Der wahre Grund des SOUNDS-Verkaufs ist folgender: Die von so „scharfsinnigen Politologen“ (Kenneth Anger über Gary Cooper und Fred MacMurray) wie Thomas Bettler und Klaus Fruderking (dazu später) beklagte Hinwendung zum Pop und Abwendung von afrikanischen Frauenbands, die unser Blatt in der letzten Zeit durchgemacht hat, führte bei Redakteuren und Mitarbeitern zu einer 100%igen Durchpülung von Herz und Hirn. Infolgedessen haben wir uns alle rettungslos hierhin und dorthin verliebt (teilweise sogar untereinander oder übereinanderweg). Infolgedessen wurden wir aufgeregt, zittrig und kindisch. Da die meisten Leser und Anzeigenkunden nicht verliebt sind, zogen sie die Konsequenzen und wandten sich von uns ab, ließen uns singend im Regen stehen.
Einen wahren Grund gibt es nicht. Die Auflage war ein wenig gesunken. Nicht so sehr, daß man nicht hätte weitermachen können, wenn man einen kleineren Apparat gehabt hätte, aber doch genug, um bei den düsteren Prognosen für die Jahre 83, 84 ff den Laden einzustellen, bevor man mit Donner und Doria bankrott geht. Die Titel SOUNDS und „Musik Express“ wurden an den Schweizer Verleger Jürg Marquard verkauft. Dieser wird in Zukunft ohne uns ein neues Magazin, das beide Titel tragen wird, herausbringen.
Die Anzeigen waren vor allem im Bereich Schallplatten zurückgegangen. Die Industrie schien vergessen zu haben, daß die meisten ihrer Erfolgsact zuerst bei uns erwähnt wurden. Aber, was soll’s? Die Reaktion von Leserbriefschreibern, offiziellen gedruckten Nekrologisten oder den vielen netten Anrufern waren fast immer rührend oder nett. Es ist unglaublich, wie viele kluge, nette Menschen es in Deutschland gibt, und ich bedaure jeden, der so eine Erfahrung wie wir jetzt nie machen konnte. Viele haben uns Spenden angeboten, einige für uns privat, andere für ein neues Blatt (wir drucken zu den Kritikercharts für dieses Jahr unsere Kontonummern ab. Wer zuviel Geld hat, kann uns dann durch Spenden Kinobesuche und Plattenkaufen finanzieren). Wer fragt, was wir jetzt machen, dem sagen wir zunächst: „Urlaub.“ Die dreieinhalb Jahre SOUNDS konnten einem schon Gesundheit und Nerven ruinieren, auch wenn mir das immer viel Spaß macht, wenn mir irgendwer oder irgendwas die Nerven entzündet.
Nun noch ein Wort zu den Doofen: Zwei Reaktionen gab es, die eindeutig gegen uns eingenommen waren. Eine kam von einem weiß gekleideten Jugendlichen, dem die „taz“ aus unerklärlichen Gründen eine Seite eingeräumt hat, um sich über die Musikpresse auf dem Niveau eines SDAJ-Flugblatts auszulassen, mit drögem, alten ideologiekritischen Mist, der zu unerheblich ist, um sich darüber zu äußern. Erwähnt werden muß nur, daß der Autor auch noch behauptet, man könne meinen „Stil“ nur „entknäulen“, wenn man wie ich (!?) viel Haschisch rauche. Ich, der stadtbekannte Hasch-Gegner, der den jungen Leuten unter Fuchteln und Schreien ihre kleinen, schmutzigen Phalli, die sie Joints nennen, aus der Hand reißt und ihnen oberlehrerhafte Predigten über Suchtdrogen und körperlichen Verfall hält (zu beobachten etwa an der maroden, versyphten Volkswirtschaft des Kifferstaat Nordjemen).
Schlimmer allerdings die Auslassungen der SOUNDS-Mitarbeiter Frutterking und Blutleer im Düsseldorfer Stadtmagazin „Überblick“. Nichts gegen Polemiken, aber quod licet Jovi, non licet bovi. Mit Methoden, die heutzutage nicht mal mehr das drögste, verwanzteste Soziologieseminar verkraften könnte, „analysieren“ sie die angebliche „schwarzrechte“, „frauenfeindliche“ (ein Hohn: wir alle sind Freunde der Frauen oder in manchen Fällen sogar selber Frauen), „rassistische Gesinnung“ unseres Blattes. Oldies des studentischen Debildenkens, letzte Trümmer von Vulgärmarxismus wie das Geschwätz von Form/Inhalt (so als wäre ein Text eine Konservendose. Innen Gesinnung, außen steht drauf „Erbsen, EWG-Qualität“, Butterking ist verwirrt, wenn plötzlich draußen „Lacroix-Suppe“ draufsteht, er hält das dann für bourgeoisen Formalismus). Zwei Leute, die aufgrund ihrer militanten Drögheit hier nie so richtig ein Bein auf den Grund bekamen, rächen sich in dem Moment, wo’s nicht mehr schaden kann, durch eine Distanzierung.
