Talking Heads – (Noch) Mehr Spekulationen über Religion und Politik

Im Hotel neben dem Westfalenstadion herrscht Hochbetrieb: Exzentrische Rockstars treiben Personal in Küche und Keller mit absurden Wünschen zur Verzweiflung, im sonst ruhigen Restaurant tobt eine grelle Meute aus afrikanischen Perkussionisten, beleibten Männern mit ZDF-Jäckchen, Managern mit krummen Nasen, Fotografen mit dicken Taschen. Drei Soz-Päd-Studis werden begrüßt und gefeiert (ach so, es sind die Dire Straits) und mitten drin sitzt David Byrne, Leader des heute abend neunköpfigen Ensembles Talking Heads, und löffelt eine germanische Standard-Brühe.

Das ZDF hatte dieses Spektakel inszenert: Zei Tage „Rockpop“ mit idiotensicheren Supersellern, eine rammelvolle Westfalenhalle. Alles was in dieser Region zwischen 15 und 25 ist, ist auf den Beinen, denn heute abend ist ja für jeden IQ und jedes Temperament gesorgt. Wenn man diesen Rahmen mit den ersten beiden Talking-Heads-Gastpielreisen durch die BRD vergleicht, mutet das ziemlich seltsam an.

1978 im Pö (geneinsam mit XTC), 79 im Star Club, Midnight Special, Besucher immer so zwischen 200 und 300. Und nun das. Was ist passiert?

Die diversen Einschnitte, historischen Marksteine, die uns das Jahr 77 brachte, sind oft diskutiert und niedergeschrieben worden. Was wohl jenseits aller musikalischen, ideologischen,  und sonstigen Umstößen und Umstößchen den Rockbetrieb am meisten verändert hat, war die Einführung neuer Typen, neuer Charaktere in den Rock’n’Roll. Einer davon, einer der folgenreichsten war David Byrne.

Wir hatten Bob Dylan, wir hatten John Lennon, wir hatten Rock-Helden, Pop-Madonnen, Punk-Ikonen, Rotten und Strummer und Debbie Harry – wir hatten einige Dutzend starker, oft imitierter, z.T. mythischer Personifizierungen von Zeitgeist, freiwillige, bewußte und gemachte, geplante und synthetische Verkörperungen. Nur wenige waren auch wirklich gut, aber die letzte – obwohl inzwischen drei Jahre alte Idee, was ein Rockmusiker noch für ein Mensch sein kann – war David Byrne.

Provokativ war das deutliche, charmante „Ja“-Sagen der Talking Heads. Sie kamen als kluge, zerbrechliche Leute daher und hatten trotzdem den Drei-Minuten-Charme ihrer Freunde von Blondie. David Byrne ist ein äußerst gut aussehender junger Mann, aber er ist schwieriger, neurotischer, eigensinniger und unzugänglicher als Bowie, Dylan und Rotten zusammen. Er war der Archetyp des hochaufgeschossenen, ernsten, intellektuellen, knochigen, schwarz-gekleideten jungen Mannes, der heute zwei Drittel aller neuen englischen Bands anführt. Ohne sagen zu wollen, er sei bewußt imitiert worden, war er doch eine der ersten Verkörperungen des Rock-Sängers, der Ära, in der der Rock-Sänger als Röhre und Ego verschwunden war. Bei David Byrne werden Freud und Leid des modernen Menschen nicht in der äußeren Gestik, nicht im bekannten System der Emotionen ausgetragen, werden nicht herausgeschleudert auch nicht beklagt, beweint, sondern einfach offengelegt. David Byrne zeigt nicht, er gibt Einblicke. Auch seine Texte sind vom Zurschaustellen des Autors ungetrübte Ausschnitte aus dem Stream Of Consciousness des modernen, leicht zerrissenen Intellektuellen. Aber nie auf die weinerliche oder romantische Tour der vielen englischen Bands, die ähnlichen Post-Rock machen wie die Talking Heads.

Mit anderen Worten: Das Talking Heads-Debütwerk TALKING HEADS 77 war das erste befriedigende Resultat des Gedankens, daß, obwohl die Welt maßlos traurig sein kann und das Leben maßlos schön und das Ich maßlos krank, es aber nicht hilft, deshalb zu jammern oder zu brüllen oder Geseire und Lamentos anzustimmen. Denn all diese Ausdrucksformen sind als Gesten erstarrt und formelhaft und werden einfach geschluckt. Alles was so vorgebracht wird, bewegt niemanden mehr. Um die Leute zu bewegen, muß der Habitus des Rockmusikers geändert werden.

