Volker Schlöndorff: Die Fälschung

Ich hab noch nie einen Film von Schlöndorff gemocht. Zu sehr klebten sie für mein Empfinden an fragwürdigen Begriffen von Wirklichkeit, von Historie und Politik und hatten außerdem die Neigung, das Filmische auf das Referieren einer Story zu reduzieren.

„Die Fälschung“ ist sicherlich Schlöndorffs Bester. Dies hat mehrere Gründe. Der Schauplatz, das Bürgerkrieg-erschütterte Beirut, hat diverse sonst von selbst funktionierende Gesetze außer Kraft gesetzt. Die Filmerzählung entfaltet nicht die bei Schlöndorff sonst so aufdringlichen Messages, sie verliert sich an das, was es zu sehen gibt. Und das ist gut so. Hanna Schygulla, als gleichgültig Entrückte, die sich mit der Situation des allgegenwärtigen Todes stoisch (oder existentialistisch?) abgefunden hat und aus den Ruinen neues Leben entwickelt und Bruno Ganz als der exemplarisch Verwirrte, der überzeugend-umfassend zweifelnde Zeitgenosse (man hat ihn als Journalist, mit Ehesorgen daheim im Landkreis Lüchow-Dannenberg, nach Beirut geschickt) sind stärkere Figuren, größere Schauspieler, bewegendere Charaktere, als alle bisherigen Figuren, die Schlöndorff auf’s Tapet gebracht hat.

Die Intensität, die so gewonnen wird, verstärkt sich gegenseitig. Wenn die Schygulla in einer Bombennacht leckeren Orangenblätter-Kaffee zubereitet und damit eine amoureuse Situation einleitet, ist das wirklich romantisch. Wäre es Jemand anderes, wäre es eine doofe, hergesuchte Klischee-Handlung. Wenn Bruno Ganz verloren, sinnierend durch die Trümmer trottet und so bemerkenswerte Sätze sagt, wie „Die Opfer von morgen nacht sind alle noch sehr geschäftig“ (oder so ähnlich) ist das nur solange überzeugend, wie eben Bruno Ganz solches erlebt. Die Mitteilung über solche Schauspieler funktioniert trotz der oft zu einfachen Messages.

Schön ist dem Film auch die Darstellung der liberalen Meinungsscheiße gelungen. Eine Redaktionssitzung beim „Stern“ (der hier wohl gemeint ist; denn der dem Film zugrunde liegende Roman von Nicolas Born wurde von Erlebnissen des „Stern“-Reporters Kai Herrmann gespeist) gerat zu einer unvergleichlich klareren und wichtigeren Porträt-Aufnahme gegen und von journalistischer Realität als das beim Halfzware-Publikum offene Tür einrennende Lamento „Katharina Blum“.

Obwohl man Schlöndorff konzedieren muß, mit „Die Fälschung“ fast einen deutschen „Deer Hunter“ geschaffen zu haben, bleibt doch eine leichte Betrübnis, die daher rührt, daß dieser Mann bei aller professionellen Routine zu dicht an sprachlich referierbaren (nicht an filmischen) Inhalten hängt. Er sollte vielleicht doch besser Essayist werden.