Sonny Sharrock – Ein Alter Meister

Momentan treibt er sich in Duos und Trios mit Leuten wie Peter Brötzmann, aber auch Alfred Harth und Mani Neumeier in deutschen Clubs herum, im November kommt er mit seiner liebsten Band der letzten 30 Jahre aktiven Musizierens auf Tournee. Ein verschollener Meister der E-Gitarre ist wieder da und er schreibt die Geschichte der schwarzen Musik um, von Doo-Wop über Coltrane zu Kate Bush und Bill Laswell und kreuz und quer und Herbie Mann. Hier kommt ein singender Gitarrist, ein Altsaxophonist der Verzerrer-Box zu Wort, ein Musiker, der die Dinge anders sieht. Ein Detlef-Diederichsen-Artikel von Diedrich Diederichsen.

Sonny Sharrock war während der 60er Jahre der einzige frei, also atonal spielende Gitarrist und für seinen wilden Lärm auch einigermaßen bekannt. Als ich ihn Anfang der 70er das erste Mal hörte, war er schon wieder so obskur, daß von seinen unter eigenem Namen und mit eigenen Bands aufgenommenen Platten nichts mehr erhältlich war. Wenige Minuten UKW-Radio eines entfesselten, elektrischen Sturms prägten mir den Namen dennoch ein. Er spielte schließlich, wie er hieß: Sharrock. Doch ich mußte mit Aufnahmen Vorlieb nehmen, die er mit Pharoah Sanders gemacht hatte. Was dem überwältigenden Erlebnis der damals im Radio gehörten, völlig manisch und rastlos über die Saiten dreschenden Dauersoli noch am nächsten kam, war eine Sunny-Murray-LP, bei der Sharrock stark im Vordergrund zu hören war und die als die Zusammenkunft des (paradigmatischen) Wahnsinnsschlagzeugers mit dem Wahnsinnsgitarristen viel zu meiner privaten Legendenbildung beigetragen hat. Ich trampte nach Paris, um sie zu kaufen.

Seit 1986 ist er plötzlich wieder da. Als Wahnsinnsgitarrist in alter Form (mit der Allstar-Band Last Exit, deren Initiator Bill Laswell mir schon 83 erzählte, er habe vor, Sharrock aus der Versenkung hervorzuholen), als geläuterter, großer Naiver (sein Solo-Album Guitar) und als zwischen allen modernen Errungenschaften des Funk/Wave-Jazz New Yorker Prägung umherwandernder, dabei aber auch Brücken zu anderen Jahrzehnten schlagender Allround-Gitarrist (und in nicht wenigen Momenten bester der Welt) auf seinem neuen Quartett-Album Seize The Rainbow, beide Platten übrigens gelegentlich in gospelhaften Melodien auf- und abgehend, wie Vorbild Coltrane in Musical und Soul:

„Daß mich manche Leute für eine legendäre Figur halten, liegt wahrscheinlich daran, daß ich 12 Jahre nichts gemacht habe, unter meinem Namen. Ein paar Jobs als Sideman, das war alles. Ich hatte zwar Bands und habe viel experimentiert, aber meine Ideen waren zu nebelhaft. Heute weiß ich exakt, was ich will.“

Oder waren Sie als freier Gitarrist ihrer Zeit zu weit voraus und brauchten die Entwicklung der anderen, um sinnvoll weitermachen zu können?

„Manche sagen ja heute noch, ich sei meiner Zeit voraus. Hahaha. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie sich das, was ich mache, zu dem Stand der anderen Musiker verhält. Aber ich denke, daß man es so sehen kann: Ich stoße heute auf mehr Verständnis, auch bei Musikern.“

Was hat sich in den letzten zwölf Jahren mehr verändert, Ihre Musik oder der Rest der Musik?

„Was mich betrifft, sehe ich einfach nur klarer, was den Rest betrifft, sehe ich mehr Akzeptanz für andersartige Musik. Ende der 60er hat man in Berlin versucht, mich von der Bühne zu holen, Mann! In London dasselbe. In New York war das damals schon anders. Wenn ich mit Pharoah Sanders oder Sunny Murray spielte, hatten wir unser Publikum, das uns verstand. In Europa entwickelte sich das erste, und das waren dann Leute, die vom Rock kamen.“

Damals waren Sie auch der einzige freie Gitarrist. In der Zwischenzeit ist auch das anders geworden. Welche der neueren Gitarristen interessieren Sie?