Und einer der neuen Typen wurden die Talking Heads. Seht sie Euch an auf dem ersten Cover: David Byrne – auf den ersten Blick Zutrauen erweckend, aber doch von neurotischer Tiefe, dabei aber nicht leidend, sondern charmant und von dezenter urbaner Eleganz. Das Mädchen Tina Weymouth – keine Sängerin sondern eine Bassistin – klug und etwas unerfahren, ihr Freund Chris Frantz – einJunge, mit dem man Baseball spielen kann, der aber auch zu Kybernetik was zu sagen wüßte – und schließlich Keyboard/Gitarre-Mann Jerry Harrison – ähnlich rätselhaft wie sein Namesvetter bei den Beatles bevor dieser zu Wort kam. Zusammen ergibt das einen vielgestalten, damals nicht einordbaren Haufen, der 77 blöd und flink unter Punk subsumiert wurde. Andererseits spricht es dafür, den Punk-Begriff zu überdenken, wenn man sich überlegt, daß eben auch dieses 77 geschah, und inzwischen dieser neue Rock-Habitus sich auf eine ebenso starke Weise vervielfältigt hat, wie der eines Rotten oder Vicious. Es gibt schon gemeinsames, aber das würde zu weit ins Philisophische lappen…

Das Songmaterial der ersten LP war ohne offensichtliche, grelle, wiedererkennbare Effekte. Sein Reiz lag in seiner zarten, aber irrsinnig bewußten und präzisen Schönheit. Die Arrangements spielten dezent mit dem Einsatz ungewöhnlicher Instrumente (Steel Drums in „Uh-oh Love Comes To Town“, Mandoline in „Don’t Worry About The Government“). Wären die Talking Heads früher in der Rock-Welt gelandet, wären sie vielleicht im Singer/Songwriter-Lager gelandet, obwohl es heißt, David Byrne habe als Schuljunge vorm Spiegel schwarze Sänger gemimt.

Das in Musik und Text simpelste Stück – simpel auch seine Identifikation mit dem gern augenrollenden David Byrne – „Psychokiller“ wurde zum Hit und Erkennungszeichen der Band. Dabei liegen die wahren Preziosen in anderen Textstellen, etwa dieser hier: Girls ask: can I define decision? / Boys ask: can I describe their function / Oh the boys want to talk, / would like to talk about those problems / And the girls say they’re concerned with decisiveness / And it’s a hard logic to follow, / and the girls get lost / … / I wanna talk / I’m ganna talk as much as I want / … / Decide, decide, make up your mind / … / Confuse, confuse, describe what I say / – später wird der Vers mit vertauschten Gechlechtern wiederholt. TALKING HEADS 77 war eine der schönsten Begegnungen von hoher Intelligenz mit Unschuld.

Genommen wurde den Talking Heads die Unschuld von Brian Eno.

Der Mann, der damals mit viel Geschmack die Neuerscheinungen durchhörte und sich als Pop-Produzent verdingte, wo immer es gute neue Musik gab, (von dem Ausrutscher mit Ultravox mal abgesehen) freundete sich schnell mit David Byrne an und produzierte seitdem als quasi fünftes Mitglied die folgenden drei LPs. Es war ein Weg in das Innere der Musik, vor alles des Rhythmus. MORE SONGS ABOUT BUILDINGS AND FOOD war eine mehr soziologische Platte mit Totalen auf Amerika oder so traurigen, aber wahren Feststellungen wie „The Girls Want To Be With The Girls“. „The Big Country“, eines der schönsten Talking Heads-Stücke überhaupt, beschreibt über eine Country und Western Akkord-Prozession hymnisch die Funktionalität, das saubere, rational-effektive Ineinandergreifen der modernen Welt, vom Flugzeug aus wahrgenommen. Zwischendurch meldet sich eine Stimme, die wiederholt: „I wouldn’t live there if they pay me“. FEAR OF MUSIC, die nächste Platte, wird in diesem und anderen Punkten noch härter: „Find a city, find yourself a city to live in!“ und „Life During Wartime“ erinnert dann schon ein wenig an Mi-Pau/Fehlfarbens „Ernstfall“/„Apokalypse“: „Heard of a van that is loaded with weapons / packed up and ready to go / heard of some gravesites, out by the highway / a place where nobody knows… “ Auch die musikalische Seite hatte sich Kopf an Kopf mit Eno rapide entwickelt. Auf MORE SONGS noch zaghaft, auf FEAR OF MUSIC rabiat hatte man sich Funk und schwarzer Rhythmen angenommen, hatte man die eigene Zerbrechlichkeit kompensiert durch knallende, aggressive Rhythmik.

