Robert Benton: Kramer gegen Kramer

Die Sonne scheint im winterlichen New York. Geschäftig, aber ihrer selbst sicher laufen die Menschen durch den nachmittäglichen Central Park. Die Bürohäuser haben einen traumhaften Blick auf andere Bürohäuser. Die Sekretärinnen, Art-Direktorinnen, Art-Direktoren und Designer sind elegant und zeitgemäß gekleidet. Nichts ist ihnen fremd.

Die Straße vor dem Kino in dem man „Kramer gegen Kramer“ gesehen hat ist breit und großzügig. Die Ladenpassage gegenüber verbindet urbanen Charme mit neuer Sachlichkeit. Leicht und entspannt schlendert man zwischen den hübschen, aber ernsten Stenotypistinnen und Junior-Chefs auf das edle, alte Stadtcafe zu und trinkt ein Kännchen der Hausmarke. „Ein guter Film ist, wenn man sich hinterher eleganter fühlt“, so oder ähnlich sagte es Rudolf Thome.

„Kramer gegen Kramer“ ist ein guter Film, aber auch ein schwachsinniger. Der trottelige, aber liebe Dustin Hofman wird von seiner Frau verlassen und muß sich nun selber um den rührenden kleinen Balg von Sohn kümmern, was er unter Opferung seiner Karriere in einem der schönsten Werbeagentur-Büros von New York auch tut; auch er rührend, so gut, so Mensch, so Trottel. Anschließend will die Frau, die inzwischen mittels irgendwelcher kalifornischer Psycho-Therapien „zu sich selbst gefunden hat“, den Balg zurück, darüber prozessiert man, am Ende wird er ihr zugesprochen, aber sie verzichtet. Zum Glück wird aber dieses leicht frauenfeindliche, lächerliche Mittelstands-Drama überdeckt von einem ganz einmaligen Regie-Stil im neueren amerikanischen Film. So wie es nur Douglas Sirk oder Frank Capra geglückt ist, wird hier ein blödes Melodram zum Vorwand genommen für ein ästhetisch-perfektes Bild von der Oberfläche amerikanischen Lebens.

Die Menschen in „Kramer gegen Kramer“ sind schöne, funktionsfähige, nagelneue Autos, schnell und sicher. Es macht Spaß sich in sie hineinzusetzen und eine Testfahrt zu machen. Ist das nicht realistisch? 

Wenn man sein eigenes Erlebnis mit dem Film (auch die evtl. auftretenden Tränen) durchschaut hat, hat man verstanden.