„Zum Glück muß ich jetzt niemanden fertigmachen, weil ich sowieso nie Gitarristen anhöre. Ich mag die Gitarre nicht besonders. Es gibt genau drei Gitarrensoli in der gesamten Geschichte, die ich gut finde …“

Und zwar:

„Nun, sehr verschiedene. Das Solo auf dem Kate-Bush-Song ‚Wuthering Heights‘, ich weiß nicht, wer das spielt, gehört zu den schönsten Ereignissen der Musik, die ich je gehört habe, dann gibt es ein Solo auf einer 40er Jahre Nat-King-Cole-LP, es handelt sich um einen Weihnachtssong, und es spielt wahrscheinlich Oscar Moore, und schließlich auf der Gil-Evans-Big-Band-Platte ‚Out Of The Cool‘ gibt es noch ein Solo, das mir gut gefällt. Sonst fällt mir keines ein. Das hat nichts damit zu tun, daß ich keine Musik hören würde. Aber ich höre lieber Bläser und Schlagzeuger, genauer Saxophonisten und Elvin Jones, das ist mein musikalischer Hintergrund, was Jazz betrifft, es gibt noch andere Musiken, aber im Jazz sind es die Saxophonisten, und möglicherweise klinge ich deswegen so anders als andere Gitarristen.“

Als Sie anfingen, war es wohl auch so, daß die Gitarristen eher zum konservativen Lager gehörten, während die innovativeren Leute Saxophonisten waren.

„Genau, an wem hätte ich mich denn orientieren sollen? Zu wem hätte ich aufschauen sollen, außer zu Pharoah, Coltrane oder Elvin Jones.“

Haben Sie noch Kontakt zu den Leuten, mit denen Sie in den 60ern gearbeitet haben?

„Leider kaum. Zu Sunny Murray z. B. nicht. Pharoah sah ich vor einem Jahr in Frankfurt, und wir beschlossen, wieder zusammen was zu machen. Aber bis jetzt wurde nichts draus, obwohl ich das weiterverfolgen will.“

Viele Musiker aus der Zeit scheinen verschwunden zu sein.

„Aber nur aus ökonomischen Gründen. Sie sind nicht wirklich weg oder tot. Wir alle hatten ja nie große Verträge, sondern nahmen immer nur Platten in kleinen Auflagen auf, die dann irgendwann verschwanden. Und die Kosten, uns nach Europa zu holen, waren meistens höher als die Ergebnisse, heute wird es wieder etwas besser …“

Aber Ihre jetzige Band, zwei Drummer und ein Bassist, stammen doch eher aus einer neuen Generation?

„Melvin Gibbs hat mit Shannon Jackson gespielt und ein paar anderen von den neuen Leuten, Pheeroan akLaff mit Oliver Lake, Abe Speller ist noch etwas neuer im Geschäft, und ich war wahrscheinlich der erste bekannte Name, bei dem er gespielt hat, in der Zwischenzeit war er viel mit Rockbands unterwegs; ja sie kommen alle aus einer neuen Generation, und ich genieße mittlerweile etwas, was ich nie geglaubt hätte, genießen zu können, die Rolle des alten Mannes. Melvin Gibbs war sechzehn, als er mich das erste Mal sah, Bill Laswell war sechzehn. Das macht Spaß. Ich habe nichts dagegen, zu enden wie Art Blakey. Ich habe der Musik noch nicht so viel gegeben wie er, aber ich kann mir diese Rolle gut vorstellen. Außerdem muß ich mich natürlich jung halten, um weiter von diesen jungen Leuten lernen zu können.“

Bei Last Exit lebt viel von der Spannung zwischen komplexen und sehr einfachen Stellen, wenn die Band plötzlich sich zu einem Blues zusammenfindet. (Was bei Sharrocks Solo/Quartett-Sachen eher von Pop/Soul-Melodien übernommen wird: die Funktion der einfachen Melodie als Kontrast.)

