallel in New York James White, begonnen, die Härte und Kompromißlosigkeit der Punk-Phase mit der Komplexität von Funk-Rhythmen und Free-Jazz-Spielweisen zu verbinden. Nicht jedoch im Sinne von Fusion, wie der Jazzrock der Siebziger Jahre, sondern so, daß Free Jazz und Funk behandelt wurden wie von den Punk-Bands die Rock-Tradition.

Zu Sager und Smith stießen der deutsche Pianist Mark Springer, ein Verehrer der klassischen Free-Jazz-Pianisten wie Cecil Taylor und der schwarze Bassist Sean Oliver, der wie auch Bruce Smith heute noch seine meiste Zeit in den Studios des Avantgarde-Reggae-Produzenten Adrian Sherwood zubringt, wo Platten meist in kleiner Auflage wie anderswo Tageszeitungen hergestellt werden.

Das Rip, Rig & Panic-Stammquartett vergrößerte sich aber für Plattenaufnahmen und meistens auch live stets um ein paar Gastmusiker, so zum Beispiel durch die Sängerin Neneh Cherry, Tochter des Free-Jazz-Trompeters Don Cherry und Ehefrau des Drummers Bruce Smith.

Rip, Rig & Panic waren bei allen ihren Veröffentlichungen stets bemüht, zu beweisen, daß sie in der Lage sind, alle vermeintlichen Grenzen zwischen Kunst und Disco zu überwinden: nie ein freies Piano-Solo ohne den präzisen Beat als Kontrast, nie eine glatte, eingängige Melodie ohne ein Baritonsaxophon, das im Hintergrund atonal explodiert, nie eine selbstvergessene, meditativ-impressionistische Instrumentalimprovisation, die nicht plötzlich durch derbes Gebrüll im Studio gestoppt würde.

Rip, Rig & Panic bevorzugen als Veröffentlichungsformat die Maxi-Single mit ihrer höheren Sound-Dynamik und ihrer traditionellen Rolle als Bestandteil der Disco-Kultur. Statt LPs haben sie zwei Doppel-Maxis in LP-Länge veröffentlicht und dazwischen drei einfache Maxis, die noch deutlicher als die längeren Werke den Kontakt zum Discothekenpublikum suchen, wenn auch mit recht ungewöhnlichen Mitteln. „Bob Hope Takes Risk“ etwa, ihre zweite, einfache Single kombiniert ein eingängiges, simples gesungenes Soul-Thema mit zwei diszipliniert-konkurrierenden Streicher- und die Bläsersätzen, gegen die freien Soli von Gareth Sager und Mark Springer ankämpfen.

Auf den beiden Doppel-Maxis („God“ und „I am cold“) wird den beiden Tendenzen der Gruppe auch isoliert mehr Platz eingeräumt. Wenn z.B bei „I am cold“ auch Nenehs Vater Don Cherry ausgiebig mit seiner Trompete auftreten darf, setzt das einen ruhigeren, strengeren musikalischen Ansatz voraus, der allerdings den besonderen Fähigkeiten der Gruppe (disziplinierte Hektik) gar nicht so sehr zugute kommt. „God“, die erste hierzulande nur als Import erhältliche Doppel-Maxi, war so etwas wie ein Meilenstein, der völlig neue Möglichkeiten eröffnete. Weiße Musik hatte hier Intensitäten gewonnen, die gerade 1981 nicht auf der Tagesordnung standen. Die darauf des öfteren zu Live-Auftritten auch nach Deutschland eingeladene Band enttäuschte dann etwas in Moers oder Berlin bei ihren Bühnenshows das mit hohen Erwartungen angereiste Publikum. Die Komplexität und die zwischen den Spielweisen hin- und herhechtende Flexibilität der Kompositionen war für die Bühne inadäquat, und die Musiker flüchteten sich trotz ihres hohen technischen Standards in unverbindliche Improvisationen.

Doch inzwischen ist wieder einige Zeit vergangen. „I am cold“, auch in Deutschland leicht gekürzt von der Ariola als LP veröffentlicht, begeisterte auch puristische Jazz-Kritiker, denen die technischen Fähigkeiten von Musikern noch immer das höchste Kriterium sind. Man kann also davon ausgehen, daß R, R & P nunmehr auch live dazu in der Lage sind, eines der aufregendsten Musikkonzepte unserer Zeit angemessen umzusetzen.