Irre z.B., daß es für sie sexistisch ist, wenn man Annabella nackt im Kreise von BowWowWow abbildet. Daß das Foto ein Gemälde von Renoir nachstellt, wissen sie natürlich nicht (Charles Renoir? Ist das nicht der Schauspieler mit dem grauen schütteren Haar, der immer so schwul spricht? Oder meint ihr Fürst Renoir von Monaco, den Witwer von Grace Kelly, der Vorsitzenden der Grünen?) oder sie fordern „die tatsächliche Relevanz von Trends“, beschweren sich über „Veränderung um der Veränderung willen“. Jajaja. Alles ändert sich, nur der holsteinische Bauernschädel bleibt bestehen. Und in ihm walten so unumstößliche Wahrheiten wie die, daß die Abbildung von ganz oder teilweise entkleideten Frauen junge Vergewaltiger (dafür vergewaltigen unsere Autoren die Sprache: „Herbstzeit, die Zeit, in der die Blätter fallen, wird gern und vielerorts mit Romantik verwoben“, so Thomas Buttler in „Überblick“ über Depeche Mode) heranzieht oder daß die Erwähnung der „Bild“-Zeitung Einverständnis mit rechter Politik im großen wie im kleinen bedeutet.
Sie werfen uns vor, daß wir uns mit Reagan nur als Schauspieler beschäftigt haben (was nicht stimmt, aber sie zitieren sowieso so dermaßen aus dem Zuammenhang gerissen, daß man ihnen Böswilligkeit unterstellen könnte, wenn man nicht wüßte, daß sie viel zu dröge sind, um böse sein zu können), aber sie leben eben so hinter dem Mond, daß sie nicht einmal wissen, wie wichtig an Reagan sein Schauspieler-Talent ist und wie unwichtig seine Gesinnung. Sie scheinen wirklich zu glauben, wenn ein böser Mann Präsident ist gips böses Politik und wenn liebes Mann Boß von Staat kommt liebes Politik. Also Vulgärmarxismus dies zu nennen, ist eindeutig eine Beleidigung von Marx und dem Vulgo. Buttermann oder Bottervogel oder wie auch immer verhält ich zu SOUNDS wie Ernst Dieter Lueg zu Dick Cavett, wie Ekel Alfred zu J. R., wie Drögenstedt am Drögenweiher (bei Bad Oldesloe) zu New York, wie Völkerball zu Fußball, wie Jupp Derwall zu Günter Netzer, wie Ina Deter zu Grace Jones, wie Wolfgang Niedecken zu David Bowie, wie Kohl zu Andropow, wie Apel zu Wehner, wie Fix und Foxi zu Donald Duck, wie Erich Fromm zu Sigmund Freud, wie Horst Eberhard Richter zu Michel Foucault und so weiter.
Wir werden sicher irgendwie weitermachen, ein neues Blatt ist im Gespräch. We Love You. L.O.V.E. Love.
Blues oder
SOUNDS, now SILENCE
Trauerspiel in zwei Akten
Frei nach Joachim Ringelnatz (J.R.)
Mitwirkende:
Joachim Ringelnatz, Dichter
Jürgen Legath, Verleger
Jörg Gülden, Redaktionsleiter
Teja Schwaner, Freund des Hauses und für alles mögliche verantwortlich außer der Musik
Akt I
J.R. zu Pamela (die sich im Off räkelt): „Die Zeit vergeht.“
J.L. zu J.G. (der sich auf Bali räkeln will): „Das Gras verwelkt.“
J.G. zu T.S. (der sich anschickt zu mäkeln): „Die Milch entsteht.“
T.S. zu J.R. (der sich nach einer neuen Zeile umsieht): „SOUNDS nach Bayern verweht.“
Alle: „Die Kuhmagd melkt.“
Akt II
Alle: „Die Milch verdirbt.“
J.R. zu T.S. (der sich anschickt, sich schluchzend abzuwenden): „Die Wahrheit schweigt.“
T.S. zu J.G. (der das nicht glauben mag, aber schluckt): „Die Kuhmagd stirbt.“
J.G. zu J.L. (der das Licht ausmacht): „Ein Geiger geigt.“
Pamela (aus dem Off) zu J.R. (der kaum mehr dichten kann): „SOUNDS macht jetzt zu!“
Alle: „Und wir ham unsre Ruh!“
Applaus. Es werden überall Feuerzeuge entzündet, Feuerwerkskörper explodieren, aber die Akteure lassen sich allesamt nicht zu einer Extranummer, einer Zugabe oder etwa „more“ bewegen.