„Ja, man fragt mich oft nach den Blues-Elementen in meiner Musik, und ich kann dazu nie etwas anderes sagen, als daß der Blues nun mal die Grundlage unserer Musik ist und wir immer irgendwie darauf zurückkommen. Aber was viel wichtiger ist, ist, daß ich mehr und mehr zu der Einsicht komme, daß die einfachste Musik die beste ist, die einfachste Melodie ist die beste.“

Ich kann das auf dem Guitar-Album wiederfinden, aber Seize The Rainbow ist doch ziemlich komplex?

„Findest du? (Hahahahahahahah: großer Lachanfall) Nein, für mich ist sie die logische Fortsetzung von Guitar. Nicht kompliziert, eher so was wie mehrdimensional, aber als Ganzes doch einfach. Das Guitar-Album war für mich der Neuanfang, die Sicherung dessen, wo ich eigentlich musikalisch stehe. Nur habe ich immer Rhythmen gehört, auch wenn ich ganz alleine spiele, natürlich hat kein anderer sie gehört (hahaha), bei dem Quartett-Album sind sie dann für jeden hörbar.“

Hat das Guitar-Album irgend etwas mit den Ideen der sogenannten Minimalisten zu tun?

„Es gibt einige Minimalisten, die ich ganz gerne höre. Aber ich habe mich von Schulen immer fern gehalten, ich konnte damit nicht umgehen, weder mit Minimalismus noch mit Harmolodik, andere kommen damit zurecht, für mich war das immer ein Hindernis. Auch mit dem Begriff Free Jazz. Als ich mit Pharoah spielte, gab es in New York die Leute, die uns vorwarfen, wir würden zuviel im Takt spielen. Dabei dachte ich immer, ‚free‘ hieße, daß man spielen kann, wie man will, wie man sich fühlt.“

Gibt es bei Last Exit eigentlich Probleme mit den extrem unterschiedlichen Temperamenten der vier Mitspieler, gibt es Abende, wo nichts läuft und alle aneinander vorbeispielen?

„Also ich bin ein Mensch, der gerade im Moment öfters eine Form braucht, ich bastele mir in letzter Zeit immer häufiger Formen, obwohl mich viele immer mit der Idee des Ausbrechens, des Ketten-Sprengens verbinden, so daß ich manchmal weniger ‚frei‘ spiele als andere Mitglieder. Aber das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß drei Leute einen schlechten Tag haben, daß es überhaupt nicht läuft, habe ich in dieser Band noch nie erlebt. Als Coltrane in New York spielte, bin ich jeden Abend hingegangen, weil er für mich Gott war. Und wenn man seine Band oft sieht, dann gibt es auch Abende, wo er schwächer war als sonst, aber dann gab es immer einen anderen in der Band, der ihn auffing. So läuft es bei uns auch. Wie überhaupt in jeder richtigen Band. Bei Last Exit gehört es auch dazu, daß wir uns extrem weit von einander entfernen und uns dann wieder zusammenfinden, das ist ja gerade einer der Vorteile der Jazz-Band. Im Rock gibt es so oft den Fall, daß verschiedene Leute zur selben Zeit am selben Ort dasselbe tun wollen, was meiner Meinung nach zu ziemlich trüben Existenzen führt. Wir haben eigentlich vor nichts Angst, auf unserer letzten Platte war sogar Herbie Hancock dabei.“

Kannten Sie ihn von früher?

„In dem Fall hat Bill Laswell den Kontakt gemacht, aber ich habe auch mal mit Herbie gespielt, auf einer Herbie-Mann-LP. Mann, ich war immerhin sieben Jahre in der Herbie-Mann-Band, eine äußerst eigenartige Zeit für mich. Weil Herbie mich eigentlich immer machen ließ, was ich wollte. Da gibt es von mir die härtesten Soli auf ganz konventionellen Platten, er hat mir nie gesagt, daß ich mich beruhigen sollte. Es war eine seltsame Band. Als ich dazu kam, spielte Roy Ayers Vibraphon, Miroslav Vitous Baß und ich die Gitarre. Ich gerate immer in diese höchst eigenartigen Mischungen. Meist durch Zufall, aber ich hatte nie viel dagegen. Die erste Band, die unter meinem Namen lief, bestand aus Sirone am Baß (Bassist u. a. des Revolutionary Ensemble, das Stücke mit Titeln wie ‚Vietnam‘ über zwei LP-Seiten dehnte), Dave Burrel, Milford Graves am Schlagzeug (einer der größten freien, viel mit Albert Ayler und Cecil Taylor gespielt), Ted Daniel an der Trompete und meiner Ex-Frau Linda als Sängerin, echt ein seltsames Ensemble. Ich war nie sehr zufrieden mit diesen seltsamen Mischungen, richtig glücklich bin ich eigentlich erst jetzt mit dem Quartett.“