Aber auch bis heute verzichten die Talking Heads nie darauf auch schonungslos weich und weiß sein zu können („Heaven“) oder auch mal die Grenzen der Tonalität zu lockern. Während dieser ganzen Entwicklung traten Harrison, Weymouth und Frantz als originelle Musikanten, die sie auf der ersten LP waren, mehr und mehr in den Hintergrund, hinter Byrne/Enos Qualität, Versponnenheit, Ideeenüberfluß. Nur Tinas Baß hatte auf FEAR OF MUSIC ein paar Höhepunkte.

Von der vierten und schwärzesten LP, REMAIN IN LIGHT, unlängst erschienen und schon Nummer 2 im Poll geworden, später.

In der Zwischenzeit nämlich, während die Talking Heads, scheinbar unbeeinflußt von der Außenwelt ihren Weg gingen und auch sonst immer sehr autonom wirkten, wurden sie erfolgreich. Begriffe ihrer Texte und Stimmung ihrer Musik wurden modern und oft kopiert. Ein inzwischen auch schon wieder zum Klischee und festgefahrenen Habitus gewordener Begriff von Modernität machte sich breit und bestimmte, auch von den Talking Heads berührte Gedanken, wurden zum Standard-Repertoire von z.T. ziemlich scheußlichen Njuhwehf-Gruppen. Klar, daß nicht nur die Talking Heads kopiert wurden, aber ein Boden war bereitet, auf den ihre Platten fruchtbar fielen, und jeder, der sich mit Musik intensiver beschäftigte, war sowieso gerade dabei nachzuholen, was er in den Punk-Jahren an schwarzer Musik versäumt hatte. Das als zweiter Aspekt.

Eine moderne Band wird als Mode verarbeitet. Kann sie modern bleiben, kann sie integer bleiben? En Passant möchte ich euch noch mitteilen, daß die THs von Gary Kurfirst gemanagt werden, einem überaus geschäftstüchtigen Knilch, der andererseits keinen sehr musischen Eindruck macht. Sein kurzes Tischgespräch mit David Byme über haitianische Kunst macht schnell klar, wo hier die Kunst und wo der Kunstmarkt sitzt.

Sensation im Herbst dieses Jahres: Talking Heads treten 9-Köpfig, verstärkt um Koryphäen des Funk wie Bernie Worrel von Funkadelic und Parliament auf. Europa Tour folgt, Dortmund, Fernsehaufzeichnung. „They are really big.“ In jeder Beziehung. Ein Blick aus David Byrnes Hotelzimmer: Seltsam beziehungslose Bauten und Hallen, Himmel bewölkt. Blick vom Fenster auf das Zimmer: David Byrne, schwarz gekleidet, pusselt an irgendetwas rum. Das Zimmer ist aufgeräumt. Ein großer Tape-Recorder steht da rum und eine kleine Cassetothek. Er bestellt einen Apfel beim Room-Service.

Was für ein Projekt ist dieses neunköpfige Ensemble, eine feste Band?

Nach der letzten Tour wußte ich, daß ich in dieser Form nicht mehr auftreten wollte. Es brachte nichts mehr. Dann kam die Idee der großen Besetzung, wir probierten es bei einem Festival aus und es machte großen Spaß, so eine Art Musik live zu spielen, daher diese relativ kurze Tour. Ob wir weiter zusammenarbeiten werden weiß ich nicht.

War es deine Idee?

Meine und Brians. Aber es wurde in der Band sofort akzeptiert.

Die Beschäftigung mit Afrika und Dingen der dritten Welt ist auch mehr eure Sache, oder?

Wir alle sind von jeher sehr interessiert an schwarzer Musik gewesen. Brian und ich haben uns im letzten Winter besonders intensiv mit bestimmten afrikanischen und von amerikanischen Afrikanern gemachter Musik beschäftig, als wir an unserer gemeinsamen Platte gearbeitet haben.

Wie kannst du als Weißer und weiß erzogener Amerikaner so eine Beziehung zu schwarzer Musik entwickeln?

Das frage ich mich auch. Man wächst ja in den USA mit Soul und Blues und dergleichen ganz natürlich auf, und ich habe mich immer viel damit beschäftigt, ich weiß sonst auch keine andere Erklärung.

Hast du nicht Angst, bei einer so großen Gruppe die Kontrolle zu verlieren, daß die Konturen verschwimmen?

