Stray Cats

Eine Geschichte über die Stray Cats scheint unabwendbar in ein Gegrübel über das „Revival“-Phänomen ausarten zu müssen. Aber derlei Gegrübel hatten wir schon bei Ska, Mod, Soul und Dexy. Und müßig ist es überdies, denn was zeitgemäß, was bloße Nostalgie und was gar Imitat des Imitat ist (Gruß an die Q-Tips!), entscheidet sich in Nuancen. Nicht en face, en detail!

Mit den Stray Cats scheint „This Years Model“ gefunden zu sein. Die Industrie, die seit einiger Zeit unfähig erscheint, Stars zu produzieren, darf sich freuen. Ganz ohne Strategie waren die Stray Cats innerhalb kürzester Zeit die Aufsteiger der Londoner Club-Szene geworden und konnten noch ohne Platte und Plattendeal Titelgeschichten für sich verbuchen. Die englische Jugend, stets hungrig nach Styling, hatte eine Gruppe gefunden, die eine der glücklichen Ausnahmen darstellt, wo Image-Produktion und musikalische Produktion vom gleichen Geist, vom gleichen Gefühl getragen werden. Die anderen glücklichen Ausnahmen der letzten Jahre waren die Specials und Dexys Midnight Runner.

Sich der älteren Rock-Traditionen und des dazugehörigen Outfits zu bedienen ist nicht gerade eine Meisterleistung an Originalität, aber es kommt ja auf das Wie an und darin sind die Stray Cats toll. Auf ihrer LP gibt es den Song „Stray Cat Strut“ und darin heißt es: I got cat class and I got cat style“. Diese Einschätzung ist richtig, Klasse und Stil haben sie. Und die Engländer die mit ihren Blitz-Kids, Soul Rebels und sonstigen Erscheinungen moderner Ratlosigkeit gehetzt von Jugendsekte zu Jugendsekte irritieren, mußten sich von drei New Yorkern zeigen lassen, was wahre Straßeneleganz ist. Auf ihrer LP gefallen vor allem die eigenen Songs, die aus dem Baukasten von Blues-und-Rockabilly-Traditionen zusammengesetzt, hart ins Herz der Wirklichkeit treffen.

Die Stray Cats sind allerdings etwas naiv. Ihr schönstes Lied „Storm The Embassy“ ergeht sich in einem geradezu harrsträubenden nationalistischen Appell, der zum Sturm der iranischen Botschaft auffordert (damals saßen amerikanische Botschaftsangehörige in Teheran in ihrer eigenen Botschaft fest), Seltsames über die Sowjetunion mutmaßt und auch sonst ganz in neuen amerikanischen Patriotismus macht. Leider war Drummer Slim Jim Phantom, der diese Zeilen ersonnen hatte, in Hamburg nicht zu sprechen und Brian Setzer, Sänger, Gitarrist und Kopf der Gruppe nahm eine andere Haltung für sich in Anspruch: „I’m pretty rebellious, wieso konservativ?“

Rockabilly und Rhythm’n’Blues sind schon seit Jahren die Spezialgebiete von Brian Setzer, Slim Jim Phantom und Lee Rocker, obwohl beispielsweise Setzer zeitweilig bei den Bloodless Pharaohs ansprechende und moderne Rocksongs komponierte und sang („Nee, das war so’n Roxy-Music-artiges Zeug, mochte ich nicht besonders.“, Setzer), galt seine wahre Liebe stets Rockabilly und schwarzem Blues. Bassist Lee, der auch live mit einem akustischen Standbass auftritt: „Mich interessieren keine moderen R & B-Adaptionen aus England oder so. Ich liebe das ganze alte Zeugs. Von Big Bill Broonzy bis Joe Turner.“ Amerikanische Traditionen, Patriotismus. Wenn das nicht konservativ ist! „Na hör mal, mit Country And Western haben wir aber absolut nichts am Hut. Obwohl, Hank Williams war wirklich gut.“

In New York verbrachten die drei ihre Jugend in „C.B.G.B.“ und „Max Kansas City“ („Das waren unsere Wohnzimmer“), blieben aber von der dortigen Szene ziemlich unbeleckt. „Die Cramps waren toll, das ist eine unserer Lieblingsgruppen.“ Klar!

Nach England siedelte man, weil man sich eine lebendigere Musik-Szene erhoffte und auch fand. Dann kam der Riesenerfolg, Dave Edmunds produzierte weite Teile der LP. Und alle Welt war hingerissen. Selbst im langsameren Deutschland waren Teds, Punks, Skins, Mods und wie sie alle heißen, einig in ihrer Begeisterung für die eigentlich eher etwas altertümliche Musik. Aber das besondere Gespür für Drive, die ganz spezielle Emotionalität der Stray Cats-Musik hatte auch hier schnell gewirkt.

Überraschenderweise hatte die neueste Single (wieder war eine Auskoppelung aus der LP auf der A-Seite, „Rock This Town“) auf ihrer B-Seite einen alten Surpremes-Hit, die göttliche Holland/Dozier/Holland-Komposition „Can’t Hurry Love“. Die Cats bringen auch das mit viel Gespür für den Song, aber gleichzeitig sehr eigen und schön. Für mich ein Grund, sie nicht auf dieses Rockabilly-Image, das sie mit ihrem Outfit verkörpern, festzulegen. Schließlich spielen auch die Specials mal Bar-Jazz und was Dexy machen, ist auch mehr oder anders als Soul. In Kevin Rowland schlägt doch z.B. auch deutlich hörbar das Herz eines Singer/Songwriters. Wie dem auch sei, alle diese Gruppen wissen talentiert die kleinen Pop-Mythen, die musikalischen Formen aus 25 Jahre Pop-Geschichte zum Tanzen zu bringen und man sollte diesen freien Fluß von Ideen nicht durch diese marktgerechten Revival-Konzepte behindern.

„Sei nicht überrascht, wenn wir einen Motörhead-Song covern. Lemmy ist Spitze“, sagt Brian Setzer und setzt zu einer einfühlsamen Imitation von „Ace Of Spades“ an.

Live waren die Stray Cats leider nicht so aufregend, wie die Berichte aus England versprachen. Wenn sie eigene Songs spielten, konnte das schon das Zentrum der Seele treffen. Aber der Set wurde überbelastet durch eher langweilige Fremdtitel, die ich mir lieber von Matchbox, Ray Campi oder einer anderen dieser seit Jahren nur von einer eingeschworenen Fangemeinde beachteten Neo-Rockabilly-Bands anhöre. Ein paar Wochen später die Specials zu sehen, machte klar was dazugehört, aus dem Image einer Mode-Band herauszutreten und etwas nachdrücklicher zu begeistern.

Ob die Stray Cats über den Status von „This Year Model“ hinauskommen? Jedenfalls schwören Kenner zur Zeit auf die Polecats, die es angeblich schon viel länger gibt und die auch um jenes Geheimnis zu wissen scheinen, einen Standbaß elektronisch zu verstärken, ohne seinen charakteristischen Sound zu verderben.