Ihre Titel enthalten immer konkrete Andeutungen, handeln Ihre Kompositionen von etwas, sind sie Songs, reden Sie durch Ihr Instrument?

„Auf Guitar gibt es ein Stück, das basiert auf einer Geschichte für meine Tochter. Eine Einschlafgeschichte, die ich ihr immer erzählt habe, von einer Prinzessin, die einen Zauberer trifft. Da ist wirklich jede Note für sie, und jede Note hat mit dieser Geschichte zu tun. ‚Broken Toys‘ war für meine Frau und darüber, wie man seine alten Träume wiederentdeckt, die heute aussehen wie kaputtes Spielzeug. Also manchmal handeln die Titel von etwas, manchmal nicht. Aber eigentlich denke ich nicht an Texte. Man muß wissen, daß ich meine Karriere als Sänger begann, in den 50ern war ich in diesen Gruppen, die man später Doo-Wop genannt hat, schwarzen Harmonie-Gesangs-Gruppen. Erst war ich bei den Echoes, später bei den Nobletones, und da komme ich musikalisch her, das ist immer noch mein wichtigster Background, das, was damals im Apollo und in der Straße lief. Aber nicht mal damals haben mich Texte interessiert, sondern nur Harmonien. Denn diese Harmonien entwickelten sich völlig aus den Gefühlen und Ideen der Musiker, es gab keine Tradition, kein Instrument, nichts, das diese Musik einschränkte, es war die reinste, ursprünglichste Musik. Und da komme ich her.“

Wie kamen Sie dann in einer relativ kurzen Zeit vom Doo-Wop zum Free Jazz?

„1959 war Doo-Wop vorbei. Niemanden interessierten die Bands, wir hatten eine Platte aufgenommen, die nicht veröffentlicht wurde, die Band brach auseinander, und ich entdeckte Jazz. Das war eine tolle Zeit damals. Miles hatte sein Quartett und das Sextett mit Cannonball, Trane hatte gerade Miles verlassen und seine eigenen Sachen angefangen. Ornette Coleman war gerade nach New York gekommen. Es war die beste Zeit, um sich von Jazz umhauen zu lassen. Und so um 1960 entschied ich mich zu spielen.“

Warum die Gitarre?

„Ich wollte Tenor-Saxophon spielen wie Coltrane, aber ich hatte Asthma, also ging das nicht, und da lag diese Gitarre herum, und diese Typen wollten eine Band gründen, also hab ich eben Gitarre gelernt und mich der Band angeschlossen.“

Wieder ein Zufall also. Wie Dizzy Gillespies berühmter Tritt auf die Trompete. Aber warum haben Sie sich damals nicht für den beginnenden Soul-Boom, also für Pop-Musik interessiert, was doch nach Doo-Wop näher gelegen hätte?

„Nein, überhaupt nicht. Ich hatte die besten Sänger gesehen, bevor sie reich wurden. Ich sah James Brown, als er noch gut war, ich habe Jackie Wilson gesehen, als er noch in einer Gruppe sang, ich habe Clyde McPhatter gesehen, als er noch in einer Gruppe sang. Und auch andere Gruppen-Sänger waren oft so unglaublich gut. Sie schrieben ihre eigenen Songs, sie dachten sich Harmonien aus, obwohl sie überhaupt keine musikalische Ausbildung hatten. Das war die originalste Musik. Ich bin damals mittags ins Apollo gegangen, als es aufmachte, und blieb bis spät in die Nacht. Wenn man mit dieser Musik aufgewachsen ist, dann sagt einem der ganze formalisierte Soul der 60er und später nicht mehr viel. Leute wie die Temptations sind dann echt nicht mehr diskutabel. Verglichen mit dem, was ich gehört habe, war das nichts. Und dann habe ich Ornette Coleman, Charlie Parker und John Coltrane gehört, und danach war nichts mehr wie früher.“

Sie kommen also vom Gesang. Versuchen Sie das in Ihrem Gitarrenspiel zu erhalten, diese Qualität der Stimme, des Singens als dem ganz persönlichen Ton?