Bei Rock’n’Roll-Musikern wäre das sicher der Fall. Denn die wollen immer so viel wie möglich spielen. Die schwarzen Musiker spielen nach der Devise: Weniger ist mehr, zugegeben eine sehr alte Kunstweisheit. Aber es ist bei so einer Besetzung auch das Spielenlassen, also das Platzmachen, das Pausen lassen für den anderen Teil der Musik, den man beherrschen muß.

Ihr seid ja nun sehr erfolgreich geworden, hast du nicht Angst, Dinge tun zu müssen, Zwängen und Eigendynamiken des Systems unterworfen zu werden, die dir deine künstlerische Unabhängigkeit schmälern?

Bis jetzt hatte ich derartige Erlebnisse nicht. Ich habe bis heute definitiv nichts getan, das ich nicht tun wollte. Alle Entscheidungen haben wir selber getroffen, inklusive des Auftritts bei dieser Veranstaltung.

Was hälst du von den anderen weißen, jungen Funk-Adepten, wie A Certain Ratio oder Pop Group?

Ich habe A Certain Ratio in New York gesehen und sie gefielen mir sehr, es war eines der wenigen guten Konzerte des letzten Jahres. Sie haben für sich einen Weg gefunden, mit schwarzen Rhythmen umzugehen. Bei der Pop Group sehe ich eine Menge gute Ansätze, aber insgesamt sind sie mir zu durcheinander und chaotisch. Ich glaube, ein wichtiger Aspekt dieser Musik ist, daß, wenn du Funk machen willst, du den Willen und die Disziplin haben mußt, absolut straight zu spielen, du darfst dir keine Verspieltheiten erlauben… Aber überhaupt sehe ich in der Entwicklung dessen, was als Punk oder New Wave begann, viele Leute einen Irrweg beschreiten, indem sie ihrer Musik eine Idee voranstellen, die außerhalb der Musik liegt. Viele Musiker vernachlässigen die Musik.

Deine Texte auf REMAIN IN LIGHT unterscheiden sich ziemlich von allen vorangegangenen LPs. Sie sind philosophischer, parabolischer…

Zunächst hatte ich mir hier selber eine Herausforderung gestellt. Früher war es manchmal so, daß ich die Songs fertig hatte ohne Texte und daß ich erst im Nachhinein zu den Songs passende Texte schrieb. Diesmal war die LP nahezu fertig komponiert und kein Stück Gesang aufgenommen, kein Stück Text geschrieben. Ich habe dann viele, unabhängig von Musik geschriebene Texte, die ich in der letzten Zeit gemacht hatte, genommen, und in die Musik eingepaßt. Aber du hast Recht. Meine Texte kreisen mehr ums Allgemeine. Früher hab ich eben versucht, bereits vorhandene Musik textlich umzusetzen und habe auch sonst sehr assoziativ und bildhaft gearbeitet. Einige Metaphern waren vielleicht sogar unverständlich. Jetzt habe ich versucht, größere Zusammenhänge zu vermitteln.

Als ich bei „The Great Curve“ zum ersten Mal auf den Text hörte, hatte ich die Idee, der Song handle von der Spirale der DNS. Kannst du das bestätigen? Wer ist „She“, die so „Divine“ ist?

Sie ist eine Frau. Eine Frau, die tanzt, sich bewegt. Aber das ist natürlich ein ein deutbares Bild, eine Metapher. Es gibt einige Möglichkeiten das zu sehen. DNS ist eine hübsche Interpretation, obwohl ich noch nie daran gedacht hatte.

Wieviel darf man darin deuten?

Nicht sehr viel. Meine Texte sind nicht beliebig. Es ist Dichtung, und Dichtung ist nie eindeutig, aber meine Vorstellungen sind schon präzise.

Was bedeutet das Wasser, die breit ausgemalte Vorstellung von Wasser in „Once In A Lifetime“?

Verlust der Persönlichkeit, Aufgabe des Ego, aber in einer sehr positiven Weise. Unterwerfung, aber in einem guten Sinne, nicht Unterwerfung unter einem Unterdrücker.

Das hört sich sehr religiös an.

Unsere Beschäftigung mit der dritten Welt hat viel mit Religion zu tun, aber mit schwarzer Religion, nicht mit westlicher.

Wo liegt für dich der wesentliche Unterschied?

