Zwei Bücher, eine Wiederveröffentlichung und eine retrospektive Untersuchung, die einen Abschnitt subkultureller Geschichte zusammenfassen. Während Thomas Daum die zweite Kultur über eine Geschichte der alternativen Underground- und Kleinverlag-Literatur zu fassen versucht, denkt Salzinger über Musik nach, bzw. führt exemplarisch das Denken anderer vor.
Daum schreibt, wenig wertend und ohne eine allzu deutliche eigene Haltung eine Bestandaufnahme der Underground-Literatur der späten Sechziger und der Siebziger, incl. Vorläufer, kulturelles Umfeld etc., die recht umfassend alles registriert, was in diesen Bereichen geschehen ist. Er befleißigt sich einer akademischen, liberalen Sprache und Betrachtungsweise, die, wie Literaturwissenschaftler das nun mal tun, Perioden, Bewegungen, Einflüsse und deren kausale Beziehungen registriert. Für eine Beschäftigung mit diesem Thema liefert Daum alle wichtigen Materialien und viel Illustrationen. Was mich stört, ist die Abwesenheit der jüngeren Vergangenheit (ab 76 mindestens) und der damit verbundenen Umwälzung der zweiten Kultur durch eine nachgewachsene Generation. Aus diesem Zusammenhang müßte eigentlich eine Geschichte der Subkultur immer auch beschrieben werden als eine Geschichte des Scheiterns: wie aus berechtigter Abneigung gegen einen Anfang der Siebziger stark verbreiteten Vulgärmarxismus hochgradig miefige, bürgerliche Innerlichkeit, spießige „Ganzheits“-Ideologien entstehen – man kann es diesem Buch entnehmen. Das Elend der ewigen Wiederholung von dem, was man für Surrealismus, Dadaismus oder Cut-Up hält – es durchzieht dieses Buch bis hin zu den Anzeigen auf den letzten Seiten. Doch nach einem Wort der Auseinandersetzung mit diesem Gedankengut sucht man vergebens.
Wenn man schon referiert, daß etwa ein Dieter Duhm (einer von denen die von „Kopf und Bauch“ reden) in seinem Denken „auf moderne Physik, auf die Archetypen C.G. Jungs, auf Zen, Yoga, Karate, auf Drogenerfahrung und Psychose, auf die Parapsychologie und auf Religionen (…) rekurriert“, dann sollte man auch erwähnen, daß einer, der so denkt, geistig nicht nur etwas hinter dem Mond lebt, sondern eher zum Kaffeekränzchen anthroposophierender Rentnerinnen gehört. Peinlich ist es, diesem Duhm auch noch als Verdienst anzurechnen, daß er „Begriffe wie ‚Leben‘, ‚Liebe‘, ‚Schönheit‘, ‚Würde‘, ‚Ehrfurcht‘, ‚Hoffnung‘, vielleicht auch ‚Glaube‘ (…) ins Bewußtsein zurückholt.“ Denn Begriffe werden nicht „durch die bürgerliche Kultur pervertiert“, sie haben einer bestimmten Kultur (die bestimmt nicht bürgerlicher ist als die, die ihre Begriffe restaurieren wollen) zugehörige Bedeutungen. Die Idee von einer ursprünglichen Unschuld der Wörter ist nachgerade absurd.
Trotz solcher Dinge eine gute Materialsammlung, empfehlenswert.
Salzingers Buch, das Rowohlt unverändert wiederveröffentlicht, ist ein ungemein anregendes Dokument theoretischer Auseinandersetzung innerhalb der frühen Hippie/Alternativ-Szene um Musik und mehr, das schon die Keime der Degeneration in sich birgt. Als Teenager habe ich dieses Buch mehrfach verschlungen und auch viele seiner Fehler geteilt. Die Methode, Dokumente ohne Quellenangaben organisiert nebeneinander bestehen zu lassen, verleiht „Rock Power“ die Frische und Großzügigkeit, ohne Nörgeleien auskommen zu können. Der Autor verschwindet hinter den Fragmenten, die für sich selbst sprechen, über Bewußtseins- und Gedankenformation Auskunft geben, ohne ihre „Message“ zu überhöhen. Ein Buch, das in seiner Methode seiner Zeit weit voraus war.
Daum, New Lit Verlag, Mainz / Salzinger, Rowohlt, Hamburg.