„Ja (seufz!), das ist schon so eine Sache. Zuweilen gelingt es, daß ich mit dem Instrument singe. Und das ist so schön … Ich möchte darüber nicht viel sagen. Ich meine, Lester Young hat daran geglaubt, mit dem Horn zu sprechen, jeder weiß, daß es das größte Ziel eines Instrumentalisten ist. Wenn ich diesem Ziel nur nahekomme, bin ich ein glücklicher Mensch.“

Aber man kann das nicht planen …

„Neulich hat ein Mädchen mir die Hände gelesen. Sie sagt, daß ich eine sehr starke Lebenslinie, aber eine ebenso starke Schicksalslinie habe, das macht mein Leben sehr schwierig. Immer wenn ich eine Sache erarbeitet habe, kommt eine andere dazwischen. So ist das. Nein, man kann nichts planen. Man kann nur immer hart arbeiten, dann kommt es von selber zu einem. Ich habe eine lange, lange Zeit gewartet, aber es hat sich gelohnt. Wenn ich mit meinem Instrument singe, dann ist das genug. Das ist verdammt noch mal genug.“

Ist es nicht schwieriger für einen Gitarristen, diese Intimität zu seinem Instrument herzustellen als für einen Saxophonisten?

„Eigentlich schon, aber mit der Zeit entwickelt sich in den Händen das gleiche Gefühl, das gleiche ganz persönliche Gefühl, das ein Saxophonist in seinen Lippen entwickelt. Also Coltrane klingt nie wie Albert Ayler, weil sie ein verschiedenes Grundgefühl in ihren Lippen haben, bei Gitarristen sollte das genauso sein. Aber heutzutage verlassen sich die Gitarristen so sehr auf Technologie, daß man in den Fachblättern Artikel findet, die einem Gitarristen erklären, wie er mit bestimmten technischen Hilfsmitteln es schaffen kann, wie irgendein bekannter Gitarrist zu klingen. Das ist total krank. Warum nicht wie man selbst klingen, wie der Sound in einem selbst? Die Gitarre ist nun mal kein sehr menschliches Instrument, und es kostet viel Arbeit, sie zu vermenschlichen, das herauszuarbeiten, was man sofort hört, wenn man z. B. akustische Bassisten vergleicht, die Unterschiede zwischen Scott LaFaro und Charlie Mingus oder Jimmy Garrison, die es alle in den Händen haben, und zwar ganz offensichtlich. Früher konnte man einen Bud Powell, einen Bill Evans oder einen anderen Keyboard-Spieler nach wenigen Tönen erkennen. Heute geht das nicht mehr. Ich kenne keinen Synthesizer-Spieler, der die eigentlich doch größeren Möglichkeiten des Instruments nutzt, statt dessen wollen sie alle vereinheitlichen.“

Gibt es keinen modernen Keyboarder für Sie, der eine eigene Spielweise entwickelt hat?

„Keinen, der es etwa mit Cecil Taylor aufnehmen könnte.“

Was ist mit den Synthi-Solos von Sun Ra?

„Auch nicht. Das hat aber wieder andere Gründe. Ich will Sun Ra genausowenig als Solisten hören wie Duke Ellington oder Count Basie, sie sind die Anführer und sollten sich nicht an Soli verlieren. Ich mag sie, wenn sie dirigieren, nicht wenn sie spielen.“

Kommen wir zu der unvermeidbaren Frage: Was halten Sie von Jimi Hendrix?

„Die unvermeidbare Frage: Was denkt Sonny Sharrock über Jimi Hendrix …? Tja. Ich habe ihn mal getroffen, ein netter Kerl … vor langer, langer Zeit. Eigentlich habe ich nicht die Informationen für eine Meinung. Er war ein guter R’n’B-Gitarrist, aber ich bin nicht so beeindruckt. Ich meine, ich habe Coltrane getroffen.“