In der westlichen Religion und Mystik hält der Einzelne Einkehr. Er ist allein und hält Zwiesprache mit irgendeinem da oben. Er tut es für sich. Schwarze, oder besser, Dritte-Welt-Religionen haben sehr viel mit Solidarität und Gemeinschaftsgefühl zu tun. Religion ist die Instanz für das Aufgehen des Einzelnen im Sozialen.

Das Prinzip der Zwiesprache zwischen Prediger und Gemeinde, das wir aus schwarzen Gottesdiensten kennen, kommt ja auch viel in REMAIN IN LIGHT vor.

In der Tat haben wir uns viel mit Gospel beschäftigt und anderer religiöser Kommunikation in schwarzen Gottesdiensten.

„Seen And Not Seen“ mit seiner Idee von der Fähigkeit, sein Gesicht zu verwandeln hat mich an John Cales „The Jeweller“ erinnert, wo ein Juwelier entdeckt, daß sein Gesicht eine einzige Vagina ist, da wird auch zu Musik gesprochen.

Ja, ich weiß. Das sagen viele, ganz einfach, weil nur John Cale und Phil Glass, diese Idee des Sprechens zu Musik ausgeführt haben, aber wenn du hinhörst, machen wir es ganz anders. Es gibt einen Einfluß, aber das ist ein ganz unbekannter Musiker.

„The Overload“ erinnert ja stark an Joy Division.

Das kann schon sein, wir mögen die ganz gern, auch andere englische Bands.

Welchen Anteil hat Jerry Harrison an diesem Stück?

Brian und er haben je ein Synthi-Treatment dazu beigetragen, der Song ist von mir.

Wie sind sonst die Anteile verteilt?

Die Grundlagen der Songs habe ich alleine gemacht. Wir haben sie dann später zum Teil zu verschiedenen Songs gekoppelt, Teile rausgenommen und woanders integriert. Brian hat eine Menge musikalische Ideen, zweite Melodien usw., beigetragen und Jerry eben auch zweimal. Ich habe halt diesmal für alles Credits vergeben.

Kommen wir zu eurer Solo-LP.

Sie ist jetzt fertig und gibt unsere Beschäftigung mit afro-amerikanischer Kultur wieder. Die Musiker sind weitgehend Brian und ich an Gitarre, Synthi und Perkussion, manchmal der eine oder andere Session-Musiker. Buster Jones spielt z.B. Baß. Aber wir singen nicht. Den Gesang haben wir aus vorgefundenen Quellen: Ethnische Schallplatten afrikanischer und arabischer Musik, Radio-DJs, Werbung und Evangelisten, die wir z.T. auf der Straße aufgenommen haben. (Er legt eine Cassette von der Platte ein) Die Platte wird in Kürze erscheinen.

Ende des Interviews

Wir hören nun Musik, die an die verhalteneren, leiser pulsierenden, versteckter rhythmischen Stellen der REMAIN IN LIGHT-LP erinnert. Viel von der sehnsüchtigen Athmosphäre von etwa „Listening Wind“, verstärkt durch die immer von irgendeiner Leidenschaft entflammten Sänger. David Byrne nimmt noch eine Frucht zu sich und kämmt sich die Haare aus der Stirn. Tatsächlich ist er immer noch derselbe Typ, der er 77 war. Aber er hat, wie man in dem abendlichen Konzert erkennen konnte, einen Weg gefunden, sich gegen den Verschleiß zu wehren, den der Erfolg mit sich bringt: Er taucht unter im Gewimmel und Gedonner seiner Riesenband, läßt sich in die Musik fallen. Er reflektiert seinen Mythos, seinen Status als Image, als Typus nicht, flieht in die Musik, nimmt sie beinahe wie ein religiöses Ritual. Noch genügend weiß und intellektuel um nicht zum Maurice White der neuen Welle zu werden.

Aber keine Angst: David Byrne steht zu sehr zu und wurzelt zu tief in seiner überspannt-nervösen Großstadt-Psyche, um naiv-debil, wie ein Mahavisnu oder Santana vor Jahren, umzukippen, und sich an einen Guru zu verlieren. Es frage sich nur, wie sich Tina, Jerry und Chris fühlen, wenn alle ihre Instumente noch ein zweites Mal auf der Bühne vorhanden sind und von cool die Zähne bleckenden Schwarzen mit Überdruck gespielt werden, während sie nur Fülsel produzieren. Adrian Belew, langjähriger Bowie-Gitarrero und auch T.H.-Verstärkung, hat sich allerdings sichtbar wohlgefühlt, wenn er seine Gitarren-Verzerrungen, wie Zeus seine Blitze über Bühne und Westfalenvolk schleudern durfte.