Uptown/Downtown

Die weltweite Regelung, zumindest in Klassengesellschaften vorherrschend, daß das Nachtleben in einen Uptown- und einen Downtown-Zirkel getrennt ist, blieb Hamburg ziemlich lange, für Nachtleben-Verhältnisse sehr lange, erspart: im „Subito“ und den diversen entschlafenen „Alles wird gut“-Lokalen wie auch bei den „Dirtboxes“ gab es diese Trennung nicht. Eine anscheinend klassenlose Avantgarde der Lebenshaltungen ließ an den Individuen mehr die selbstausgedachten, bewußt herbeigeführten, gestylten Elemente hervortreten und bedeckte die Herkunft, das Traditionelle bis zur Unkenntlichkeit. Jetzt gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft des „Subito“ das „Luxor“, und die uralten soziologischen Erkennungsmerkmale kommen aus ihren Verstecken gekrochen. Plötzlich ist das „Subito“ downtown, das „Luxor“ uptown, und einer wie wir, der beides schätzt und die ganze Welt will, wird zum „Wanderer zwischen den Welten“ (Genscher), zum blockfreien Jugoslawen, zum neutralen Österreicher mit einer Armee, die einer Invasion nur vier Sekunden Widerstand leisten könnte.

Es ist noch nicht so weit, aber es könnte bald dazu kommen, daß Downtown-Atmosphäre mit Mördern, Dirnen, Messerstechern, Künstlern und einem Professor Unrat, der beim Kickern „Kikeriki“ kräht, bald im „Subito“ einzieht, so traditionell wie aus der „Marktstube“ und Jacques Brels „Amsterdam“ bekannt, und daß sich im „Luxor“ (Volksmund: „Lagos“, weil der Name „Luxor“ so häßlich ist, und weil Nigeria hipper ist als Ägypten) die gutabgehangenen Medientanten, französelnden Kunststudenten und das, was man früher Popper nannte, ein Stelldichein geben. Zudem sind im „Luxor“ bereits klassenlose, gesichtslose Schnauzbärte gesichtet worden, im „Subito“ ähnlich unmarkante Säufer. Phänomene, die auf eine Ausdünnung der Atmosphäre hindeuten. Außerdem gehen plötzlich dreimal so viele Menschen aus wie früher. Was hat das bloß alles zu bedeuten?

Die TV-Personalities waren herrlich. Rührende Menschen waren das. Daniel Treacy faselte immer von „spacy“ und ließ alle 60er-Psycho-Vokabeln während der endlosen Pausen zwischen den Stücken fallen, die er noch wußte. „Wir müssen lange stimmen, weil wir doch Hippies sind.“ Dabei verstimmte er seine Folkrock-Wandergitarre (halbelektrisch) immer mehr. Bei allen schwierigen Stücken versang er sich, während seine Mitspieler Witze machten und alles taten, um so zu wirken wie Syd Barrett im „UFO“-Club. Jowe Head von den Swell Maps half am Baß aus und sang eigene Captain-Beefheart-Parodien, und am Schluß gab es das Beatles- und Klassiker-Medley mit allen obligatorischen „Waiting For My Mans“, die wir von den TVP gewöhnt sind. Die Erkenntnis ist wohl nicht mehr zu unterdrücken, daß die besten Köpfe meiner Generation keine andere Idee mehr haben (oder je hatten), als Velvet Underground zum ewigen Höhepunkt der Popmusik zu erklären, und traurig zu wissen, daß das Ehrenwerteste, was einem Nachgeborenen zu tun bleibt, das Imitieren der Klassiker ist. Nächsten Monat sehen wir uns alle bei John Cale und Violent Femmes. „Man wird halt nicht jünger“ (Ursula Andress in „Bild“).

Im Fernsehen konnte man im Who-Film „The Kids Are Alright“ mal wieder sehen, daß alle guten Ideen der Popkultur schon ’64 gedacht worden sind und zwar von Leuten wie Pete Townshend, die nicht einmal absolute Heroen sind, aber schon damals „Musik ohne Qualität“ predigten und Zeilen schrieben wie „I was born with a plastic spoon in my mouth“. Und war es nicht der größte Fehler der Who, daß sie sich weiterentwickelten? Naja. Wissen wir schon.

Und jetzt sollen akustische Instrumente für eine stilistische Revolte sorgen? In der bierdunstgeschwängerten Luft des Onkel Pö sahen wir gestern The Alarm, die nur ein gutes Stück spielten, immer wie die Clash, lauter gleichförmiges Zeug, und am Schluß Maggie Mae von Rod Stewart (ein aktenkundiger Tiefstand der westlichen Zivilisation) intonierten. Wir empfehlen für ’84 Frühsechziger-US-Jazz von der Firma „impulse“.