Wenn irgendeine Gruppe dem entspricht, was man einmal unter dem abgenutzten Begriff einer Kultgruppe verstand, so sind das die Virgin Prunes. Von ihrem ersten Auftreten vor mehr als zwei Jahren bis in die heutigen Tage verstanden sie es, ihrer wechselnd interessanten Musik eine zusätzliche Dimension mit viel Art-School-Brimborium, Maskerade und weitläufigen Verwirrungsfeldzügen zu geben.
Die ersten Singles für Rough Trade waren zu ihrer Zeit nicht besonders auffällig. Die sogenannte New-Wave-Bewegung war, wie schon zehn Jahre vorher die Hippies, in das Stadium der Experimente hineingeraten. Improvisierte Musik gewann wieder an Bedeutung. Die Virgin Prunes standen irgendwo dazwischen. Ihre Ideen hatten nicht die Beliebigkeit so vieler Lärm-Bands. Ihre sehr vielfältigen Spielweisen und hin und wieder gar melodiösen, oft faszinierend monotonen Entwürfe hatten durchaus Bestand. Dann kam die Serie „A New Form Of Beauty“, bestehend aus sechs Teilen: einer 17 cm-, einer 25 cm-, einer 30 cm(Maxi)-Single, einer Video-Kassette, einer Ausstellung/Performance und einem Katalog/Booklet. Die ersten beiden Produkte tatsächlich auf einem Höhepunkt ihrer musikalischen Ideenfülle, die einen direkt dazu veranlassen konnte, den Anspruch des Titels als eingelöst zu betrachten.
Es folgte eine ermüdende Single, und mit den letzten Beiträgen einer großen Reportage in der französischen Zeitschrift „actuel“ traten die künstlerischen Ambitionen der Iren in den Vordergrund: Verbotenes, angeblich Tabuisiertes von Homosexualität bis Sich-nackt-im-Schlamm-Wälzen wurde mit theatralischem Eifer zelebriert. Tabus brechen, die schon lange keine mehr sind, inflationär mit der eigenen Befreitheit herumlärmen, da treffen sich die Prunes dann auch mit Gestalten wie dem von ihnen verehrten britischen Regisseur Ken Russel oder der überstrapazierten Kunstschulen-Hip-Figur Jean Cocteau, für den zur Zeit in England jeder etwas übrig zu haben scheint.
Trotz alledem veröffentlichten die dennoch ganz liebenswerten Spinner unverdrossen eine neue Single, eine weitere 10inch (25 cm) mit Booklet und eine LP „If I Die, I Die…“, die eindeutig der populären Gegenwartsmusik gegenüber offener ist und wieder einige starke musikalische Reize zu bieten hat. In der Hinsicht dürfte sich das Konzert also lohnen.

